Nachdem ich am Freitagabend Rom erreicht habe, wird am Samstag bei ergiebigem Dauerregen erstmal das etwas periphere und heruntergekommene Straßenbahnnetz der ewigen Stadt erkundet, bevor es am Abend zu einem ersten Stadtbummel in die Innenstadt geht.
Freitag, 14. April 2023 II
Im letzten Teil war ich mit dem AGV von .italo in Rom am Termini angekommen. Dort soll es nun nahtlos weitergehen:
Wenn man aus dem doch sehr gepflegten und gerade in der Innenstadt eher gehobenen Milano kommt, dann merkt man direkt bei der Ankunft in Roma Termini: Wir sind jetzt schon gut 500 Kilometer südlicher in Italien. Erstaunlich, wie es in diesem Land mit dem geografischen Vordringen nach Süden nicht nur auf der Karte bergab geht: Überall wohnen rund um den Termini und die Metrostation Obdachlose, die Straßen sind merklich vermüllter und alles ist eine Spur heruntergerockter als im Norden des Landes. So bahnte ich mir durch die Schlafsäcke und improvisierten Kartonwohnungen meinen Weg vom Termini hinab in die Metro vor dem mächtigen Bahnhof. Nicht um mitzufahren, sondern um dort eine Wochenkarte der ATAC zu ziehen, welche zum Glück gleichermaßen für Bus, Tram und Metro gilt. Die Hälfte der Automaten war kaputt, die andere wollte irgendwie keine Kreditkarten nehmen. Damit schmolzen dann die Bar-Reserven wieder etwas zusammen, wobei das Wochenticket hier wirklich sehr günstig ist. Die Einsatzquote der Rolltreppen war derweil mit 0% noch einmal deutlich geringer als die der Automaten – willkommen bei der ATAC. Die Straßenbahn endet mit den Linien 5 und 14 schräg gegenüber der Empfangshalle in einer Blockumfahrung. Noch schien die Taktung um kurz vor neun ganz gut zu sein, sodass sich schon bald einer der nostalgischen Stanga-Gelenkwagen um die Ecke schob. Ging es also hier in Rom gleich weiter, wie es in Milano geendet war: Mit museumsreifen Fahrzeugen im Planverkehr. Obwohl die Fahrt nur kurz war und im Stehen verbracht wurde, war das Heulen der Gleichstrommotoren im Wechsel mit dem Zischen und Klappern der Türen schon wieder ein akustischer Hochgenuss. Der Druck auf der Leitung schien auf der letzten Türe auch schon arg schwach, aber mit letzter Kraft bewegten sich die Flügel dann doch meist noch in einen ansatzweise geschlossenen Zustand.
Mein Hotel für die nächsten vier Nächte lag nur drei Haltestellen entfernt unweit der Haltestelle Principe Eugenio/ Manzoni, im Grunde genau zwischen der Straßenbahn und der schmalspurigen Strecke der Lokalbahn. Kurz beim wirklich freundlichen Betreiber des Hotel Balilla eingecheckt, der mir noch die üblichen Türschloss-Geheimnisse erklärte, dann ging es auch schon wieder zwecks Nahrungssuche hinaus. Ich hatte mir auf der Karte schon die “Taverna Italiana” ausgeguckt, die unmittelbar auf der Ecke zur Lokalbahn bei der Haltestelle Santa Bibiana lag. Nach zehn Minuten hatte ich in der kleinen Taverne einen Tisch und schnell stand eine Carbonara samt Peroni vor meiner Nase. Die waren wirklich flott hier. Da wollte ich den Tisch dann auch nicht länger als nötig blockieren, vor allem aber wollte ich noch mal zur Endstation der Lokalbahn schauen. So zog ich dann noch kurz zur Endstation der Überreste der Vorortbahn nach Centocelle hinüber. Die Station liegt etwas abseits am Rand direkt neben der Bahnhofshalle. Gerade standen auch zwei Züge dort und mit meinem neu erstandenen Ticket kam ich auch durch die hier vorhandenen Bahnsteigsperren.
Im Schatten des Termini enden die Überreste der schmalspurigen Vorortbahn, welche heute nur noch wenige Kilometer bis Centocelle verkehrt. Ab dort wurde auch der Abschnitt bis Giardinetti mittlerweile durch die Metrolinie C ersetzt, auch wenn die Schilder an der Station Termini Laziali noch anderes verkünden. Gerade stehen die Triebwagen 836 und 110 am Endbahnhof.
Momente später verlässt der Sechsachser 836 die Station Richtung Centocelle und gibt den Blick auf die zweiteilige Einheit 110 frei. Auf dem traurigen Reststück der Lokalbahn standen immerhin noch zwei dreiteilige und die zweiteilige Einheit 110 im Einsatz. Daneben kamen etwa drei Sechsachser aus den 90er-Jahren zum Einsatz. Von den recht ähnlichen Achtachsern aus den 90er-Jahren war indes nichts zu sehen. Der 110 dürfte dann gegen 11 auch bald der letzte Zug des Tages gewesen sein.
Ich lief dann auch nochmal zur Endstation der Straßenbahn hinüber, die den Termini über eine Blockschleife erreicht und immerhin etwas prominenter als die Lokalbahn, schräg gegenüber des mächtigen Empfangsgebäudes endet. Planmäßig sollten hier die Linien 5 und 14 enden, da sollte also doch auch um 11 noch irgendwann was kommen. Genug Fahrgäste warteten zumindest schon an der Haltestelle, was vermuten ließ, dass die letzte Bahn schon etwas her war. Ich vertrieb mir die Zeit noch mit etwas Studium des imposanten Bahnhofsgebäudes des Termini. Das ursprüngliche Bahnhofsgebäude aus dem 19. Jahrhundert wurde hier ab den 1930er Jahren durch einen Neubau ersetzt. Während die Haupthalle noch nach den Plänen im klassizierenden Stil des faschistischen Razionalismo errichtet wurde, kamen die Bauarbeiten mit dem Zweiten Weltkrieg zum Erliegen. Nach dem Krieg wurde dann das Empfangsgebäude in völlig neuem Stil, der eher an den Brutalismus erinnert, vor die Bahnhofshalle gesetzt. In jedem Fall ist der Termini damit zu einem einzigartigen Bahnhof geworden und fasziniert mit seinem wilden Mix der Baustile schon ein wenig.
