Das Kapitel Altwagen auf der Vigezzina hatte ich trotz mehrerer Besuche in den vergangenen Jahren noch nicht abgeschlossen. Daher wurde auch in diese Reise auf Biegen und Brechen irgendwie ein Besuch an dieser Strecke eingelegt, an dem wir heute noch einmal reichlich ABe 6/6 und Abe 8/8 auf der italienischen Seite der Schmalspurstrecke mitnehmen wollen.
Montag, 9. Oktober 2023
Die Vigezzina und Centovallina. Lange Jahre hatte ich die Strecke vernachlässigt. In diesen Teil der Schweiz und Italiens kommt man halt einfach nicht nebenbei, wenn man sich um die zahlreichen anderen Schmalspurbahnen kümmert. Ein kleiner persönlicher Abriss: Nach einer Mitfahrt in 2009 hatte ich es erst im August 2021 wieder ernsthaft auf die Strecke angelegt, als ich ein wenig auf Schweizer Seite unterwegs war. Damals war mir gar nicht so klar, dass auf italienischer Seite, anders als in der Schweiz, noch immer die ABe 6/6 und ABe 8/8 aus den späten 50er- und 60er-Jahren recht verlässlich auf einigen festen Regio-Kursen zum Einsatz kommen. Chronische Verfügbarkeitsprobleme bei moderneren Baureihen und ohnehin recht zufällig wirkende Fahrzeugdisposition bei den Italienern, sorgen aber auch abseits dieser Regios immer wieder für überraschende Einsätze. Im Februar 2022 wurden dann gleich drei Tage an dieser Strecke eingelegt, allerdings ging ich wohl fälschlicherweise davon aus, dass der morgendliche Schülerkurs mit ABe 6/6 noch komplett im Dunkeln stattfindet. Ein, zwei erste Sonnenspots hätte es wohl gegeben. Dafür konnte ich schon zahlreiche außerplanmäßige Einsätze der ABe 8/8 auf den internationalen Leistungen in die Schweiz festhalten. Der ABe 6/6-Schülerkurs blieb aber eine schmerzliche Lücke, die mich nicht abschließen ließ mit dieser Strecke vor der großen Fuhrparkerneuerung in den kommenden Jahren. Der jüngste Besuch im Mai 2023 war dann leider sehr verregnet, erste Alibi-Aufnahmen der ABe 6/6 gelangen aber und der Aufenthalt fiel genau auf den Beginn der vorübergehenden Stilllegung der Panoramicos, sodass die ABe 8/8 plötzlich überall auftauchten. Noch immer ließ mir das Thema ABe 6/6 aber keine Ruhe, sodass ich mir auch für diese Reise einen Besuch an der Strecke fest vornahm. Für den Mitreisenden war es dann weniger interessant, war er doch erst im Herbst 2022 eine gute Woche intensiv wie erfolgreich an dieser Bahn unterwegs gewesen. Für den Besuch musste ich also meinen Wunschziel-Joker in die Waagschale werfen, richtigen Widerstand gab es aber auch keinen 😉 Heute sollte dann also hoffentlich der Tag sein, nach dem ich beruhigt auf die Veränderungen im Fahrzeugpark in den kommenden Jahren würde blicken können, ohne das Gefühl, etwas verpasst zu haben. Gerüchten zufolge sollte die Tage gerademal der erste der Panoramicos wieder in Betrieb gegangen sein, sodass weiterhin mit erhöhtem Altwageneinsatz zu rechnen war.
Um sieben ging es runter zum Frühstück. Für Italien war das mit Omelette, etwas Brot mit Marmelade und Honig, Joghurt und Cerealien fast schon ausgefallen umfangreich. Bald mussten wir aber schon los, um den morgendlichen Schülerkurs aus Re, der dann gegen acht aus Domodossola nach Re zurückfährt, in Masera abzufangen. Hier unten rechneten wir im Oktober nicht mehr mit Sonne, zu hoch sind die umliegenden Berge und zu ungünstig die Ausrichtung des Tals. Aber bis zum nächsten potenziell sonnigen Anlaufpunkt in Druogno hätten wir den Wagen dreimal wieder überholt. Um nicht das fast identische Bild wie im Mai zu machen, lief ich diesmal den schmalen Weg neben der Strecke oberhalb des Bahnhofes ein Stück hinauf. Pünktlich pfiff es unten auf der Rennstrecke aus Domodossola und verlässlich wie immer wurde diese Leistung von einem der alten ABe 6/6 gefahren, heute dem ABe 6/6 34 “Piemonte”.
Selbst im breiten Tal bei Domodossola erreicht die Sonne um 8 Uhr am Morgen erst die Gipfel der umliegenden Berge. Die Aufnahme an der Rampe oberhalb Masera wäre ohnehin im Gegenlicht gewesen, als ABe 6/6 “Piemonte” mit der morgendlichen Rückleistung des Schülerkurses Re – Domodossola – Re kurz nach dem Halt in Masera die Steigung hinauf nach Trontano in Angriff nahm.
