Die Insel der Pandas I: Spurensuche im Alcantara-Tal und Alternativprogramm an der Küste

Anfang April 2024 ging es auf die italienische Mittelmeerinsel Sizilien. Ziel war natürlich die schmalspurige Ferrovia Circumetnea, die im Osten der Insel von Catania über Paternó, Adrano und Randazzo bis Riposto den ikonischen Vulkan der Insel einmal fast komplett umrundet. Daneben gab es aber auch zahlreiche weitere Erkundungen der abwechslungsreichen Insel, die an vielen Tagen höchstens am Rande mit der Eisenbahn zu tun hatten. Von neun Tagen zwischen Schienenbussen und Pandas erzählt dieser Reisebericht.


Prolog

Die Mittelmeerinsel Sizilien stand dank der schmalspurigen Ferrovia Circumetnea schon lang auf meinem Zettel. Nachdem man lange eigentlich recht wenig von dieser Bahn mitbekam, häuften sich in den vergangenen fünf bis zehn Jahren doch die tollen Reiseberichte aus dieser Ecke Italiens. Möglicherweise besteht hier auch ein Zusammenhang mit dem optischen Auftreten der Fahrzeuge, die sich jahrzehntelang zeigten, wie von so vielen anderen Schmalspur- und Nebenbahnen aus Italien bekannt: Maximal versifft und abgeranzt. Seit längerem stellt die FCE hier aber eine sehr positive Ausnahme dar, der Fahrzeugpark macht einen einigermaßen gepfelgten Eindruck und vor allem sind die Ganzbemalungen in Form von Graffities schon seit Jahren Vergangenheit.
Spätestens mit dem Besuch eines anderen Teils der Familie auf der Mittelmeerinsel im Herbst 2017 stand auch für mich fest: Da musst du auch mal hin. Es kamen aber irgendwie immer andere Ziele dazwischen, dann Corona und dann noch mindestens eine Saison die explodierten Mietwagenpreise. Im Dezember 2023 schaffte es Sizilien dann aber bei der Urlaubsplanung für das neue Jahr endlich wieder ganz nach oben auf die Liste. Den Teil der Familie, der 2017 dort gewesen war, brauchte ich nicht fragen, also klopfte ich mal am Bodensee an, ob für 2024 die Motivation einer gemeinsamen Reise bestehen würde und brachte auch gleich mein angedachtes Ziel ins Spiel. Überzeugungsarbeit musste ich eigentlich nicht leisten – schnell war Johannes dabei. Als Zeitraum passte bei uns beiden neun Tage Anfang April sehr gut rein, in der Hoffnung, die letzten dicken Mittelmeertiefs seien dann durch, was – man erinnere sich an meine Italienreise 2023 – eher ein Glücksspiel werden würde. Dafür besteht Anfang April keine Hitzegefahr, es blüht schön und Zeit hatten wir genug, um auch den ein oder anderen Schlechtwettertag auszusitzen. Wir stimmten noch die Flüge aufeinander ab: Ich mit Umsteigen in München ab Hannover, er direkt aus Stuttgart. Hin wäre ich knapp zwei Stunden eher in Catania, zurück würde Johannes etwa zwei Stunden mehr am Flughafen haben. Das passte doch einigermaßen.
Bei einem lokalen Höker reservierte ich schonmal einen Mietwagen: Golfklasse für unter 250 Euro für neun Tage – ist klar, dass wird doch am Ende eh ein Fiat sein 😀
Mehr Planung, abgesehen von einer intensiven Motivkunde kurz vor Reisebeginn, war dann im Grunde nicht nötig, sodass die Reise in rund vier Monaten würde starten können.