Das große Vordach und die Empfangshalle des Termini entstanden erst nach dem 2. Weltkrieg und erinnern mit ihren klaren, offenen Betonstrukturen eher an den Brutalismus.
Durch die Beleuchtung in Szene gesetzt, wirkt das Vordach gleich noch brachialer.
Hinter das Vordach und die brachiale Wand des Empfangsgebäudes (hier am linken Bildrand), schließt sich dann die Bahnhofshalle aus den 30er-Jahren an, die eher Elemente des Klassizismus aufgenommen hat. Und eine Tram kam dann auch irgendwann mal wieder – genügend Fahrgäste warteten jedenfalls auch schon.
Nach einiger Zeit kam dann auch mal wieder eine Straßenbahn. Zu meiner Freude gleich wieder einer der nostalgischen Stanga-Gelenkwagen. Eigentlich wollte ich die Bahn angesichts der Menschenmassen ziehen lassen und notfalls auch zurück wieder laufen, aber der Stanga-Wagen hatte “Limitata Porta Maggiore” eingeschildert – allem Anschein nach also ein Einrücker – war ja auch schon kurz vor 11. Entsprechend stieg für die nur wenige Haltestellen lange Fahrt kaum jemand ein, sodass ich schnell noch aufsprang und die drei Haltestellen Richtung Hotel heulte. Noch etwas Podcast zum Mitternachtssnack gehört und dann war auch schnell Schluss. Planen musste ich für Morgen nicht viel, dass Wetter sah positiv ausgedrückt bescheiden aus, sodass ich mich nach dem Ausschlafen einfach würde treiben lassen.
Samstag, 15. April 2023
Das Prasseln vor dem Fenster verhieß nichts Gutes: Es regnete so vor sich hin heute Morgen. Also wie erwartet erstmal bisschen treiben lassen und paar stimmungsvolle Regenbilder aufnehmen. Wobei das Treibenlassen konnte fast wörtlich genommen werden, denn der Regen beim Verlassen des Hotels war fast monsunartig. Binnen weniger Schritte war die Jeans schon ordentlich durchnässt. Ansonsten war ich mit der Enduro-Regenjacke und den wasserdichten Gore-Tex Trail-Schuhen auch für solches Wetter bestens gerüstet und auch für die D750 wäre es nicht die erste Vollwäsche. Aber die Hose stellte sich dann doch schon nach wenigen Metern auf dem Weg zur Porta-Maggiore als Schwachstelle heraus. Aber egal, erstmal bisschen um das große Stadttor fotografieren und dann mal eine Bahn in irgendeine Richtung entern.
Auf der Lokalbahn ist schon wieder einer der Sechsachser aus den 90er-Jahren unterwegs. Heute der 832, der hier an der Haltestelle Porta-Maggiore einen kurzen Halt einlegt. Während die Straßenbahn das gigantische Stadttor mit integriertem Aquädukt einmal umrundet und dabei vier Ausfahrten in die verschiedenen Richtungen nimmt, fährt die Schmalspurbahn einmal mitten durch.
Aus der Gegenrichtung erreicht vom Termini kommend der dreiteilige Zug 421 die Porta Maggiore. Warum gerade auch hinten das Spitzensignal leuchtet, bleibt eine der vielen unbeantworteten Fragen zur ATAC, die die letzte Schmalspurstrecke Roms seit einigen Jahren betreibt.
Erstmal ins Trockene jetzt. Beziehungsweise trockener als draußen, denn so ganz dicht sind diese grässlichen Cityway der zweiten Generation auch nicht mehr: Mal geht durch den Faltenbalg ein meterlanger Riss, mal hängt eine Tür irgendwie nicht mehr ganz Gerade in den Angeln, sodass es an diversen Stellen auch hier drinnen regnet. Aber alles besser als der Monsun vor dem Fenster. Ich fuhr gleich mal ein ganzes Stück mit dem 3er mit und hielt dabei nach einem Café für ein Frühstück Ausschau.
An der Haltestelle Viale Regina Margherita / Via Nizza trat ich mal wieder ins Nass hinaus. Gerade kam einer der Stanga-Gelenkwagen auf der 19 entgegen und ich hielt einfach mal drauf. Dabei entstand völlig ungeplant wohl das ikonischste Bild des ganzen Tages:
Der Stanga-Gelenkwagen 7041 pflügt hier im wahrsten Sinne des Wortes auf die Haltestelle Viale Regina Margherita / Via Nizza zu. Unfassbar, was da an Regenmassen vom Himmel kamen. Und das ging wirklich über Stunden so.
Die Stanga-Gelenkwagen waren dann auch der eigentliche Grund für den Besuch der Straßenbahn in Rom. Die Fahrzeuge der Baureihe 7000 haben schon echten Kultstatus. Nach dem Prototypen aus dem Jahr 1941, folgte wegen des 2. Weltkrieges erst zwischen 1948 und 1950 die Lieferung der 50 Serienfahrzeuge mit den Nummern 7001-7099, wobei nur ungerade Nummern besetzt wurden. Der ursprüngliche Prototyp 7001 war inzwischen durch die Bombardierung eines Betriebshofes zerstört worden und die Nummer wurde neu besetzt. Acht weitere Fahrzeuge wurden 1953 an die STEFER geliefert, welche später von der ATAC übernommen wurde. Diese Wagen reihten sich nach dem gleichen Schema mit den Nummern 7101-7115 in den ATAC-Fuhrpark ein. Bis heute ist ein großer Teil dieser Fahrzeuge noch vorhanden und steht soweit betriebsfähig, noch weitgehend unverändert im Plandienst. Einzige äußerliche Veränderungen, neben dem Wechsel des Farbschemas, sind die LED-Zielanzeigen und die Einholmstromabnehmer, die inzwischen auf der Mehrzahl der Fahrzeuge die eigenartigen alten Exemplare ersetzten. Trotz der Einstellung von 1 1/2 Linien kamen zahlreiche der Stanga-Gelenkwagen auf den Linien 5, 14 und 19 zum Einsatz. Insgesamt zählte ich in den drei Tagen 18 verschiedenen Fahrzeuge im Einsatz. Der Zustand variierte dabei von scheinbar frisch aufgearbeitet bis kläglich.