Selbst mit meinem kurzen Spaziergang ein Stück die Rampe hinauf, sollte es kein Problem sein, den Schülerkurs hinauf bis Druogno wieder einzuholen. Ein Schweizer Audi A4 übetrieb es dann aber doch mit der Korrektheit in dem langen Tunnel zwischen Masera und Druogno. Hier fällt man normalerweise schon negativ auf und wird teilweise überholt, wenn man sich an die 60 km/h hält, die in dem schnurgeraden Tunnel auch komplett unnötig sind. Der Schweizer fuhr aber im Schritttempo hinter einem Schwertransporter hinterher, der sich die Steigung ins Vigezzoal mit großer Mühe hinaufquälte. Ja, durchgezogenen Linie, Tunnel, blabla. Das Ding geht nur geradeaus und ist sogar breit genug für drei Fahrzeuge. Da hätte man wahrscheinlich auch in Deutschland zum Überholen angesetzt. In Rumänien sogar, wenn etwas entgegengekommen wäre 😀 Also vorbei an dem Teil und alle anderen taten es uns gleich. Der Audi ist wahrscheinlich bis Santa Maria Maggiore hinter dem LKW hergeschlichen. Pünktlich zum Mittag ist er dann wohl dort angekommen.
Ab Druogno finden sich die ersten wieder schnell per Straße erreichbaren Stellen, die um diese Zeit im Oktober schon erste Sonnenstrahlen abbekommen. Ich entschied mich für das Bahnhofsgebäude Druogno, das wunderbar in den ersten Sonnenstrahlen des Tages badete, den Beifahrer ließ ich Stück weiter hinten raus an der Geraden neben dem Fußballplatz Richtung Santa Maria Maggiore. Leider reichte dort das Licht dann knapp noch nicht ganz für eine optimale Ausleuchtung, aber die Aufnahme am Bahnhof hatte er schon bei einem früheren Besuch umgesetzt.
Über eine halbe Stunde hat der ABe 6/6 35 von Masera bis hinauf ins Vigezzotal nach Druogno gebraucht. Da war es mit dem Auto keine Herausforderung, einen beträchtlichen Vorsprung herauszufahren. 1977 bis 1978 übernahm die SSIF die drei 1968 für die Ferrovia Lugano-Ponte Tresa (FLP) gebauten ABe 4/6 10-12. Bei der Fart ließ man die drei Fahrzeuge anpassen und analog zu den Schweizer ABDe 6/6 31-32 mit einem dritten Antriebsdrehgestell ausrüsten. Nummeriert wurden die drei dann als ABe 6/6 bezeichneten Fahrzeuge interessanterweise in umgekehrter Reihenfolge zur FLP mit den Nummern 33 bis 35. Alle drei Triebwagen standen 2023 noch immer im Einsatz, obwohl normalerweise im täglichen Betrieb lediglich eine einzige Fahrt für einen der Triebwagen auf dem morgendlichen Schülerkurs Re – Domodossola – Re auf dem Programm steht.
Im Hochtal rund um Santa Maria Maggiore wurde es dann wie erwartet schwierig, noch einmal an dem Triebwagen vorbeizukommen, da der hier in den weiten Radien und langen Graden gut vorankommt und die Straße über weite Strecken auf 50 km/h limitiert ist. Noch dazu läuft der Triebwagen praktisch leer zurück nach Re, da die Lastrichtung der Schüler die morgendliche Fahrt hinab nach Domodossola ist. So rauschte der ABe 6/6 an den Bedarfshalten dann auch unbeeindruckt vorbei. In Malesco stand glücklicherweise aber eine Kreuzung an, sodass wir etwas Zeit hatten, uns hinter dem Bahnhof an der großen S-Kurve am Ortsrand aufzustellen. Ein ehemaliger Bahnübergang war hier schön mit einem neuen Zaun versperrt worden, also ging man auf Gassigang mit dem Hund einfach daneben über die Trasse. Das können wir auch ohne Hund 😀 Interessierte Blicke verfolgten uns von einem nahen Balkon auf dem in den morgendlichen Sonnenstrahlen die Bettwäsche ausgehängt wurde. Man störte sich aber nicht im Geringsten an uns und der wilde Bahnübergang schien hier allgemein anerkannt zu sein. Von hinten rauschte der erste Internationale aus der Schweiz durch – bestückt von den Schweizern mit einem ABe 4/8 – und dann kam auch bald der ABe 6/6 Richtung Re, der schon einige Minuten im Bahnhof von Masera auf die Kreuzung gewartet hatte.