Samstag, 6. April 2024: Anreise mit Tücken

Selbstverschuldet würde der Tag der Anreise wiedermal sehr umnächtigt ausfallen, denn ich konnte es mir nicht nehmen lassen, am Freitagabend noch auf einer Mannschaftsfeier aufzuschlagen. So war ich dann vielleicht gegen eins zuhause, für 3:50 Uhr hatte ich mich aber mit meinem privaten Shuttleservice für die Fahrt nach Hannover verabredet. Wirklich geschlafen habe ich dementsprechend nicht mehr. Um 6:05 Uhr sollte mein Anschlussflug LH2107 Richtung München starten. Bis zum Boarding lief auch alles normal: Kaum Schlangen an Gepäckaufgabe und Sicherheit, noch einen Kaffee gezogen und schon war Boarding. Die Maschine stand auch schon am Gate, nur ging es dann nicht los. Minuten verstrichen, dann vibrierte zehn Minuten vor dem planmäßigen Abflug das iPhone: “Flight cancelled”. Wenig später kam auch vom Gate die Durchsage, der Flug sei wegen technischen Problemen gestrichen. Jetzt war schnelles Handeln gefragt. Mein Anschluss in München wäre, egal auf welchem Weg, nicht mehr zu erreichen, aber Hauptsache ich komme hier aus Hannover möglichst schnell weg. Also umgehend den Bot-Assistenten der Lufthansa konsultiert für einen alternativen Reiseplan, während die Masse noch damit beschäftigt war, von echten Menschen Auskunft zu erhalten oder herauszufinden, was nun zu tun sei. So bekam ich binnen fünf Minuten eine neu Bordkarte, nun mit der nächsten Lufthansa nach Frankfurt und dann von dort weiter nach Catania. Boarding 08:15 wäre noch locker zu schaffen, obwohl ich für den Koffer wieder einmal komplett raus müsste, selbigen wieder aufgeben und dann nochmal durch die Sicherheit. In Frankfurt hätte ich dann fast vier Stunden Aufenthalt, was natürlich weniger schön war, aber in dem Moment war ich erstmal froh, überhaupt noch einen Weg nach Catania am selben Tag bekommen zu haben und mit Ankunft 16:25 Uhr hätte ich am Ende auch nur den heutigen Nachmittag auf Sizilien verloren. Für Johannes bedeutete das Ganze natürlich in Catania recht langes Warten, aber es war nicht zu ändern und irgendwo noch Glück im Unglück, denn beide Maschinen, die ich am Ende nahm, waren bis auf den letzten Platz ausgebucht.

Nach dem erneuten Durchschreiten der Sicherheit – der Security kannte den Inhalt von Fototasche und -Rucksack nun auch langsam – verprasste ich noch den unglaublich großzügigen 7€-Gutschein, den mir die Lufthansa als Entschuldigung gesponsert hatte, während vor dem Fenster gerade meine defekte Maschine auf Seite gerollt und neben einem A400M abgestellt wurde – wie passend. Wirklich toll übrigens der Gutschein: Für den Preis bekommt man am Flughafen ja quasi nichts… Dafür konnte sich wenigstens das Café am Gate dank der Lufthansa über gesteigerten Umsatz freuen.


Der defekte A319 wird vom Gate weggerollt, während ich nach der zweiten Runde durch die Sicherheit erneut das Gate erreiche.

Pünktlich ging es dann mit der LH051 endlich raus aus Hannover und kurz nach dem Start schon wieder runter Richtung Fraport. Der Anflug war dann doch etwas seltsam: Zumindest bewusst war ich bislang noch nie auf die 25R angeflogen, besser bekannt als Landebahn Nordwest. Während des Endanfluges fliegt man quasi direkt über der A3 am Flughafen vorüber – schon ein etwas seltsames Gefühl. Erst im letzten Moment dreht die A3 ein Stück ab und die Landebahn erscheint. Das Gerolle zurück zu den Terminals nimmt dann entsprechend auch noch etwas Zeit in Anspruch. Ein typischer Anschlussflug, bei dem man im Flugzeug mehr Zeit am Boden als in der Luft verbringt. Im Terminal suchte ich mir für die drei Stunden ein ruhiges Plätzchen mit bisschen Aussicht, schaute bisschen was in der Mediathek schlenderte etwas durch die Gegend und vertilgte einige Reserven aus dem Rucksack. Interessantes zu beobachten gibt es derweil an einem internationalen Großflughafen wie dem Fraport immer. So zum Beispiel eine dreiköpfige Gruppe älterer Herren, dem Anschein nach aus Osteuropa oder gar noch ein Stück weiter östlich, die auf einem Tischchen eine handgefertigte große Tischdecke ausbreiteten und erstmal in aller Seelenruhe anfingen Karten zu spielen.
Johannes vermeldete währenddessen, dass auch die Eurowings aus Stuttgart nicht so recht wollte, mit gut 30min Verspätung kam er dann aber doch los und dürfte dann in Catania auf mich warten. Ich hatte schon in Hannover mal den wie immer super freundlichen Service von Check24 angerufen, die sollten doch bitte versuchen, dem Mietwagenhöker mitzuteilen, dass wir bisschen später kämen. Meine Versuche dort jemanden zu erreichen waren zumindest gescheitert. Dann ging es irgendwann pünktlich um kurz vor zwei auch aus Frankfurt weg. Der Flug einmal quer über die Alpen hatte wirklich einige schöne Ausblicke zu bieten, bevor es am Stiefel hinunter einige Strecke über das Meer ging. Ein großer Bogen um den Ätna durfte noch sein, dann setzte die Maschine in Catania auf.