An der vorherigen Häuserecke hatte ich ein Café entdeckt, in das ich mich jetzt erstmal eine gute halbe Stunde vor dem Regen verkroch. Bei einem Cappuccino und einem Americano, jeweils mit einem Cornetti dazu, blieb Zeit, das Treiben im Café zu beobachten. Erstaunlich, mit wie viel Personal diese Läden betrieben werden. Wahrscheinlich muss jedem Familienangehörigen für das Amt irgendwie ein Job zugeschoben werden. Aber typisch Italien treten dabei alle im feinsten Zwirn auf. Während Person 1 an der Kasse sitzt, die Bezahlung annimmt und nebenher auch Tabak verkauft, wird die Bestellung anschließend an der Bar von Person 2 aufgenommen. Der Barista ist natürlich wieder eine neue Person und hat als einzige Aufgabe die Bedienung der Siebträgermaschine. Person 2 reicht dann Café und Cornetti über den Tresen. Eine vierte Person räumt das an den Tischen zurückgelassene Geschirr wieder ein. Und für jeden gibt es natürlich für die Raucherpause noch ein Backup. So übersteigt die Anzahl des Personals die der Gäste im Schnitt die meiste Zeit. Das Ganze bei 1,30 € für einen Kaffee und ebenso wenig für’s Cornetti, da bleibt es ein Rätsel, wie sich das rechnen soll. Eigentlich nur vorstellbar, dass diese Läden nicht primär zum Erzielen von Gewinn existieren 😉
Vor der Tür regnete es jedenfalls ununterbrochen weiter, als ich wieder heraustrat. Gerade rollte einer der Cityway II auf die Haltestelle Viale Regina Margherita / Via Nizza zu.
Cityway II 9226 hält als Linie 3 an der Haltestelle Viale Regina Margherita / Via Nizza.
Die Linie 3 wurde vollständig mit den modernsten Fahrzeugen in Rom bedient, den Cityway der ersten und zweiten Generation. Die erste Generation wurde 1998 bis 1999 geliefert und besteht aus 28 fünfteiligen Fahrzeugen mit den Nummern 9101 bis 9128. Die nicht 100%-igen Niederflurer weisen an den aufgesattelten Endsegmenten jeweils ein Drehgestell auf. Die Endsegmente stützen sich dann jeweils auf ein kurzes starres Fahrwerkswägelchen, zwischen denen noch einmal eine Sänfte eingehängt ist. Eine doch einigermaßen bewährte Konstruktion, die wenigstens dank der Drehgestelle Vorn und Hinten ganz guten Fahrkomfort bietet. Die Cityway II, eigentlich die jüngeren Fahrzeuge und in zwei Losen zu insgesamt 50 Fahrzeugen zwischen 1999 und 2004 geliefert, waren da schon ein gewaltiger Rückschritt: Im Grunde handelt es sich bei diesen dann um klassische, siebenteilige Multigelenker. Nur eben von FIAT und somit mit noch einmal gruseligeren Fahreigenschaften, als man sie von ähnlich konstruierten Fahrzeugen auf der ganzen Welt ohnehin kennt. Der Zustand der römischen Gleise tut sein Übriges. Zudem sind die Fahrzeuge alle gut heruntergewirtschaftet, was dem Fahrkomfort auch nicht wirklich zuträglich ist. Jedenfalls bedienten diese beiden Fahrzeugtypen während meines Besuches die Linien 2 und 3 im Alleingang. Weitere Cityway mischten sich auf den Linien 5 und 14 unter. Die Linie 8 war baustellenbedingt gleich ganz eingestellt, während die Linie 3 zur Porta Maggiore zurückgezogen war und damit einer der drei Motivklassiker, das Kolosseum, wegfiel. Der ganze südwestliche Teil war damit eingestellt, was der Fahrzeugvielfalt allerdings keinen Abbruch zu tun schien.
In Gegenrichtung kommt mit 7063 ein besonders abgerocktes Exemplar der Stanga-Gelenkwagen durch. Zu meiner Überraschung noch mit einem alten Stromabnehmer. Eines von nur zwei Fahrzeugen, dass ich so noch im Einsatz beobachten konnte.
Als es wieder nach einer trockenen Pause verlangte, fuhr ich mit dem nächsten Kurs bis zur Endschleife der Linie 3 an der Galleria Arte Moderna weiter. Neben dem Kolosseum und der Porta Maggiore der dritte Motivklassiker der Straßenbahn Rom, die aufgrund ihrer eher peripheren Lage nicht wirklich viele der ikonischen Bauwerke der ewigen Stadt passiert. Unter den Säulen der Galerie bot sich wenigsten ein halbwegs trockener Unterstand. Auf der anderen Seite für die Aufnahme mit der Galerie selbst, sah das schon wieder anders aus, aber es wurde gerade etwas trockener und richtiggehend hell 😀
An der Galleria Arte Moderna schüttet es wenig später noch immer wie aus Kübeln und ich suchte Zuflucht unter dem Säulenvordach der Galerie, während Cityway II 9116 die Haltestelle erreicht. Hinter dem Wagen liegt der große botanische Garten mit der Villa Borghese.
