130 Jahre Dessauer Straßenbahn

Am 15. November 2024 jährte sich die Eröffnung der Dessauer Straßenbahn zum 130. Mal. Aus diesem Anlass drehten am Wochenende des 16. und 17. Novembers die beiden Museumswagen 28 und 30 ihre Runden über das kleine Straßenbahnnetz der Stadt. Grund genug für einen spätherbstlichen Besuch in Dessau.


Die Straßenbahn Dessau wurde am 15. November 1894 eröffnet. Anders als die meisten Straßenbahnbetriebe nicht zunächst als Pferde- oder Dampfstraßenbahn, sondern als Gasmotorbahn. Die Technik stellte sich allerdings als sehr unausgereift heraus und so endete dieser Betrieb bereits im Jahr 1901 wieder. Zwei Tage später wurde der elektrische Betrieb mit Oberleitung aufgenommen.

Im Jahr 2024 jährte sich nun der Tag der Eröffnung des anfänglichen Betriebes als Gasmotorbahn zum 130. Mal. Aus diesem Anlass wurden Sternfahrten mit den beiden historischen Triebwagen 28 und 30 über alle drei Äste des heute 18 km kurzen Liniennetzes durchgeführt. Das genaue Datum der Eröffnung verfehlte man dabei nur um einen, beziehungsweise zwei Tage, denn verständlicherweise wurden die Sonderfahrten nicht am Freitag den 15. November, sondern am Wochenende am Samstag den 16. und Sonntag den 17. November durchgeführt.

Von beiden Triebwagen wurden jeweils fast vier komplette Netzbereisungen durchgeführt. Gestartet und geendet wurde am Hauptbahnhof, anschließend trennten sich die Fahrten auf die Linienäste zur Tempelhofer Straße und zum Junkerspark. Über die Direktverbindung am Naturkundemuseum fuhren beide Wagen anschließend zur jeweils anderen Endstation und etwa zwei Stunden nach dem Start trafen sich beide Fahrten am Hauptbahnhof wieder.

Während in Niedersachsen der ganze Samstag novembertypisch grau sein sollte, war für Dessau bis Mittag noch Sonnenschein prognostiziert. So ging es kurzentschlossen zu den Sonderfahrten anlässlich des 130-jährigen Bestehens der Dessauer Straßenbahn. Unabhängig von jeder Vorhersage bleibt der unberechenbare Hochnebel im November allerdings des Fotografen größter Feind und so blieb es vor der angekündigten Wolkenfront auch am Vormittag trüb. Alternativ konnten aber einige herbstliche Motive aufgesucht werden, an denen die Sonne ohnehin alles andere als hilfreich gewesen wäre. So entstanden doch einige zeigenswerte Aufnahmen der Sonderfahrten und nebenher natürlich auch des Planverkehrs der Linien 1 und 3 im 15-Minuten-Takt. Die Sonderfahrten konnten zum Normaltarif der DVG genutzt werden.


Vor der ersten gemeinsamen Abfahrt am Hauptbahnhof um halb zehn, drehte der “Pullman” 28 schon einmal eine einsame Runde in den Westen der Stadt zum Junkerspark, während Aufbauwagen 30 vom Betriebshof wesentlich später für die erste Fahrt von der Tempelhofer Straße starten musste. In Erwartung von vormittäglicher Sonne waren für diese Fahrt mit der Haltestelle Lindenstraße und Zoberberg Mitte zwei Stellen notiert, die um 9 Uhr am Morgen schon gehen sollten. Der sich leider nicht auflösende Hochnebel machte die weitere Planung nach Sonnenstand und Schattenlänge für den restlichen Tag dann allerdings obsolet. Hier erreicht der HTw 28 die Haltestelle Lindenstraße.


Wenig später hat der Triebwagen seine Runde durch die große eingleisige Blockumfahrung zum Junkerspark beendet und rollt hinter der Haltestelle Zoberberg Mitte zurück Richtung Innenstadt. Das Fahrzeug entstammt der 200 Fahrzeuge umfassenden Leipziger “Pullman-Serie” aus dem Jahr 1925 und feiert damit im kommenden Jahr bereits seinen 100. Geburtstag. Den Spitznamen “Pullman” verdankt diese Serie ihren dynamisch bis über die Plattform heruntergezogenen Oberlichtern, die an die luxuriösen Reisezugwagen aus Amerika dieser Epoche erinnern. Auch auf vielen europäischen Eisenbahnen entstanden in dieser Zeit vom amerikanischen Vorbild inspirierte “Pullman”-Reisezugwagen. Die von der Waggonfabrik Werdau gebauten Fahrzeuge wurden während ihrer langen Einsatzzeit in Leipzig mehrmals modernisiert, erhielten beispielsweise neue Stahlaufbauten oder wurden für den Betrieb mit moderneren Beiwagen adaptiert. Dies ermöglichte den Fahrzeugen in Leipzig eine ungewöhnlich lange Einsatzzeit, auf letzten Verstärkerlinien bis Mitte der 80er-Jahre. 1988 gelangte der inzwischen zum Arbeitswagen degradierte Leipziger Pullman 5051, im Linienverkehr vormals 1401, schließlich nach Dessau und wurde dort als 30, später als 28, als historischer Triebwagen vorgehalten. Zunächst in einem dunkeln Grün, wurde der Pullman bei der letzten Aufarbeitung in das heutige Farbschema, passend zum Aufbauwagen 30 versetzt.