Gleich am Ausgang der Kofferausgabe trafen wir uns und zogen zum Mietwagenhöker hinüber. Der befindet sich nicht etwa im Terminal, wo zum Beispiel Sixt und Konsorten sitzen, sondern etwas neben dem Flughafen in einem externen Mietwagenpark. Zumindest die verspätete Ankunft schien schon mal kein Problem zu sein. Dafür das übliche Spiel mit den Versicherungen, die mir die Tante am Schalter gefühlt zehn Minuten lang aufquatschen wollte. Der Wagen war natürlich schon über einen Versicherer über Check24 vollkaskoversichert, dennoch vielen der Dame zahlreiche Horrorszenarien ein, die mich selbstverständlich in den finanziellen Ruin getrieben hätten, wäre es zum Worst Case gekommen. Ja ne, ist klar. Ich ließ die mal auf ihrem Zettelchen wilde Rechnungen aufstellen, wobei die es wirklich so schlecht erklärte, dass ich gar nicht genau wusste, was die da nun eigentlich vorrechnete. Wahrscheinlich gehört das mit zur Strategie. Ich wiederholte nur immer wieder stoisch, dass ich das alles nicht brauche und eine Versicherung habe. Irgendwann wurde die Schlange hinter uns wohl zu lang, sodass sie aufgab und beschloss, einen anderen Dummen zu suchen und mir nur wie vorgesehen die Sicherheit von 700€ auf der Kreditkarte blockierte. Hätten wir das auch geklärt. Noch drei Unterschriften auf einem Display gesetzt, ohne zu wissen wofür und ich hielt – Überraschung – einen Fiat-Schlüssel in der Hand. Wir liefen auf den Parkplatz raus und suchten mal nach dem Karren. Ein Fiat 500X sollte es sein, also ein Fiat 500 auf Steroiden. Einen drüber gibt es aber noch, den Fiat 500L. Das ist dann aber schon eher ein Van. Erster Eindruck von unserem 500X: Das Ding ist schon ordentlich durch. Rundum zerschrammt, ein Spiegel samt Blinker angeschlagen, 70k Kilometer runter und im Innenraum stank es irgendwie unangenehm süßlich. Genau das richtige, da würde es kein Mensch merken, sollte der während der neun Tage mal irgendwo anecken oder auf eine Schotterpiste mit Steinen um sich werfen 😀

Dank meiner Verspätung war jetzt mit Bahnbildern auch nichts mehr, denn beim seit Corona noch dürftigeren Fahrplan der FCE, kommen fast gleichzeitig aus beiden Richtungen in Randazzo und in Catania die letzten Züge des Tages schon um halb sechs an. Also heute keinen Stress mehr, sondern ganz gemütlich zur Unterkunft in Randazzo schaukeln, die ich vergangene Nacht noch schnell für drei Tage reserviert hatte, denn das Wetter versprach für die nächsten Tage Sonne pur, sodass wir erstmal an der FCE arbeiten wollten. Die Fahrt zog sich doch etwas, gab mir aber am vergleichsweise ruhigen Samstagnachmittag die Chance, etwas im süditalienischen Straßenverkehr zu akklimatisieren. Da wir uns nun schon seit Mai 2023 an der verregneten Vigezzina nicht mehr gesehen hatten, gab es auch noch mehr als genug zu Beschnacken, sodass uns heute und die nächsten Tage die Themen eh nicht ausgehen würden.
Fast wie erwartet war am B&B in Randazzo natürlich niemand und auch die Klingel brachte keinen Erfolg. Ich rief also mal die bei Booking hinterlegte Nummer an. Wir hatten zwar keine gemeinsame Sprachbasis, aber ich deutete die Kommunikation mal so, dass er unterwegs sei. Kaum fünf Minuten später legte tatsächlich ein Auto am Gebäude an und unser Gastgeber kam in locker sitzender, brauner Lederjacke und mit italienischer Freundlichkeit auf uns zu. Er schmiss auch sogleich google translate an und wir unterhielten uns fortan durch sein Smartphone, was ihn aber nicht davon abhielt, jede deutsche Übersetzung mit wilder Gestik zu untermalen. Scheinbar waren wir die einzigen Gäste und so hatten wir neben dem Zimmer auch den großen und modernen Gemeinschaftbereich mit Terrasse Richtung FCE für uns allein. Nur hatten wir jetzt irgendwie das Zimmer mit dem französischen Doppelbett erwischt. Das war eigentlich nicht mein Plan gewesen, stellte aber auf Nachfrage kein Problem dar: Wir bekamen dann wie gewünscht das Doppelzimmer mit zwei Betten. Er schilderte uns noch den Weg zur örtlichen Pizzeria und düste dann davon, mit dem Verweis, wir könnten ihn natürlich jederzeit kontaktieren wenn was sei. An diese selbstverständliche Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft in Italien muss man sich erstmal wieder gewöhnen, wenn man gerade aus dem norddeutschen Winter kommt… 😀

Auf dem Weg zur Pizzeria unten im Dorf schlenderten wir natürlich noch an der FCE-Station vorbei, die kaum hundert Meter neben unserem B&B lag. Dort war abendliche Ruhe eingekehrt und der ADe 18 stand allein in der blauen Stunde am Bahnsteig.