Mit dem nächsten Stanga-Gelenkwagen 7059 auf der 19 wurde die Galleria Arte Moderna in Szene gesetzt. Während die Linie 3 wenige Meter weiter in einer Zwischenschleife endet, verläuft die 19 weiter bis zum Vatikan und verbindet unterwegs auch die Linie 2 mit dem restlichen Netz.
Kurzzeitig ließ das Nass von oben etwas nach und es wurde richtiggehend hell. Da wurde dann auch die Hauptansicht auf die Galleria Nationale D’Arte Moderna umgesetzt. Der Wetterbericht war zwischenzeitlich auch so pessimistisch, dass unklar war, ob ich hier überhaupt noch Sonne für die wichtigsten Motive bekommen würde. Zum Glück bewahrheiteten sich die schlechtesten Prognosen für die nächsten Tage am Ende nicht.
Die Endschleife der Linie 3 bildet zwischen der Accademia di Romania und der Accademia Britannica einen Kreis um die weiterführende Linie 19. Hier wendet Cityway II vor der Kulisse der Accademia Britannica.
Die Pause verbringen Die Cityway I und II der Linie 3 dann meist hier zu Füßen der Accademia di Romania. Um den Gesamteindruck der Niederflurwagen vollständig ins Negative zu befördern, trugen die meisten der Fahrzeuge auch noch tapentenartige Vollwerbungen, wie Cityway II 9227. Immerhin bot die Linie 3 noch mit die zuverlässigste Taktung, die irgendwo zwischen 5 und 15 Minuten pendelte. Da sollte ich die Tage noch ganz anderes erleben…
Geradeaus überquert die Linie 19 die Schleife, wobei die Kreuzung schon arg treppenartig ausfiel und mit großer Vorsicht befahren wurde. Neben den Stanga-Gelenkwagen kommen auf der 19 auch die ältesten Niederflurwagen der Baureihe 9000 zum Einsatz. 9005 rumpelt hier über die Schleife der Linie 3 auf die Haltestelle Galleria Arte Moderna zu.
Damit wären wir auch schon bei der dritten und ältesten Niederflurgeneration in Rom, den Fahrzeugen 9001 bis 9041. Die Fahrzeuge bis 9033 wurden zwischen 1990 und 1992 von SOCIMI geliefert. Nach deren Konkurs wurden die übrigen Fahrzeuge nach diversen Modifizierungen erst bis 2004 durch Fiore fertiggestellt und ausgeliefert. Drei der nicht mehr durch SOCIMI fertiggestellten und von Anfang an schadanfälligen und unbeliebten Fahrzeuge blieben von Beginn an Ersatzteilspender. Trotz zahlreicher Probleme sind die Fahrzeuge noch heute im Einsatz, wobei der Schadbestand, wie bei allen Fahrzeugen, wohl enorm sein dürfte. Man bedenke nur, dass für das nur 40 Kilometer lange Streckennetz mit sechs Linien, das nicht mal vollständig betrieben wurde, allein schon an Niederflurwagen über 100 Fahrzeuge zur Verfügung stehen müssten. Hinzu kommen noch die trotz einiger Ausmusterungen wohl noch immer knapp 50 Stanga-Gelenkwagen. Dennoch werden abgesehen von den Linien 2 und 3 nur sehr unzureichende Taktungen gefahren und es kommen noch immer alle Fahrzeugtypen zum Einsatz. Alles Anzeichen für einen enormen Schadbestand durch alle drei Niederflurgenerationen. Mit den SOCIMI-Wagen wurde im Übrigen erstmals mit dem alten Nummernschema gebrochen, nach dem die Triebwagen ungerade und die Beiwagen gerade Nummern erhielten. Seither werden die Fahrzeuge normal durchnummeriert.
Jetzt reichte es mir aber vorerst mit der nassen Jeans. Es wurde durch die Nässe langsam auch klamm und kalt. Eine Lösung musste her. Also Richtung Hotel, was Trockenes anziehen. Vorher schaute ich aber noch am Carrefour vorbei, wo ich vorhin Teleskopregenschirme für einen kleinen Obolus erspäht hatte. Ansonsten wäre die Hose ja gleich wieder nass. So weit war ich in all den Jahren noch nie gegangen, nicht einmal in Lettland, wo ich sogar den Reisebericht am Ende nach dem Nass von oben benannte. Aber dieser Monsun hier war nicht mehr normal. Man kennt ja als Norddeutscher den gefürchteten, tagelangen “Hamburger Regen”: Also man schaut raus und denkt sich: Das nieselt ja nur, nur um dann nach wenigen Minuten gut durchnässt zu sein, da dieses Fieselkram gepaart mit Wind einfach überall reinzieht. Der Regen hier versuchte sich aber nicht mal zu tarnen: Es schüttete einfach nur wie aus Kübeln und das fast ununterbrochen.
Am Hotel war dummerweise gerade der Zimmerservice beschäftigt, also vertrieb ich mir noch etwas die Zeit an der Porta Maggiore und der Lokalbahn.
An der Porta Maggiore steht aus unbekanntem Grund schon seit heute Morgen der Stanga-Gelenkwagen 7057 auf dem nicht planmäßig befahrenen Bypass. Von dieser Seite ging der ja noch…
…von der anderen Seite zeigte sich der 7057 dann doch eher symbolisch für die gesamte Unternehmung namens “atac”…
Auch das Heck ist mit “gut abgeranzt” noch wohlwollend beschrieben.
Vom Termini kommt 7035 als Linie 14 die Via di Porta Maggiore hinunter und erreicht den Knotenpunkt.
Die Schmalspurstrecke läuft von der Porta Maggiore die Parallelstraße Richtung Termini entlang. Hinter dem Polizeigebäude auf der rechten Seite befindet sich auch schon unmittelbar das große Gleisvorfeld von Roms wichtigstem Bahnhof. Die zweiteilige Einheit 110 verlässt hier gerade die Haltestelle Santa Bibiana Richtung Porta Maggiore und Centocelle.