Hinter dem Bahnhof von Masera kurvt ABe 6/6 35 am Ortsrand zum Mellezo Orientale hinab, um selbigen auf einer langen Betonbrücke zu kreuzen.
Wir ließen den ABe 6/6 dann ziehen. Keine Chance, den bis Re noch einmal einzuholen und das Hineinsägen in den Schuppen würde dort im Oktober noch im Schatten stattfinden. Das fehlte uns beiden nicht mehr. Ich hatte aber die Idee, den ersten Internationalen Richtung Schweiz auch gleich hier bei Malesco aufzunehmen und zwar auf eben schon erwähnter Betonbrücke über den Melezzo Orientale. Das Bild hatten ich im Mai von der anderen Seite der Brücke am Abend gemacht, eigentlich sollte aber nichts dagegensprechend, dass Bild nun am Morgen mit Blickrichtung Malesco zu versuchen. Zwei Probleme gab es aber doch. Erstens: Man muss dort irgendwie hinab ins Flussbett gelangen und die Böschung ist quasi komplett zugewuchert. Einige Versuche an verschiedenen Stellen brauchte es schon, bis man irgendwo halb rutschend, halb springend, halb kletternd in dem Gestrüpp die drei Meter hinuntergekommen war. Nächstes Problem: Wir mussten rüber auf die andere Seite des Flusses. Springen oder waten – das war hier die Frage. Entweder in einigen Zwei- bis Drei-Meter-Sätzen über die einzelnen Kanäle des Flusses springen oder gleich Schuhe aus und hindurchwaten. Wir probierten beide Varianten, wobei ich mich für die Sprungversion entschied. Auf dem Hinweg klappte das schonmal erstaunlich gut mit trockenen Füßen. Die Schuhe waren ja zumindest wasserdicht, nur eben nicht sonderlich hoch. Selbst nasse Füße hätten sich aber beim Anblick der perfekten Spiegelung der Brücke in einem ruhigen Nebenkanal des Flusses mehr als gelohnt. Als dann wenig später auch noch der ABe 8/8 22 “Ticino” als erster Internationaler nach Locarno durchkam, war der Tag im Grunde schon nach weniger als 1 1/2 Fotostunden gelaufen. Was auch immer jetzt noch kommen sollte heute, war nach diesem Start des Tages alles nur noch Bonus.
Der erste Internationale des Tages nach Locarno überquert hinter Malesco die Betonbrücke über den Melezzo Orientale.
Nun hieß es nur irgendwie zurückzukommen. Während der Mitreisende einfach wieder ohne Schuhe durch den Fluss marschierte, versuchte ich mich erneut am springenden Rückweg. Dummerweise fand ich meinen Hinweg nicht wieder oder dort wo er war, ließ sich in Gegenrichtung nicht ausreichend Schwung holen für einen Drei-Meter-Satz. So lief ich etwas den Fluss hinauf auf der Suche nach einer Querungsmöglichkeit. Ganz trocken blieben die Füße schließlich nicht, dafür fand ich einen besseren Aufstieg, als den Dornenweg, den ich runtergekommen war.
Was nun? Der nächste Internationale nach Domodossola wäre nun auch schon bald wieder dran, die ersten vier rennen am Morgen erstmal im Stundentakt bevor die ersten Lücken im Fahrplan auftauchen. Einfach mal irgendwo am Hochtal stellen und schauen was kommt. Am Haltepunkt Prestinone kam aber erstmal eine ganze Zeit lang gar nichts. 9:55 Uhr hätte der in Santa Maria Maggiore, also am nächsten Halt sein sollen. Während neben uns ein Kleingewerbe unter fragwürdigem Arbeitsschutz lautstark dabei war Holz zu zerlegen und mit einem zusätzlich lärmenden Gefährt zu verfahren, war das Warten hier nur so mäßig gemütlich. Hinzu kam, dass ich die ganze Zeit auf einer schmalen Betonmauer balancierte. Eine gute Viertelstunde nach Plan kam dann aber doch mal was und Überraschung: Es war schon wieder ein ABe 8/8, diesmal die Roma. Damit bestätigte sich wohl, dass die Panoramicos noch immer nicht wirklich zurück im Einsatz waren und sich die Italiener wie immer nicht zu schade waren, als Ersatz ihr ältestes Gelumpe in die Schweiz zu schicken 😀
ABe 8/8 21 “Roma” bedient den zweiten Internationalen aus der Schweiz mit einer Viertelstunde Verspätung und hat den Haltepunkt Prestinone auf dem Weg hinauf zum Bahnhof Santa Maria Maggiore passiert. Ursprünglich war die 1959 von SWP und TIBB gebaute “Roma” einmal eine Schweizerin und hörte bis zu ihrer Übergabe an die SSIF bei der FART auf den Namen “Ticino”, welcher heute vom ABe 8/8 22 getragen wird. Vier dieser ABe 8/8 wurden 1959 für die FART und SSIF gebaut, die Triebwagen 21 und 22 für die Schweizer, die 23 und 24 für die Italiener. 1982 wurden die beiden Schweizer Fahrzeuge 21 und 22 umgebürgert und hören seither bei der SSIF auf die Namen “Roma” und “Ticino”, nachdem bis dahin die 21 auf “Ticino” und die 22 auf “Lemano” gehört hatten. Die beiden Triebwagen 23 und 24 bekamen mit Ossola und Vigezzo die Namen der vom italienischen Teil verbundenen Täler. ABe 8/8 24 wurde 2007 mit einem neuen Panorama-Wagenkasten in Anlehnung an die Skoda-Triebzüge neuaufgebaut, ist aber seither nicht durch eine erhöhte Präsenz im Planverkehr aufgefallen – um es diplomatisch zu formulieren.