Bei der FCE ist schon am frühen Abend Nachtruhe eingekehrt. Der mondernisierte ADe 18 wartet in Randazzo auf den nächsten Betriebstag.

Wir liefen dann mal runter in den Ortskern und folgten der Wegweisung unseres Gastgebers zu einer Pizzeria an der Piazza del Municipio. Die ersten Pilsbierhaltigen des Urlaubes wanderte auf den Tisch und wenig später folgten zwei leckere Pizzen, die zum Beginn des Urlaubes den Maßstab mal nicht so weit unten ansetzten. Nach Salat und Pizza waren wir dann doch gut satt und gerade für mich war der Tag nun auch schon lang genug gewesen, sodass es bald zurück Richtung Appartement ging. Dort wurde nur noch ein wenig der Plan für den morgigen Tag zurechtgelegt und der Wecker auf entsprechend frühe Stunde gestellt, denn den ersten Zug bei Licht wollten wir beim Lavafeld von Bronte ablichten. Welchen fatalen Fehler wir dabei gemacht haben und wie wir den Sonntag trotzdem gut rumbekommen würden, davon dann morgen mehr.


Sonntag, 7. April 2024

Das Frühstück sollte um 8:30 Uhr in die Gemeinschaftsküche geliefert werden. Erstens erhofft man sich davon in Italien aber nicht besonders viel und zweitens war das natürlich viel zu spät, wollte man das schöne Morgenlicht schon bei erstbester Gelegenheit auskosten. Der Plan war daher, irgendwann später vorbeizukommen und was zu Essen und einen Kaffee abzugreifen. Erstmal ging es für die beiden morgendlichen Züge aus und Richtung Randazzo hinüber nach Bronte. Dort in den Lavafeldern liegen einige der spektakulärsten Motive der Circumetnea, die natürlich bei bestmöglichem Licht umgesetzt werden sollten. Ziel war das große Lavafeld südlich von Bronte für das man allerdings, wie wir noch nicht wussten, direkt am Ortsausgang von Bronte auf die Nebenstraße abbiegen muss. Von der “Schnellstraße” zwischen Bronte und Adrano kommt man sonst in Fahrtrichtung Adrano nicht mehr runter. Da blieb nichts übrig, als mitten auf der Straße den U-Turn zu machen und in die andere Richtung abzufahren – wir sind ja in Italien hier… Über eine lange Stichpiste kommt man bis an die Strecke heran und kann sich dann im dortigen Lavafeld herumtreiben, das deutlich mehr Motive bietet, als die FCE Züge. Erst recht am heutigen Tag, denn zur Planzeit kam – Nichts. Wir waren schon knapp dran gewesen, sodass wir schon nach Ankunft jeden Moment mit dem Zug rechneten, doch auch lange nach Planzeit kam kein FIAT auf Schienen daher, sodass ich doch mal einen misstrauischen Blick in den Fahrplan warf. Mit dem Ergebnis: “Il servicio è sospeso nello giornate di Domenica e Festive”. Das bedarf keiner Übersetzung. Etwas gewundert hatte mich ja schon, dass der Fahrplan keine Wochentage auswies, aber wenn man sonntags einfach gar nicht fährt, braucht es das ja auch nicht. Mindestens verwirrend ist aber auch die englische Übersetzung dieser Zeile, die da lautet: “The service is suspended Sunday an Holiday”. Die italienische Angabe hätte ich mit Sonntag und Feiertag übersetzt, die englische spricht von Sonntag und Ferien. Wäre schon ganz hilfreich zu wissen, was denn nun gemeint ist. Auch wenn es in unserem Fall egal war, denn am heutigen Sonntag würde definitiv nichts mehr fahren und Ferien oder Feiertage hatten wir zum Glück nicht die restlichen Tage.
Ganz unabhängig davon stellt sich natürlich trotzdem die Frage, warum man denn hier sonntags den Verkehr komplett einstellt bei einer Bahn, die wohl zu einem nicht ganz unbeträchtlichen Teil auch dem Tourismus dient, oder bei einem nicht ganz so kläglichen Fahrplan zumindest das Potenzial dazu hätte. Zumindest ist die FCE nicht gerade der typische amerikanische commuter train, erst recht nicht jenseits von Adrano. Aber den Sinn und Unsinn der Handlungen italienischer Verkehrsbetriebe zu Durchdringen, daran war ich schon im vergangenen Jahr grandios gescheitert. Half ja eh alles nichts und ein etwas aufmerksamerer Blick in den Fahrplan hätte uns natürlich vor diesem fatalen Fehler bewahrt. Ich wunderte mich nur, dass mir dieser Umstand beim studieren diverser Reiseberichte auf Motivsuche bei der Vorbereitung nicht untergekommen war. Entweder ich habe es überlesen, oder es ist für Fuzzis an der FCE einfach schon selbstverständlich.