Die einstige Vorortbahn ist heute nur noch ein Schatten ihrer selbst und kommt auf den wenigen Kilometern verbliebener Strecke wohl mit vier bis sechs Einheiten aus. Die 106 ist eine der zwei dreiteiligen alten Einheiten, die ich während meines Besuches im Einsatz sah. Hier umkurvt die Strecke zwischen Porta Maggiore und Santa Bibiana den Tempio di Minerva Medica. Der kurze Abschnitt von der Porta Maggiore zum Termini ist im Grunde das einzige Stück, das an der Strecke so etwas wie “Motive” bietet. Ansonsten geht es unabhängig trassiert auf offenem Oberbau inmitten einer vierspurigen Straße Richtung Centocelle.
Nachdem ich also stolzer Besitzer eines Regenschirms geworden war, es nach einer heißen Dusche und anschließender trockener Klamotten wieder wohlig warm war, konnte die nächste Wasserschlacht geschlagen werden. Wobei mein Setup insgesamt doch gut gehalten hatte: Es war wirklich nur die Hose komplett nass. Alles unter der Jacke und die Socken waren selbst nach drei Stunden Dauerregen noch trocken. Mit dem Schirm sollte ich dann also perfekt gerüstet sein. Der Kamera hatte der Regen ohnehin noch nie etwas ausgemacht. Einzig in der Tasche begann die jetzt immer zu beschlagen, wenn man mal länger im Warmen war zwischendurch.
Einen genauen Schlachtplan hatte ich weiterhin nicht. Ich würde einfach noch ein wenig an der eben schon befahrenen Strecke arbeiten. Zurück an der Porta Maggiore war aber erstmal wieder das übliche ATAC-Chaos ausgebrochen: Man hatte spontan beschlossen, den Termini für einige Stunden nicht mehr zu bedienen, was immer da wieder vorgefallen war. Jedenfalls löste das zwischen der Porta Maggiore und dem Termini richtiggehende Völkerwanderungen aus. Wer sich auskannte, nahm natürlich einfach die Lokalbahn für ein bis zwei Haltestellen Richtung Termini. Wessen Ziel aber unterwegs irgendwo an der Via di Porta Maggiore lag, dem nützte auch das nicht viel. So war ich auch einige Minuten damit beschäftigt, einer älteren Dame, allem Anschein nach aus der Ukraine und ohne gültigen EU-Mobilfunktarif, den Weg zu ihrer Unterkunft jenseits des Termini mit Händen und Füßen zu erläutern. Das ist schon nicht einfach, wenn man so völlig ohne Englischkenntnisse und nicht einmal das Schriftbild verstehend, in einem fremden Land landet und dann nicht mal Internet hat. Da kommt man sich gleich etwas komisch vor, wenn man hier rein aus Spaß gerade Urlaub macht und die größte Sorge das Wetter ist… Wir konnten das Problem jedenfalls über einen Umweg lösen: Ich gab bei mir die Zieladresse ein und ließ Apple die Route anzeigen, sodass die Dame dann mit ihrem iPhone (noch eins mit einem Home-Button, also wirklich fast schon antiquarisch), die Route abfotografieren konnte. Ich war zumindest verhalten optimistisch, dass sie ihr Ziel nun finden würde.
Zurück an der Porta Maggiore hat sich Stanga-Wagen 7005 als Linie 5 etwas verirrt. Sollte der nicht eigentlich vom Termini kommen, also auf dem gerade noch zu erkennenden Gleis am linken Bildrand die Kurve nehmen? Sollte er eigentlich schon. Aber man hatte spontan beschlossen, den Termini für einige Stunden nicht mehr zu bedienen. Die Linien 5 und 14 wendeten also als “Limitata Porta Maggiore” bereits um eben diese. Da auch die 3 hier baustellenbedingt wendet, glich die Piazza Porta Maggiore für einige Zeit regelrecht einem Karussell.
An dieser Stelle folgt nun endlich auch die erste Aufnahme der vorhin schon beschriebenen Cityway I. Neben der abweichenden Konstruktion, haben diese auch eine andere Frontgestaltung, was durch die Drehgestelle schon durch die abweichende Hüllkurve unumgänglich ist. Wie ich finde, sind diese Wagen doch optisch sehr gefällig bis elegant und auch die Fahreigenschaften sind dank der Drehgestelle an den Wagenende um Welten angenehmer als in den jüngeren Cityway II. Letztere sind in wirklich jeder Kurve die übelsten Zitteraale. Gepaart mit den harten Plastiksitzen gibt das schnell mal Rückenschmerzen, sollte man sich zu gemütlich an der Rückenlehne anlehnen. Cityway I 9118 durchquert hier eine der vielen Bögen der Porta Maggiore.
Auf der Vorortbahn rumpelt mal wieder der 106 durch das Stadttor.
Seitlich der Porta Maggiore unterqueren die Linien 3 und 19 zunächst die Bahnstrecken vom Termini, bevor es für einige Haltestellen direkt unter einer Schnellstraße entlang geht. Ein wirklich super garstiger Abschnitt. Ein Kuriosum sind hier die beiden Haltestellen Scalo San Lorenzo und Scalo S. Lorenzo/Talamo, die kaum eine Fahrzeuglänge auseinanderliegen. Einen erkennbaren Grund für diesen seltsamen Haltestellenabstand gibt es jedenfalls nicht. Nach dem Abschnitt unter der Schnellstraße wird es dafür um die Haltestelle Reti herum regelrecht gemütlich. Hier hält nach einem unfassbaren Regenschauer gerade der SOCIMI 9007. Nur Minuten zuvor hatte hier noch der Cityway II 9219 die Haltestelle Reti im kompletten Weltuntergang passiert.