Wie wir unterwegs schon auf Schildern gesehen hatten, hatte die Straßensperre zwischen Isella und Ribellasca noch immer Bestand. Die Motive in der felsigen Schlucht oberhalb des Flusses vor Isella ließen sich aber noch erreichen und von der großen Straßenbrücke sollte es sich mit ohne Verkehr sogar deutlich entspannter fotografieren lassen. Für Mittag war das also unser Ziel, bevor wir am Nachmittag schauen wollten, ob man angesichts des Fahrzeugmangels nicht doch einen der ABe 6/6 für den Regio Re – Domodossola aktiviert. Bis die Motive in der Schlucht im Licht wären, blieben noch rund zwei Stunden Zeit, sodass wir mal in Re schauten, ob mit der Wallfahrtskirche etwas ginge. Allerdings musste ich feststellen, dass das im Mai deutlich besser war ohne Laub. Jetzt mit Blattwerk an Büschen und Bäumen war von den Triebwagen kaum etwas zu erkennen, sodass das Bild vom Gegenhang keinen Sinn machen würde. Die Ergebnisse der Alternativen waren dann auch eher so mäßig, aber es war ein netter kleiner Spaziergang hier im lauschigen Tal. Das einzige Café, dass im Mai geöffnet hatte, war nun ebenfalls geschlossen, sodass auch der Versuch an ein koffeinhaltiges Heißgetränk zu kommen, kläglich scheiterte. Das ganze Re wirkt schon immer ein bisschen wie ein Geisterort mit der überdimensionierten Kirche, dem leeren Großparkplatz und den geschlossenen Hotelkomplexen. Ein wenig fragt man sich immer, wie es sich für einen Ort lohnen kann, wenn nur wenige Male im Jahr richtig was los ist und die restliche Zeit komplett tote Hose…
Auf dem Weg nach Re fingen wir noch den uns folgenden Internationalen der Italiener ab. Erstmals schickten die Italiener heute keinen der betagten ABe 8/8 ins Rennen, sondern den ABe 4/6 62. Mit wenigen Minuten Verspätung rauscht der Zug die Rennstrecke zwischen Malesco und Re entlang.
Der nächste Internationale aus der Schweiz bringt ABe 4/8 45 nach Re. Auch für diese Fahrzeuge dürfte es mit der Neubeschaffung wohl eng werden, immerhin sind seit der Modernisierung und Verlängerung auch schon wieder über zehn Jahre ins Land gestrichen und die Fahrzeuge bieten keinen barrierefreien Einstieg. Warum man einen solchen beim Umbau 2011 nicht im neuen Mittelteil realisiert hat, erschließt sich mir nicht so recht. Die dynamische Lackierung der Fahrzeuge lässt zwar auf den ersten Blick niederflurige Einstiege vermuten, tatsächlich befindet sich direkt hinter den Türen aber noch eine einfache Stufe in den abgesenkten Fahrzeugbereich zwischen den beiden Türen. Eine Konstruktion die durchaus Fragen aufwirft… Für Kinderwagen und auch Rollatoren dürfte die Stufe in den meisten Fällen wohl kein größeres Hindernis darstellen, für Rollstühle kann es aber durchaus eine kaum überwindbare Hürde werden und erfüllt somit nicht das Schweizer Behindertengleichstellungsgesetz. Mal schauen, ob die ABe 4/8 damit in den kommenden Jahren ausgemustert, in Reserve-Dienste verschoben oder gar an die SSIF abgegeben werden.
Zur grünen Jahreszeit ist die Strecke unterhalb der Wallfahrtskirche von Re vollkommen verbuscht. Da lässt sich nicht viel machen…
Einzig an der kleinen Brücke unterhalb der Kirche geht es mit einem abgehackten Fahrzeugkopf. ABe 4/8 46 kommt von seiner morgendlichen Runde aus Domodossola zurück.