Es hätte so schön sein können. Einziger Trost: Wir waren noch ganz am Anfang der Reise und auch die nächsten Tage ist erstmal noch Sonne pur angesagt. Lavafeld bei Bronte – wir kommen wieder.


Auch ohne FCE lassen wir uns das Fotografieren nicht madig machen: Blick aus dem Lavagestein südlich von Bronte in die sizilianische Weite.

Wohl oder übel mussten wir jetzt also einen “Kulturtag” einlegen. Per se nicht schlimm, waren davon doch ohnehin einige geplant, aber bei diesem genialen Wetter und ohnehin extra wegen der Bahn in dieser Ecke, hätte das heute nicht zwingendermaßen sein müssen. Das Ganze wollte erstmal verdaut werden, weshalb wir für ein Frühstück in unser Appartement zurückfuhren und uns bei dem ein oder anderen Kaffee die Karten legten. Das “Mädchen” von dem der Übersetzer gestern behauptet hatte, dass es das Frühstück bringen sollte, war wohl heute krank. So stürmte kurz nach uns der Vermieter ins B&B und stellte das Frühstück höchstselbst bereit. Wie erwartet eine Zusammenstellung von süßem und noch süßerem Gebäck, zumindest gab es aber auch einen Cerealienspender und so verkehrt ist für mich Süß mit Kaffee am Morgen auch nicht.

Wir beschlossen dann einfach mal ein Halbrund um den Etna Richtung Taormina zu fahren. Nicht auf der Route der FCE, sondern ein Tal weiter außen. An der Küste würden dann vielleicht ein, zwei Aufnahmen an der Regelspur gehen. Ja, Regelspur – urrggh. Aber die Motive haben es hier teilweise wirklich in sich und wenn auf der FCE schon nichts fährt… Für Johannes eh kein Problem, der macht hauptsächlich die “große” Bahn. Die Schmalspurbahnen sind gewissermaßen unsere Schnittmenge, die Straßenbahnen habe ich dann für mich.


Wir starten unsere Tour an unserem B&B in Randazzo. Direkt rechts hinter unserem B&B verläuft die Strecke der FCE in den Bahnhof, dessen Parkplatz hier ganz im Hintergrund zu sehen ist. Was bei einer sizilianischen Straßenszene nicht fehlen darf ist nicht etwa das Piaggio-Dreirad im Vordergrund, sondern ein Fiat Panda. Deren zwei der moderneren Art verstecken sich hier ganz weit im Hintergrund am Bahnhofspatz.

Hinter Randazzo verleißen wir recht bald die FCE und wechselten von der SS120, die quasi das Straßenäquivalent zur Circumetnea darstellt, auf die einen weiteren Bogen um den Ätna schlagende SP89. Diese führte bald gemütlichst verschlungen durch die Landschaft und wir kamen zwischen den Fotohalten jeweils nicht wirklich weit. Den ersten längeren Stopp legten wir an der Brücke über den Alcantara zu Füßen des über der Landschaft thronenden Bergdorfes Castiglione di Sicilia ein. Der Alcantara hat sich hier wunderschön in das Gestein gegraben und kleine Canyons und Pools entstehen lassen. Während wir diesen Spot rein zufällig entdeckten, scheint er nicht wirklich ein Geheimtipp zu sein, denn es wimmelte doch schon gut von Leuten auf der Suche nach dem passenden Insta-Spot. Im Gegensatz zu anderen Orten verlief es sich aber noch ganz gut und Anfang April sind die Massen auch gerade noch erträglich.


Erster Fotohalt auf der gemütlichen SP89. Wir sind in Italien: Also einfach stehenbleiben, Warnblinker rein und in Ruhe die Fotos geschossen. Den Anzeigenhauptmeister sucht man hier vergebens.


Grund für den Fotohalt: Ein erster Blick auf das über der Landschaft thronenden Berdorf Castiglione di Sicilia. Lässt sich übrigens an mindestens einer Stelle auch mit der FCE umsetzen.