Ich springe weiter zur Haltestelle Regina Margherita / Galeno, die sich auf einer kleinen Insel befindet, um die herum eine beidseitig befahrbare Zwischenschleife liegt. Cityway I, einer der seltenen werbefreien, erreicht hier auf der mit teils prächtigen Bauten gesäumten Viale Regina Margherita die Haltestelle Regina Margherita / Galeno.
Die Gleisgeometrie lässt hier ein Wenden in und aus beiden Richtungen zu. Theoretisch könnte man auch unablässig im Kreis fahren, was mich jetzt bei der ATAC auch nicht überraschen würde 😀 Gerade ist der SOCIMI 9006 ohne erkennbaren Grund in der Zwischenschleife gestrandet.
Noch einmal fällt der Blick von der Insel die Viale Regina Margherita hinauf. Denn überraschend kam noch einmal der Stanga-Wagen 7063 mit dem urigen alten Stromabnehmer des Weges.
Weiter geht es die Viale Regina Margherita entlang, die im weiteren Verlauf unter anderem rund um die Haltestelle Buenos Aires das typische römische Straßenbild mit den wuchtigen, hier teils palastähnlichen Etagenbauten und den dicht angeschmiegten und teils bizarr geformten Allee-Bäumen zeigt.
Auf der Ecke bei Buenos Aires nahm ich erstmal noch einen für die nächsten Stunden stärkenden Café Americano mit einem Stück Schokokuchen ein. Dann war ich gewappnet für die nächsten Kilometer durch den Regen. Doch was war das? Wie ich so im Stanga Richtung Galleria Arte Moderna heulte und zischte, kam plötzlich von irgendwoher die Sonne raus. War jetzt natürlich um kurz nach fünf im April auch nicht mehr ganz weit her mit Sonne in den tiefen Häuserschluchten, aber ab der Haltestelle Bioparco öffnet sich das Straßenbild merklich zur Galleria Arte Moderna hin und auch darüber hinaus. Mit einem Cityway II klappte dann etwas, was ich glatt als Sonnenbild durchgehen lassen würde.
Cityway II 9226 erklimmt von der Haltestelle Aldrovandi die Steigung hinauf zur Haltestelle Bioparco. Hier unweit des Bioparco (Zoo) und Botanischen Garten befindet man sich durchaus in einem gehobenen Villenviertel mit lockererer Bebauung und jeder Menge Grün.
Leider etwas spät am Tag, aber mit Sonne hatte ich eigentlich gar nicht mehr gerechnet. Von dem her war das jetzt am Abend noch eine angenehme Überraschung, hier rund um die Galleria Arte Moderna in der Sonne zu stehen. Für ein Bild mit Straßenbahn sollte es an der Galerie dann heute aber nicht mehr reichen. Stattdessen folgte ich mal der 19 noch um die nächste Ecke auf der Suche nach einem letzten Sonnenspot. Dieser ließ sich dann schon an der nächsten Haltestelle Museo Etrusco Villa Giulia finden. Zu Füßen mehrerer Botschaften liegt hier das besagte Museum und badete noch etwas in der Sonne. Nur wann kommt eine Bahn? Denn hier fährt ja nur die 19 und die fährt – nun ja – meist irgendwann, vielleicht aber auch später. Vor allem wenn dann noch Wagen irgendwo aufgeben, wie eben der SOCIMI in der Zwischenschleife auf der Viale Regina Margherita. Die Haltestellen zeigen hier zwar auf riesigen Schildern den detaillierten Linienverlauf, nicht aber wann denn etwas fährt. Wobei eine Information gibt es schon: In welchem Zeitraum die Linie überhaupt betrieben wird an den verschiedenen Wochentagen. Das hilft einem im Ernstfall natürlich auch wenig, wenn man weiß, dass irgendwann ab 6 Uhr die erste Bahn kommt und irgendwann ab 23 Uhr die letzte – kann dann ja sowohl um 23:01 oder 23:59 kommen der letzte Lumpensammler… Mehr aus Spaß rief ich mal die ATAC-Website auf, die immer ein wenig wirkt, als sei eine Schüler-Informatik-AG nie ganz fertig geworden vor Ende des Schuljahres. Tatsächlich kann man hier für jede Linie an jeder Haltestelle die nächsten Live-Abfahrten abfragen. Ein interessantes aber recht unnützes Detail dabei: Neben der Ankunftszeit wird auch angezeigt, wie viele Haltestellen die Bahn noch entfernt ist. Eine stand schon mal zu einer einstelligen Minutenzahl drin und sprang bald auf “In Arrivo”. Die nächste ließ dann aber schon stutzig werden: 45 Minuten, oder 34 Haltestellen. Wobei 34 Haltestellen gleichbedeutend war mit: Die steht noch an der Endhaltestelle am anderen Ende der Linie. Ob das so zu glauben war? Unmöglich wäre es jedenfalls nicht, mehrmals sollte ich die Tage noch an der Linie 19 bis zu einer knappen Stunde auf eine Bahn warten. Weiterhin interessant an dieser Abfragemaske ist, dass an der Starthaltestelle oftmals mehrere Fahrten gleichzeitig “In Arrivo” oder auch in Rot dargestellt werden. Danach müssten dann ja mehrere Fahrzeuge an der Endstation pausieren, während auf der Strecke seit geraumer Zeit nichts mehr fuhr. Auch das ist aber keineswegs abwegig und so mehrmals beobachtet. Man rast dann einfach irgendwann im Pulk die ganze Strecke runter – finde den Sinn…
Wie dem auch sei – dies wird wohl nicht meine letzte Auslassung über die ATAC sein – der noch angekündigte Kurs kam dann jedenfalls sogar bei Sonne.
Leider etwas spät am Tag, aber mit Sonne hatte ich eigentlich gar nicht mehr gerechnet. Von dem her war das jetzt am Abend noch eine angenehme Überraschung, hier an der Galleria Arte Moderna in der Sonne zu stehen. Für ein Bild mit Straßenbahn sollte es dann heute aber nicht mehr reichen an dieser Stelle.