Wir gondelten mal weiter zum spektakulären Felsabschnitt am Melezzo Orientale bei Isella-Olgia, wo das Hochwasser 1978 beträchtliche Schäden hinterlassen hatte und für einen rund zweijährigen Unterbruch der Strecke gesorgt hatte. So ganz passend stand das Licht dann doch noch nicht für den nächsten Zug nach Domodossola, aber wie wir so auf die große Straßenbrücke liefen, tönte es plötzlich von der Schiene aus der Gegenrichtung und was Blaues schob sich auf die Brücke. Der Ticino kam von seinem Auslfug nach Locarno zurück. Den hatten wir aber mal komplett verpeilt. Oder auch nicht, denn der sollte schon vor zehn Minuten in Re gewesen sein und folglich wäre der hier schon vor zwanzig Minuten durchgekommen. Ein kleiner Spurt und das Bild klappte noch wunderbar, auch wenn das Licht natürlich trotzdem nicht optimal stand. Aber hier, im nur von internationalen Kursen befahrenen Abschnitt noch einmal einen ABe 8/8 zu erwischen – da will man sich nicht beschweren. Für den Zug in Gegenrichtung ging es dann hinab ins Flussbett, um was mit der Brücke zu versuchen.
ABe 8/8 22 “Ticino” kommt aus Locarno zurück und passiert den spektakulären Streckenabschnitt hinter dem aufgelassenen Haltepunkt Isella-Olgia.
Wir wechseln in die Froschperspektive für den ABe 4/8 48 rund 40 Minuten später in Gegenrichtung.
Geradeso geht das verlängerte Fahrzeug in die kurze Lücke auf dem Viadukt über den Melezzo Orientale.
An der Rampe zwischen Masera und Trontano hatte ich noch das ein oder andere auf dem Zettel. Besonders bei der gehäuften ABe 8/8-Dichte reizte es jetzt natürlich nochmal, die teils nicht ganz einfachen, aber so charakteristischen Motive an dieser Rampe anzulaufen. Unterwegs stellten wir uns noch an der Fotowiese hinter dem Haltepunkt Gagnone-Orcesco für einen entgegenkommenden Internationalen.
Elegant rauscht der ABe 4/8 45 auf dem Weg nach Locarno durch den sanften Bogen an der Fotowiese hinter dem Bahnhof Gagnone-Orcesco.
Drei Motive hatte ich oberhalb Masera auf dem Zettel. Einmal direkt die Ausfahrtskurve endlich mal mit richtigem Sonnenschein, dann den Torre de Creggio, den ich mit ABe 8/8 umsetzen wollte und zu guter Letzt einen schönen Durchblick unterhalb des Turms, den ich im Mai entdeckt hatte, aber von der Sonne im Stich gelassen wurde. Gleich für das erste Motiv kam schon wieder der Ticino aus Domodossola zurück – das lief ja perfekt heute. Am Torre de Creggio wurde es dann aber bisschen schwierig, denn hier war es in den paar Monaten seit dem Besuch im Mai komplett zugewuchert. Da ging nichts mehr, weder der Blick von der Straße nach Creggio, noch die Aufnahme direkt am Turm. Also gleich das kurze Stück weiter runter zu Füßen des Turms, wo sich ein schöner Durchblick ins Tal ergibt. Wir wartete hier wieder maximal gemütlich mit Blick ins Tal und als Beschäftigung konnten einige Maronen herhalten. Den Durchblick hier kann man etwas variieren in der Standhöhe, sodass sich auch gut zwei Züge verarzten ließen. Wie erwartet kam auf dem nachmittäglichen Regio mit Abfahrt 14:25 ab Domodossola dann erneut ein ABe 8/8. Dieser Kurs wurde auch schon vor der vorübergehenden Stilllegung der Panoramicos sehr zuverlässig mit ABe 8/8 gefahren. Es war dann auch gleich der dritte im Bunde, ABe 8/8 23 “Ossola”. Das war ja mal genial, denn der fehlte mir noch vernünftig. Alle drei ABe 8/8 an einem Tag im Einsatz – das hatte ich auch noch nicht erlebt.
ABe 8/8 22 “Ticino” darf nun schon das zweite Mal an diesem Tag Richtung Schweiz aufbrechen und verlässt hier gerade in der Fotokurve von Masera den Bahnhof hinauf nach Creggio und Trontano. Zur grünen Jahreszeit geht es hier ohne über Kopf gehaltenes Klappdisplay auch nicht mehr. Da muss dringend mal wieder die Heckenschere angesetzt werden.