Unterhalb von Castiglione di Sicilia hat der Alcantara einen seiner schönsten Abschnitte. Tief in das Gestein hat sich der Fluss hier eingegraben.


Allerdings kreuzt auch die SP89 das Flusstal an dieser Stelle, sodass entsprechend viel Publikumsverkehr herrscht.


Das gesamte Alcantara-Tal zählt zu einem der schönsten Flusstäler Siziliens. Sicherlich eine schöne Gegend für ausgiebige Wanderungen. An den Hotspots trifft sich aber selbst hier abseits der Küste dann alles an Touristen wieder.


Zwischen den Stufen finden sich immer wieder kleine Pools.


Blick in Gegenrichtung zur Straßenbrücke. An den Felsen vor der Brücke findet sich der tiefer eingeschnittene Abschnitt vom ersten Bild.

Ohne es zunächst zu wissen, folgte unsere heutige Route zur Küste übrigens recht genau dem Verlauf der ehemaligen Regelspurstrecke Randazzo-Alcantara, die von Randazzo aus dem Alcantara-Tal hinab zur Küste folgt. In Randazzo selbst ist die Lage der ehemaligen Regelspuranlagen noch immer sehr gut zu erkennen, auch das Bahnhofsgebäude steht noch. Auch auf der heutigen Fahrt sollten uns immer wieder spektakuläre Viadukte und tolle Motive mit Resten der 1994 wegen Sanierungsbedarf eingestellten und 2002 vorerst stillgelegten Strecke begegnen. Im unteren Abschnitt waren dann sogar Bauarbeiten erkennbar, denn scheinbar gibt es Pläne, die Strecke für den Touristenbetrieb wieder zu eröffnen. Zumindest im oberen Abschnitt fiel der Glaube daran beim Anblick der Infrastruktur aber noch reichlich schwer und in Italien kann so etwas bekanntlich ewig dauern und im Zweifel am Ende wieder im Sande verlaufen. Bei Francavilla di Sicilia liefen wir mal auf das Viadukt der ehemaligen Strecke über den Alcantara hinaus um einen Blick in die Landschaft zu erhaschen.


Die alte Bahnbrücke über den Alcantara zu Füßen von Castiglione di Sicilia muss einst ein super Bahnmotiv abgegeben haben. Heute fällt es eher in die Kategorie Lost Place.


Von der anderen Seite der Brücke fällt der Blick Richtung Francavilla di Sicilia und die darüber thronende Ruine des Castello Ruffo. Die Strecke ist inzwischen ordentlich verwachsen und die Gleislage nicht mehr ganz optimal. Nicht fehlen darf zu dieser Jahreszeit der auf Sizilien überall wuchernde Riesenfenchel, hier ein schon recht verblühtes Exemplar.


Durch das Gestrüpp lassen sich über den Alcantara hinweg gesehene Francavilla di Sicilia und das Castello Ruffo erahnen.

Nachdem wir uns hier etwas herumgetrieben hatten, schlenderten wir zurück zu unserem Fiat. Obwohl erst Anfang April, ballerte die Sonne hier im Süden schon ordentlich. Von den Temperaturen noch sehr angenehm, aber die Sonnenstrahlung erforderte dann doch mal die erste Dosis Sonnencreme des Jahres.
Weit kamen wir dem Alcantara-Tal folgend auch anschließend wieder nicht: Am nordöstlichen Talhang fiel uns wenig später das spektakulär auf einer Felswand thronende Dorf Motta Camastra auf. Darunter, fast am Talgrund, lag der gleichnamige Bahnhof, dem wir ebenfalls noch eine Aufnahme widmeten.


Bei Motta Camastra gab es schon den nächsten Stopp am örtlichen Bahnhof. Unsere Aufmerksamkeit erregt hatte aber eigentlich das zugehörige Dorf selbst, das deutlich weiter oben auf einem Felshang balanciert. Auf der Suche nach einer guten Fotoposition ging es an einer Kombination aus Schafweide und Autofriedhof entlang. Beim Blick nach rechts und links der Straße kann man auf Sizilien immer Interessantes entdecken…


Der Bahnhof Motta Camastra liegt wie die restliche Bahnlinie im Dornröschenschlaf. Auch hier hätte sich ein tolles Bahnmotiv ergeben.


Durch die Obstplantagen ergaben sich dann auch nette Blicke hinauf auf das Dorf Motta Camastra.


Auch die örtliche Botanik ist immer wieder einen Blick wert, wie diese Strelitzie zu Füßen von Motta Camastra.