Am Naturkundemuseum traf der Pullman auf den über Tempelhofer Straße zum Hauptbahnhof ausrückenden Aufbauwagen 30. Dicht hintereinander ging es zum Ausgangspunkt der ersten Sternfahrt am Hauptbahnhof. Hier passieren die Wagen das Postamt, angeführt vom Aufbauwagen 30.


Wenig später kehren beide Wagen zurück vom Hauptbahnhof, Aufbauwagen 30 mit dem Ziel Junkerspark, Pullman 28 Richtung Tempelhofer Straße. Am neuen Bauhausmuseum biegt der Aufbauwagen auf die Kavalierstraße ein. Im Gegensatz zum Pullman, ist der Triebwagen 30 ein echter Dessauer. Auf einem alten Fahrgestell der Waggonbau Dessau aus den späten 20er-Jahren, wurde Ende der 40er-Jahre ein neues Fahrzeug mit einem Wagenkasten von Werdau aufgebaut. Das Fahrzeug überlebte als Arbeitswagen und konnte bis zum Jahr 2000 als historisches Fahrzeug hergerichtet werden. Vom Pullman bekam es seine originale Nummer 30 zurück, welcher daraufhin auf die 28 umgeschrieben wurde.


Im wilden Durcheinander der Architekturstile in Dessau lädt das neue Bauhausmuseum an der Kavalierstraße zu Spielereien mit der Spiegelung ein. NGT6D verlässt die Haltestelle Bauhausmuseum Richtung Hauptbahnhof.


Wir folgten dem Pullman nun auf den anderen Streckenast und erwarteten den Triebwagen hinter der Haltestelle Peterholzstraße kurz vor dem Erreichen der Endschleife.


Wenig später verbringt der Pullman seine lange Pause in der Endschleife Tempelhofer Straße. Der Anlass der Fahrten ist unter der Frontscheibe gut erkennbar. Die fast halbstündige Pause hier draußen im “Nichts” war für spontan zu einer kurzen Rundfahrt zugestiegene Laufkundschaft vielleicht nicht ganz optimal.


Irgendwann ging es aber doch weiter mit der Fahrt durch die Endschleife, die sich auch Mitte November noch sehr herbstlich zeigte.


Noch ein kurzer Halt an der Abfahrtshaltestelle Tempelhofer Straße. Vor vier Jahren war die herbstliche Pracht bei einem Besuch schon eine Woche früher in Dessau weitgehend vorbei. In diesem Jahr scheint sich das Ganze etwas nach hinten verschoben zu haben, sodass auch an der Abfahrtshaltestelle Tempelhofer Straße noch einmal der Herbst in Szene gesetzt werden konnte. Wie das gesamte Streckennetz, wurde auch die Schleife Tempelhofer Straße in den 90er-Jahren saniert. Seither hat sich hier kaum etwas verändert und die “Architektur” der Wartehäuschen erinnert noch immer an diese Zeit.


Wenig später verlässt der Pullman die Schleife Tempelhofer Straße neben der katholischen Kirche Heilige Dreieinigkeit.


Kurz darauf kam schon der Aufbauwagen auf der langen Allee an der Heidestraße entgegen Richtung Endschleife. Der etwas dubios wirkende Blumenhändler an der Haltestelle Damaschkestraße war mir schon beim letzten Besuch aufgefallen. Zumindest schien er reichlich Kundschaft zu haben an diesem Samstagvormittag.


Auf dem Weg zur Endschleife, um den ebenfalls dort lange wartenden Aufbauwagen aufzunehmen, kam der NGT6D 307 als Plankurs der Linie 1 zum Hauptbahnhof entgegen, hier zwischen den Haltestellen Peterholzstraße und Damaschkeplatz.


Aufbauwagen 30 wartet an der Endhaltestelle Tempelhofer Straße. Auch hier die typischen Wartehäuschen der frühen 90er-Jahre. Die Mischung aus vorhandenen und fehlenden Scheiben bedarf bei den Unterständen besonderer Vorsicht, um nicht aus Versehen gegen eine überraschend doch vorhandene Scheibe zu klatschen 😉


Detailansicht des auf der Wagenseite aufgebrachten Logos der Dessauer Verkehrsbetriebe aus vergangenen Tagen.


Mit dem Linienwagen 303 noch einmal eine Ansicht der Abfahrtshaltestelle auf der anderen Seite der Endschleife.


Am Alten Wasserturm wurde anschließend der Aufbauwagen 30 auf seiner Rückfahrt Richtung Hauptbahnhof abgepasst. Eine fotografierende Figur am rechten Bildrand wurde durch Mehrfachauslösung entfernt 😉


Nicht vorhandener Sonnenschein ist für das Anhaltische Theater eher Segen als Fluch, denn zumindest im Spätherbst lässt sich der mächtige Bau ansonsten nur schwer mit der Straßenbahn darstellen. Am Naturkundemuseum wiedervereint, rollen die beiden Museumswagen die letzten Meter bis zum Ende der ersten Sternfahrt am Hauptbahnhof.