Von Creggio aus stiefelten wir Richtung Turm. Da dort alles hüfthoch zugewuchert war, ging es gleich ein Stück weiter hinab zu Füßen des Torre de Creggio, dessen Felsfundament hier den rechten Bildabschluss bildet. ABe 4/6 62 rollt hinab Richtung Masera. Erstaunlich, dass wir von den vier ABe 4/6 der Italiener heute nur einen einzigen im Einsatz sahen, während die ABe 8/8 allesamt unterwegs waren. Scheinbar ist die Verfügbarkeit bei den ABe 4/6 auch nicht mehr so gegeben, denn so eine seltsame Fahrzeugdisposition, würde ich dann ohne Grund auch der SSIF nicht zutrauen.
Nach Kreuzung in Masera kommt der frühnachmittägliche Regio nach Re entgegen. Wie bislang bei allen Besuchen in den letzten Jahren, wird dieser zuverlässig mit ABe 8/8 geführt. Heute darf zu meiner Freude der ABe 8/8 23 “Ossola” diese Runde nach Re und zurück drehen.
Wir hatten nun noch etwas zu überprüfen: In den letzten Jahren war der frühnachmittägliche Regio, den wir eben aufgenommen hatten, immer direkt mit dem gleichen Fahrzeug und Kurzwende in Re zurückgefahren. Folglich drehte dort immer ein in Domodossola stationierter ABe 8/8 die komplette Regio-Runde Domodossola – Re – Domodossola. Im aktuellen Fahrplan hatte sich aber etwas geändert, sodass der nun erst um 14:25 statt 14:04 in Domodossola rausging und folglich mit Ankunft in Re um 15:20 die um 15:06 in Re startende Rückfahrt nicht bedienen konnte. Eine sehr seltsame Fahrplanumstellung, denn so musste man in Re ein weiteres Fahrzeug ins Rennen schicken. Da lag nun natürlich die Vermutung nahe, dass dort oben in Re noch einmal einer der ABe 6/6 aus dem Schuppen geholt wurde, denn zwei von denen und meist ein ABe 4/6 sind in der Regel dort oben in Re stationiert. Diese seltsame Fahrplanlage wurde übrigens zum Fahrplanwechsel am 10. Dezember 2023 wieder zurückgedreht, sodass nun wieder alles beim Alten sein sollte und der Regio aus Domodossola auch die Rückleistung aus Re wieder bedienen kann. Für uns roch das Ganze nun aber sehr nach einer zusätzlichen Fahrt für einen ABe 6/6, sodass wir diesem wieder den Berg hinauf entgegenfuhren. Kaum vermeiden ließ sich dabei, dass wir trotz Rückweg zum Auto den eben aufgenommenen ABe 8/8 bis Druogno wieder überholt hatten. Wir stellten uns an der Wiese neben dem Fußballplatz und wechselten anschließend wiedermal an die Fotokurve vor dem Bahnhof Gagnone-Orcesco.
Wir haben den Regio mit ABe 8/8 23 wieder überholt und erwarten ihn an der Ortsausfahrt Druogno Richtung Re.
Unser genauer Blick auf den Fahrplan hatte sich ausgezahlt und unsere Spekulation auf einen ABe 6/6 als Region nach Domodossola voll ins Schwarze getroffen. Der erneute Abstecher in das Hochtal hatte sich damit gelohnt und die Freude war groß, als ABe 6/6 34 am Nachmittag zu einem erneuten Einsatz kam und vor Gagnone-Orcesco durch den sanften Bogen an der Fotowiese rollte.
Keine große Eile war nachfolgend nötig, um den ABe 6/6 in Masera erneut am Bahnhof in Empfang zu nehmen. Stattdessen warteten wir sogar noch einige Minuten in der angenehmen Nachmittagssonne am Bahnhof und lauschten, wie der Triebwagen langsam die drei Kehren von Trontano herunterquietschte.
ABe 6/6 34 ist durch die drei Kehren unterhalb Trontano und bei Creggio gequietscht und muss nur noch die letzte Kehre in Masera nehmen, bis er bei uns unten im Bahnhof angekommen ist.
Wenig später hält der Regio Re-Domodossola im feinsten Nachmittagslicht im Bahnhof von Masera. Eine Kreuzung steht hier nicht an, sodass es schnell weitergeht.
Wie schon heute Morgen wurde der “Piemonte” auf Reise geschickt. Für mich war das perfekt, war es doch der letzte des ABe 6/6-Trios, der mir noch fehlte.
Jetzt war die Luft aber zwischenzeitlich ein wenig raus. Es hatte einfach alles besser geklappt, als man es sich überhaupt hätte wünschen können. Nur die Versorgungslage war über den Tag wie so oft an der Vigezzina bisschen mager gewesen. Auf einen Montag war man scheinbar noch einmal ein Stück unmotivierter, irgendetwas aufzusperren. So ein schönes Koffeinsüppchen wäre jetzt aber schon was Schönes. An der Hauptstraße neben dem Bahnhof sperrte man schnell zu als sich Kundschaft androhte. Wir warfen noch einen Blick auf die nahegelegene Fußgängerbrücke über den Fluss mit der Chiesa San Martino dahinter, die man auch immer aus der Fotokurve hinter dem Bahnhof sieht.