Ich lief stattdessen die Linie 19 um die nächste Ecke weiter zur Haltestelle Museo Etrusco Villa Giulia.
Dort kam nach Konsultation der mindestens kuriosen Live-Anzeige auf der ATAC-Website sogar eine Fahrt Richtung Vatikan. Leider nur der SOCIMI 9006, ein Stanga hätte sich doch wirklich gut gemacht hier. Aber weniger besonders sind diese Karren ja eigentlich auch nicht und ich würde nicht darauf wetten, dass die Stanga’s von den bestellten Neufahrzeugen zuerst abgelöst werden… Schönheit liegt ja bekanntermaßen eh im Auge des Betrachters – wobei, jemand der diese Karren ästhetisch ansprechend findet, ist mir noch nicht begegnet 😀
Ob und wann da jetzt wieder was käme war also mehr als ungewiss. Ich müsste also drauf achten, spätestens mit dem SOCIMI von eben wieder zurück zu fahren. Vorher schaute ich aber noch zur Ecke vor, an der die Linie 19 dann auf die kurze Linie 2 von Flaminio nach Mancini trifft. Die zur WM 1990 gebaute Linie endet in Richtung Stadt stumpf vor der Porta del Popolo und wird daher nur von den Niederflurwagen bedient, genauer den Cityway I und II. Mit Sonnenspots war es hier aber nicht mehr weit her und das kleine Wolkenloch schob sich auch langsam wieder zu. Die nächsten dunkeln Wolken für die Nacht drohten schon.
An der Haltestelle Belle Arti trifft die Linie 19 auf die Linie 2, die im Grunde nur schnurgeradeaus von der Porta del Popolo zum großen Busbahnhof Mancini führt und dabei das Stadio Flaminio sowie die Olympischen Spielstätten an das Straßenbahnnetz anschließt. Cityway II 9124 fährt hier Richtung Mancini. Im Hintergrund ist bereits die Porta del Popolo zu erkennen. An der nächsten Haltestelle in Richtung des Stadttors zweigt die Linie 19 schon wieder aus und verläuft weiter Richtung Vatikan.
Der SOCIMI kam jetzt bald schon wieder zurück und ich nahm lieber mal auf den durch den ganzen Wagen quer zur Fahrtrichtung installierten Plastiksitzen Platz. Die Mitfahrt war zumindest immer noch angenehmer als in den Zitteraalen namens Cityway II. 45min waren es wohl nicht ganz – genau ließ es sich nicht abschätzen – zumindest aber eine geraume Zeit war jetzt wirklich schon wieder nichts auf der 19 gekommen. Erst an der Piazza Ungheria kam dann mal der nächste Kurz der 19 entgegen. Bis der am Linienende und wieder hier ist, dürfte es in der Tat etwas dauern. Dafür kamen jetzt auf der Viale Regina Margherita gleich wieder mehrere Kurse hintereinander entgegen. Ich nutzte die Betriebspause um an der Haltestelle Viale Regina Margherita / Nomentana auszusteigen und einen nahegelegenen Carrefour aufzusuchen, um für das Hotel schon einmal den üblichen Mitternachtssnack zu besorgen – also schön bisschen Joghurt, frisches Obst und Nüsse. Alles Gesunde eben, was tagsüber auf Reisen auf der Strecke bleibt.
Beim Warten an der Haltestelle Viale Regina Margherita / Nomentana kommt mit 7059 schon der nächste 19er entgegen. In diese Richtung rollte es gerade wieder. Für die nächste Bahn in meine Richtung brauchte es selbst nach dem Einkauf noch etwas Geduld.
Erstmals hatte ich mir jetzt einen Plan zurechtgelegt: Das Thema Straßenbahn war für heute abgehakt. Aber Millionen von Gästen soll es jährlich aus ganz anderen Gründen in die ewige Stadt ziehen. Dem wollte ich dann am Abend und in die Nacht hinein mal etwas auf den Grund gehen. Also mit dem nächsten Kurs weiter zum Hotel, Einkäufe auf’s Zimmer gebracht, Stativ geholt und einmal um’s Eck in eine Pizzeria gesetzt, um mich noch etwas für die nächtliche Aktion zu stärken. Die Pizza entsprach leider nicht ganz den Erwartungen an Italien, dafür konnte es dann umso schneller in die Innenstadt gehen.
Da die Straßenbahn wie beschrieben auf dem gesamten südwestlichen Abschnitt der 3, wie auch auf der gesamten Linie 8 außer Betrieb war, nahm ich die Metrolinie B für eine Station zum Kolosseum, wo ich meine Fotosession beginnen wollte. Auch am Abend strömten hier noch Unmengen an Touristen aus der Metro, hielten es aber für eine lustige Idee, die gesamten Ausgänge der Station zu blockieren, weil es draußen mal wieder schüttete. Nein, wer hätte damit jetzt rechnen können, da bleiben wir doch einfach mal am Ausgang stehen und lassen gleich niemanden mehr raus… Leicht genervt drängelte ich mich durch die Massen und stand quasi unmittelbar vor dem Kolosseum. Leider war die Hauptansicht auf das eindrucksvolle Bauwerk durch die Großbaustelle der Metrolinie C(?) gerade doch etwas verunstaltet. Aber mit etwas variieren ließen sich von den umliegenden Wegen und Straßen doch paar nette Perspektiven umsetzen. Große Ausführungen zu den gezeigten Steinen spare ich mir dann an dieser Stelle mal, da gibt es bei Interesse wirklich genug frei zugängliche Informationsquellen 😉
Das Kolosseum von der Via Nicola Salvi gesehen.
Zu dieser Stunde und bei dem Wetter war es dann doch vergleichsweise leer, sodass man abseits der Selfie-Instagram-Hauptlinien recht ungestört sein Stativ aufstellen konnte.