Im Gegensatz zu den langen Wartezeiten im “Nichts”, wurde am Hauptbahnhof kurzer Prozess gemacht und schon nach wenigen Minuten ging es auf den Weg zur zweiten Sternfahrt. Aufbauwagen 30 an der klassischen Ansicht des Hauptbahnhofes auf dem Weg zum Zoberberg, der Plattensiedlung, die an der Schleife zum Junkerspark durchfahren wird.


Beim Blick hinter dem Aufbauwagen her die Fritz-Hesse-Straße hinunter, fällt der Blick auf eines der drei mächtigen Ypsilon-Plattenbauten im Zentrum von Dessau.


Mit der Haltestelle Am Alten Wasserturm hatte ich noch nicht abgeschlossen, nachdem eine Ansicht im letzten Moment zugelaufen wurde. Zunächst war aber ein Kurs Richtung Tempelhofer Straße dran, sodass es der Wasserturm neben NGT6D 307 über den Dächern der Häuser auch einmal selbst ins Bild schaffte.


Nach mehreren gescheiterten Versuchen mit dem Planverkehr und einen wärmenden Kaffee später, klappte die geplante Ansicht vor der Haltestelle Am Alten Wasserturm schließlich mit dem Pullman 28 auf dem Rückweg in die Innenstadt.


Es ging nun noch einmal in die Plattensiedlung Zoberberg hinaus. An der Endschleife Junkerspark wartet nach unserer Ankunft der NGT6D 307.


Wie an der Endschleife Tempelhofer Straße, kreuzt sich auch am Zoberberg die Strecke vor der großen Blockumfahrung selbst und durchfährt die Schleife im Uhrzeigersinn. Auf dem Rückweg zum Hauptbahnhof erreicht Pullmann 28 das Ende der großen Blockumfahrung und kreuzt gleich das Gegengleis.


Vorletzter Anlaufpunkt war noch einmal das Anhaltische Theater. Zunächst passiert NGT6D 307 als Linie 1 zur Tempelhofer Straße. Als dortiges Ziel wird allerdings Dessau Süd eingeschildert. Der prächtige Herbstbaum über dem Wagen soll auch für die nächste Ansicht dienen.


Die zweiten Sternfahrten neigen sich gegen 14 Uhr dem Ende entgegen und kurz vor dem Hauptbahnhof passieren beide historischen Fahrzeuge erneut das Anhaltische Theater. An zweiter Stelle folgt erneut der Pullmann 28.


Zum Abschluss sollte es noch der Turm des Naturkundemuseums sein. Erneut haben sich die beiden Fahrten an der Kreuzung vor dem Turm getrennt und für Aufbauwagen 30 geht auf die Askanische Straße Richtung Zoberberg/Junkerspark.

Während die historischen Triebwagen an dieser Stelle noch 1 1/2 Sternfahrten vor sich hatten, beendeten wir den Fototag. Nachdem die Jagd nach Sonnenspots am Vormittag ausgefallen war, hatte wir nun ohne Beachtung von Sonnenstand und Novemberschatten schon genügend Ansichten zur Zufriedenheit umsetzen können. Als Freund solcher Veranstaltungen, bei denen historische Wagen nicht nur einmal im Korso irgendwo im Gegenlicht entlangrollen, sondern einfach im normalen Linienverkehr auf dem Netz “mitschwimmen”, hatte es sehr gefallen. Überraschend gering war allerdings der Auflauf an Fotografen zu dieser eigentlich gelungenen kleinen Veranstaltung. Ob dem am Ende eher mäßigen Wetter geschuldet oder dem überschaubaren historischen Wagenpark von Dessau oder ob die Fahrten im Vorhinein zu wenig publik waren, bleibt unbeantwortet. Ab der zweiten Runde schienen die Wagen dann jedenfalls einigermaßen besetzt, von einem Andrang auch “normaler” Laufkundschaft, wie bei ähnlichen Veranstaltungen, konnte zumindest unserer stichpunktartigen Beobachtung aber nicht die Rede sein.
Zumindest hatte ich selbst als jemand, der eher nicht aktiv nach solchen Infos sucht, auch erst zufällig am Vortag via DSO davon erfahren und wir hatte den unverplanten Samstag spontan für den kleinen Ausflug nutzen können. Fast wären wir aufgrund der Spontanität gar beide eigenständig nach Dessau gefahren, in meinem Fall am Freitagabend um halb zwölf in der Annahme, jetzt noch anzufragen, wäre eh zu spät. Zum Glück wurde ich dann am Morgen um 6 Uhr kurz vor Aufbruch noch angerufen und wenig später eingesammelt, sodass wir die 170km bis Dessau nicht unnötig mit zwei Autos fahren mussten um uns dort dann überraschend zu treffen…

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