Blick über den fast trockenen Fluss hinüber zum Ortskern von Masera.
Die Fußgängerbrücke an der Chiesa San Martino ermöglicht einen recht kurzen Weg vom Ortskern zum auf der anderen Flussseite gelegenen Bahnhof von Masera.
Dann schauten wir mal mit dem Auto etwas weiter in den Ort. Neben einem (für immer?) geschlossenen Eiscafé und einem Feinkostladen, den ich um eine Tresterbrand als Mitbringsel erleichterte, fand sich an der Straße doch tatsächlich eines der typischen italienischen Straßencafés. Normalerweise braucht man die wirklich nicht gezielt suchen, aber etwas provinziell ist die ganze Gegend hier eben schon. Von Innen war das Café sogar richtig schön renoviert und eine freundliche Bedienung schmiss den Laden scheinbar im Alleingang. Wieder untypisch für Italien – wo waren die mindestens fünf Damen und Herren, die es in Rom braucht, um eine Siebträgermaschine am Laufen zu halten, das Produzierte auszuhändigen und abzukassieren?
Uns war’s egal 😀 Wir bekamen zwei Americano, ließen uns einige Minuten nieder und überlegten, was noch zu tun sei. Zumindest den Regio, der 16:26 in Domodossola startet, müsste man sich noch ansehen. Könnte ja sein, dass der ABe 6/6 noch zurück nach Re fährt. Dafür ging es dann wenig später noch einmal an die enge Strecke oberhalb Masera, die noch bis in die späten Nachmittagsstunden ungefährdet Sonne abbekommt. Nach einem internationalen ABe 4/6 von oben, sauste dann unten über die Gerade vor Masera schon der Regio in die Kreuzung. Es war der ABe 4/6 62, der heute auch schon paarmal umhergehuscht war. Den ABe 6/6 könnte man natürlich auch mit dem letzten Regio mit Abfahrt 18:26 Uhr wieder zurück nach Re bringen, der würde aber definitiv im Dunkeln abgehen. Zum Abschluss ging es für die nächste Kreuzung in Masera noch an den Bahnübergang an der Rennstrecke zwischen Domodossola und Masera. Zwei Schweizer ABe 4/8 kamen durchgerauscht und wir schlossen mehr als zufrieden mit diesem Fototag an der Vigezzina ab.
ABe 4/6 62 darf den zweiten nachmittäglichen Regio aus Domodossola mit Abfahrt um 16:26 nach Re fahren und kurvt die steile und enge Strecke nach Trontano hinauf. Interessanterweise fährt man täglich vier Regios von Domodossola nach Re, umgkehrt aber nur deren drei in Gegenrichung. Auf Dauer muss also wahrscheinlich immer mal wieder ein Fahrzeug leer überführt werden aus Re.
Unten am Bahnübergang an der Geraden zwischen Domodossola und Masera fällt der Blick seitlich auf ABe 4/8 48. Die Strecke windet sich hinten am Hang den Berg hinauf. Gut zu erkennen natürlich der Torre de Creggio über dem Mittelteil des Triebwagens.
Zum Abschluss die gleiche Stelle mit dem in Masera gekreuzten ABe 4/8 45.
Es war zwar erst halb sechs, aber Hunger meldete sich doch an nach diesem Tag, an dem wir uns ausschließlich von Resten ernährt hatten, die sich im Auto so anfinden ließen. Nach über einer Woche Fahrt ist das glücklicherweise ja doch Einiges 😀 Wir fuhren daher das kurze Stück nach Domodossola hinüber, waren aber natürlich für ein Abendessen für italienische Verhältnisse fast schon kriminell früh. Am Bahnhofsvorplatz gönnten wir uns daher erstmal ein leckeres Gelato und beobachteten dabei das unterhaltsame Trieben der Wagenlenker auf dem Vorplatz. Der Fußgängerüberweg mit den Passanten aus dem Bahnhof brachte den Vorfahrtstrom immer wieder zum Stehen, sodass sich in diesen Momenten für die Einmündungen aus der Innenstadt und dem Bahnhofsvorplatz die Chance bot, schnell hineinzustechen. Wenn einer Fährt folgen aber natürlich alle anderen schnell, egal ob die Fußgänger den Vorfahrtsstrom noch blockieren. Dann noch Linksabbieger dazu und das lustige Chaos und Gedrängel ist komplett. Natürlich nicht zu vergleichen mit dem, was in Rom oder noch viel südlicher abgeht, aber wenn man gerade eine Woche durch die geordnete Schweiz gefahren ist, war es einfach nur erfrischend chaotisch 😀
Noch immer hatten wir fast eine halbe Stunde totzuschlagen, sodass wir einen kleinen Stadtbummel durch Domodossola unternahmen. Hier tobte schon wieder das Leben in der leicht pittoresken Kulisse der teilweise etwas abblätternden Fassaden. Einfach norditalienische Kleinstadtidylle pur.