Vom Kolosseum lief ich bei wieder nachlassendem Regen die Via dei Fori Imperiali hinauf Richtung Monumento a Vittorio Emanuele II alias „Macchina da scrivere“, zu Deutsch “Schreibmaschine”. Zu Füßen des Palatin geht es dabei natürlich wieder entlang unzähliger alter Steine. Mehr als die einzelnen Sehenswürdigkeiten, beeindruckte mich aber das Gesamtensemble, die schiere Masse an uralten Gemäuern aus längst vergangener Zeit. Mit jedem Einzelnen könnte man sich sicher schon eine Ewigkeit beschäftigen – nicht nur fotografisch. Aber dafür fehlte mir auf dieser Reise dann doch die Zeit und auch der Anspruch. Die Steine werden hier wohl auch in ein paar Jahren bei einem nächsten Besuch noch weitgehend unverändert stehen, bei der Straßenbahn könnte es dann schon ganz anders aussehen… Die Prioritäten waren bei diesem ersten Rom-Besuch also eindeutig 😉 Eigentlich war es durch diesen Nicht-Anspruch auch einfach super entspannt, hier die Abende durch die Straßen zu schlendern und hier und da einen genaueren Blick zu verlieren, ohne Angst zu haben, dies und jenes zu verpassen, wie all die anderen Touristen, die Selfie-schießend und Museen-abklappernd nur so den Reiseführern hinterherzulaufen schienen. Einzig einige der größten Highlights, wie etwa das Kolosseum, hatte ich im Kopf, die man dann natürlich schon mal gesehen haben wollte, wenn man schon in Rom ist…
An den Trajansmärkten positionierte ich wieder das Stativ für einige Aufnahmen des hübsch illuminierten Gemäuers.
Eine Möwe posierte passend im Scheinwerferlicht vor den antiken Bauten.
An jeder Ecke kommen einem hier neue Fotoideen. Bei diesem Wetter hätte sich hier am Tage eh kaum etwas nur ansatzweise so stimmungsvoll umsetzen lassen, wie jetzt in der Dunkelheit.
Wenige Meter weiter steht man schon neben der Schreibmaschine, dem monumentalen Nationaldenkmal Monumento a Vittorio Emanuele II an der Piazza Venezia.
War mir der Kerl nicht vorgestern erst vor dem Mailänder Dom ins Bild geritten?
Die Dimensionen dieses erst 1927 fertiggestellten Klotzes sind wirklich erdrückend. Irgendwie wirkt das Ganze gleichermaßen kolossal wie lächerlich fehlplatziert.
Ein letzter Blick von der Piazza Venezia.
Halb elf war es inzwischen, aber der Tatendrang noch nicht ganz aufgebraucht. Ich wollte noch zum Tiber hinüber und eine Ansicht von der Engelsburg umsetzen. Da in weiten Teilen der Stadt weder die Metro, noch die Straßenbahn hilfreich sind, versuchte ich es jetzt mal mit dem Bus. Meine Interpretation der Linien scheiterte allerdings kläglich und die Kiste bog schon an der nächsten Ecke vollkommen falsch ab. Schnell wieder raus hier – ich hasse Busnetze in unübersichtlichen Mega-Städten. Also mal auf die ganz dumme Art: Nicht versuchen irgendwas zu verstehen hier, sondern einfach in Apple Karten auf das Ziel getippt und bitte eine Route per ÖPNV auswerfen lassen. Und siehe da: Auch wenn der 280er an der Haltestelle Piazza Monte Savello, wo ich mich inzwischen hin verirrt hatte, nicht mehr allzu häufig fuhr, er brachte mich dann direkt am Tiber entlang zur Engelsburg.
Das Castel Sant’Angelo über dem nächtlich dunklen Tiber.
Die Ponte Sant’Angelo führt hinüber zur Burg mit ihren Ursprüngen zwischen 117–138 n. Chr.
Das hatte doch eben wunderbar geklappt mit ohne Nachdenken Bus zu fahren. Gleich nochmal probiert und siehe da: Von der nur eine Brücke entfernten Haltestelle Zanardelli, sollte die Linie 70 mich direkt zum Termini bringen. Gut, direkt wäre für die verschlungenen Pfade, die der Bus durch die Altstadt wählte, vielleicht doch etwas übetrieben, aber es brachte mich doch in wenigen Minuten an mein Ziel. Bis zum Termini musste ich ja auch gar nicht. Stattdessen stieg ich schon unweit der Basilica Santa Maria Maggiore aus – die müsste ich die Tage auch noch mal ablichten. Die nächste Straßenbahn aus der Blockschleife vom Termini huschte geradeso vor mir davon, also schleppte ich mich die zwei Haltestellen eben noch zum Hotel.
Puuh, waren die Füße jetzt platt, der Kopf erschöpft von all den vielen neuen Eindrücken, aber der Magen verlangte eben doch noch nach dem bereitgelegten Nachtmahl. Während der endlose ZEIT-Podcast vor sich hin dudelte – die Folge mit Armin Wolf, eine der besten der letzten Monate – plante ich noch etwas für den morgendlichen Tag. Ein Besuch im Kolosseum verwarf ich nicht nur angesichts des happigen Eintrittspreises, sondern in erster Linie, weil das Buchungsportal gerade irgendwie überfordert war – oder ich mit selbigem 😀 Einen einzigen kulturellen Fixpunkt hatte ich aber auf dieser Reise: Den Petersdom. Den wollte ich einfach gesehen haben. Nicht aus religiösem Antrieb, sondern weil unter anderem ein sehr guter Freund mich davon überzeugt hatte, dass dieses Zentrum der Macht der katholischen Kirche einfach nur nachhaltig eindrucksvoll ist. Stunden dafür anstehen wollte ich andererseits aber nicht, blieb also nur die Möglichkeit, da morgen zur Pfortenöffnung um halb acht auf der Matte zu stehen. Uff, ordentlich früh, ging es doch schon stramm auf 1 Uhr zu. Gute Nacht!