Zurück am von Hunden und Katzen belagerten Auto auf dem ehemaligen Bahnhofsparkplatz gab es dann doch anschließend mal einen größeren Sprung. Bei unserem bisherigen Tempo wären wir kaum noch an die Küste gekommen heute. Ziel war eigentlich noch die ein oder andere Stelle an der Küstenstrecke rund um Taormina zu versuchen heute, sodass wir dem Tal folgend nun bis zur Küste hinunterfuhren. Durch Naxos hindurch quälten wir uns im wilden Verkehr hinüber nach Taormina zum bekannten Ausblick auf die Bucht direkt an der Küstenstraße. Kurzer Halt am Ausblick und die Erkenntnis, dass selbst hier der Bahnverkehr am Sonntag äußerst dürftig war: Die nächste Zugbewegung war erst in über zwei Stunden um kurz nach drei zu erwarten. Immerhin fährt hier überhaupt was.

Wir gondelten mal noch einen Ort weiter nach Letojanni, ließen den Fiat oben an der Hauptstraße und liefen auf der Suche nach Wasser und einem Kaffee an die Promenade runter. An einem Kiosk wurden wir in erster Hinsicht fündig, in zweiter Reihe auf der Promenade fand sich eine nette Bude für einen Kaffee, die nicht zu sehr auf chic machte und entsprechend moderate italienische Preise nahm. Paar Minuten im Schatten bei einem Americano entspannt und anschließend noch beim Bezahlen herausgefunden, dass der Verkäufer sogar deutsch sprach – Düsseldorfer Vergangenheit. Durch die vielen Gastarbeiter-Biografien ein Umstand, auf den man hier gar nicht mal so selten stößt.
Die restliche Lücke bis zum Zug wollten wir mit einem Besuch oben in Taormina totschlagen, fanden den richtigen Großparkplatz dank mangelhafter Vorbereitung aber erst nach einigen Runden und hatten dann auch nicht mehr wirklich Zeit. War jetzt schon ein ordentliches Rumgegurke gewesen hier und wir ließen den Stadtbummel durch den vollkommen überlaufenen Ort erstmal sein.
Wieder unten an der Küste parkten wir so halb legal an einem vorhin schon ausgekundschafteten Bahnblick oberhalb der Isola Bella in der malerischen Bucht unterhalb Taormina. Ein bisschen Zeit war noch immer, aber es wartete sich nicht so schlecht hier mit dem Ausblick auf die Bucht und die Zeit konnte zum Verputzen von einigem Trockenfutter aus den Vorräten genutzt werden – die Versorgungslage war insgesamt doch etwas prekär heute 😀
Pünktlich um kurz nach drei kam dann so ein bunter Alstom durch den kurzen Abschnitt an der Bucht gerauscht. Klar, Regelspur halt und kein sonderlich spannendes Fahrzeug, aber die Motive sind hier teils wirklich der Hammer!


Da hat man wahrlich schon bei schlechterem Ausblick auf einen Zug gewartet: Blick auf die Bucht unterhalb Taormina mit der Isola Bella.


Dann kommt auch schon nach fast drei Stunden Pause ein Regio von trenitalia Richtung Messina durch die Bucht gesprintet. Wirklich ein großartiges Zugangebot, wenn man bedenkt was für ein Wahnsinnsverkehr auf der Küstenstraße herrscht…

Der Ausblick auf den Bahnhof Taormina mit dem Ort darüber war nun natürlich nur noch im Streiflicht, aber da der Gegenzug wenige Minuten später kommen würde, wechselten wir nur das kurze Stück zu der Stelle hinüber wo uns vorhin ein Zug fehlte und nahmen diesen dort mit.


Den Gegenzug nahmen wir um die Ecke mit Blick auf die große Bucht von Taormina und den geteilten Ort in Berg- und Buchtlage.

Jetzt schien in der Folge zumindest wieder etwas halbwegs wie ein Stundentakt zu laufen. Etwas weniger vielleicht, aber man konnte damit arbeiten. Johannes hatte am Satelliten bei Fiumefreddo noch eine potenzielle Brücke ausgemacht zu der wir hinüberfuhren. Mitten in den Zitrusplantagen bot die Außenkurve dann tatsächlich einen schönen Blick auf die markanten Bergdörfer bei Taormina. Was ich mich schon immer gefragt hatte: Warum gibt es eigentlich die Zitrusfrüchte, also vor allem Orangen und Mandarinen, bei uns hauptsächlich im Winter in den Supermärkten? Rein vom Vitaminspiegel für uns natürlich praktisch, wenn auf unseren Breiten nichts reif ist, aber wie machen die Spanier und Italiener das, denn so ewig lang und warm scheint die Sonne ja auch hier von November bis Februar auch nicht. Dem gingen wir nun während der Wartezeit mal auf die Spur, mit dem interessanten Ergebnis, dass die Früchte an diesen Bäumen monatelang reif herumhängen können, ohne das man sie ernten muss. Das ist natürlich super praktisch und erklärt, wie man die Früchte mitten im Winter reif in die Supermarktauslage bekommt.
Zug kam dann auch irgendwann: Diesmal eine der neuen Hitachi-Kisten. Einen Schönheitspreis gewinnen die aber leider auch nicht.