Auf der Piazza del Mercato tobt am frühen Abend das Leben: Kinder spielen auf der Straße, Anwohner beobachten am offenen Fenster das Treiben und palavern mit darunter in Cafés sitzenden Bekannten.
Die Piazza del Mercato kann sich durchaus sehen lassen im typischen norditalienischen Stil. Die teilweise etwas blätternden Fassaden zwischendrin machen den besonderen Charme aus, würde der Reiseführer behaupten 😉
Nirgendwo entstehen wirkliche “Wow-Momente” aber man kann gemütlich durch das Labyrinth aus Gassen schlendern und hier und da interessante Details entdecken, wie diese heillos mit Blumenschmuck überladenen Balkone…
…oder diesen prächtigen Eingang in eine der zahlreichen Gelaterias. Aber was hat die Freiheitsstatur hier verloren?
Wir ließen unserem Stammlokal noch fünf Minuten Zeit nach der offiziellen Öffnung und warteten, bis wenigstens zwei weitere Gäste vor uns reingingen. Man will ja nicht komplett unangenehm als Deutscher auffallen 😀
Dann gab es wieder lecker Salat und Pizza und der Mitreisende gönnte sich zur Feier der zweiten und letzten anständigen Mahlzeit auf dieser Reise noch einen Wein dazu. War wieder alles top und so schlenderten wir noch auf ein Bild zur blauen Stunde am Rathaus vorbei und liefen dann durch den SSIF-Bahnhof quer unter der Regelspur hindurch Richtung Auto. Kaum im Bahnhof, senkten sich am Bahnübergang vor der Tunneleinfahrt auch schon die Schranken und ein Zug fuhr ein. Große Überraschung: Es war ein Panoramico! Genauer ein Kurzzug aus Be 4/4 84 und ABe 4/4 81. Wohl die beiden ersten Fahrzeuge, die testweise wieder eingesetzt werden durften. Man wusste nicht ganz ob man froh oder traurig sein sollte, den heute nicht erwischt zu haben. Einerseits hätte man natürlich auf keinen ABe 6/6 oder ABe 8/8 verzichten wollen, andererseits hatte ich einen Panoramico ohne Mittelwagen auch noch nie erwischt und noch dazu war es der seit diesem Jahr bunt beklebte Zug. Zudem muss der eh den internationalen Kurs gefahren sein, den wir nicht fotografiert hatten, denn der konnte einzig während unserer Kaffeepause in Masera mit Abfahrt 15:26 in Domodossola durchgehuscht sein. Wenn er nicht den ganzen Tag in Locarno herumgestanden hatte, was bei der Dispo der SSIF auch nicht ganz auszuschließen wäre. Zurück fuhr er jedenfalls den 17:50 ab Locarno und kam nun auf die Minute pünktlich um 19:40 in Domodossola an.
Am Rathaus vorbei schlendern wir zurück zum Auto.
Und durchqueren wenig später den im rechten Winkel unter dem Regelspurbahnhof gelegenen Schmalspurbahnhof, wo wir von dem Kurzzug aus Be 4/4 84 und Abe 4/4 81 überrascht werden. Nachdem die Fahrgäste ausgestiegen sind, geht es direkt hinüber in die Abstellung am alten SSIF-Bahnhof und der Hauptwerkstätte.
Ein mehr als gelungener Abstecher nach Italien war das heute. Zurück in unserem Apartment oberhalb Masera im kleinen Dorf Brencio wurde gleich noch schnell gesichert und gesichtet und noch mal ein Kaffee genehmigt.
Unser letztes Ziel dieser Reise ist nun noch der Jura. Morgen wäre daher eher wie gestern wieder ein gemischter Transfertag. Irgendwas an den Aigle-Bahnen ließe sich sicher anstellen und dann hatte der Mitreisende noch mitbekommen, dass auf der tpf am Nachmittag derzeit zuverlässig und wohl nicht mehr lang die BDe 4/4-Komposition als HVZ-Verstärker läuft. Es ließe sich also schon noch ein schönes Programm zusammenstellen für morgen und dann stehen bei mir für die letzten drei Tage noch die YSC und die CJ auf dem Programm. Ja, dass Ende dieser bislang unfassbar genialen Tour ist nun leider doch langsam absehbar. So richtig überdrüssig ist man den Schmalspurbahnen aber irgendwie auch nach mittlerweile zehn Tagen nicht geworden 😀