Eine Hitachi-Kiste kommt bei Fiumefreddo durch die endlosen Zitrusplantagen die Küste hinauf Richtung Messina gejagt.

Eine letzte Railview-Stelle bei Riposto wollten wir dann noch versuchen. Vorher konsultierten wir hier in Fiumefreddo aber noch den örtlichen Lidl, um uns mal einen Flüssligkeits- und Trockenfuttervorrat im Auto anzulegen. Was zum sofort essen gabs auch noch, sodass wir dem Nahrungsdefizit ausreichend Abhilfe schaffen konnte.
Dann liefen wir unsere letzte Stelle an: So kleine Fußgängerbrücken gibt hier immer wieder über die Strecke, einige (oder die meisten?) davon allerdings gesperrt. Als gesperrt stellte sich auch unsere Brücke heraus, nachdem wir uns einen Weg über den Pfad durch die üblichen Müllberge und Unrat, die den Rand der sizilianischen Zivilisation für gewöhnlich zieren, gebahnt hatten. Man kam aber trotzdem noch hoch auf die Brücke und nach gut 20 Minuten kamen auch schon die beiden Züge durch, diesmal wieder bunte Alstoms.


Auf Höhe von Giarre und Riposto entstand das letzte Bahnbild für heute. Ein bunter Alstom kommt aus Messina Richtung Catania gefahren.

Ganz bahnfrei war der Tag also doch nicht gewesen. So richtige Ideen für eine weitere Stelle ergaben weder Railview noch das Selbsstudium der Satellitenbilder, sodass wir es nicht zuletzt auch angesichts des mäßig spannenden und zähen Verkehrs für heute dabei beließen. Stattdessen schauten wir nochmal in den Hafen von Riposto hinüber und liefen ein Stück die Hafenmauer hinaus. So richtig der Ort von Welt schien es hier aber nicht zu sein, sodass wir das Abendessen erneut nach Randazzo verlegten und nach dem kleinen Rundgang durch den Hafen die Rückfahrt antraten.


Abendstimmung im Yachthafen von Riposto.

Einträchtig halten die Kutter ihre Sonntagsruhe im gut geschützten Hafenbecken ab.


Natürlich nur authentisch, wenn auch hier noch irgendwo eine Vespa durch’s Bild knattert 😉


Auch von Riposto aus ist die markante Ortslage von Taormina noch gut zu erkennen.

In die untergehende Sonne hinein ging es anschließend zurück nach Randazzo. Von Riposto aus nun natürlich eine Straße näher am Ätna als heute Vormittag und damit über weite Strecken entlang der FCE. Tja, wirklich schade, dass dort jetzt im feinsten Abendlicht nichts lief. Das lag derweil aber nicht einmal am Sonntag, denn auch sonst rollt hier der letzte Zug mit Ankunft in Randazzo um 17:30 Uhr…
Fast froh waren wir, als die Sonne endlich hinter den Hügeln verschwand, denn durch die von Innen völlig verschmierte Scheibe des ollen Fiat 500X sah man bei dem Sonnenstand zeitweise so gut wie nichts. So schien es aber auch anderen zu gehen, etwa einem Sprinter, der vor uns teils wilde Linien wählte auf der Suche nach dem Straßenverlauf. Der würde im Notfall den Gegenverkehr vor uns abräumen.
Mangels großer Alternativen wählten wir heute Abend noch einmal die selbe Pizzeria wie gestern. Ein zweites Restaurant war irgendwie erschreckend leer, da wollten wir uns dann auch nicht reinsetzten. Obwohl im Ort eine Menge leben herrschte, schien es irgendwie nicht DIE Auswahl an Restaurants zu geben. Im Wesentlichen war es aber auch die Dorfjugend, die jetzt am Abend auf den Straßen abhing oder mit Rollern, Mopeds und abgerockten Karren durch die Straßen knatterte. Also wieder dei selbe Pizzeria mit Salat, Pizza und Bier und dann war zurück am B&B auch bald die nötige Bettschwere erreicht.
Der Plan für Morgen: Zweiter Versuch an der FCE 😀 Tagesstart also genau wie heute, dann nur hoffentlich mit durchschlagenderem Erfolg…

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert