Eine Reise mit den Harzer Schmalspurbahnen – 6.3 Bahnhof und Schleife Stiege

Portrait des größten deutschen Schmalspurnetzes nach der Wende


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Teil 6 – Von Alexisbad nach Stiege, Hasselfelde und Eisfelder Talmühle


Der sechste Teil unserer Harzreise führt uns an die weitere Strecke der heutigen Selketalbahn von Alexisbad über Straßberg und Güntersberge nach Stiege und von dort weiter nach Hasselfelde und auf die Verbindungsstrecke zur Eisfelder Talmühle. Für eine größere Ansicht der Karte mit der rechten Maustaste auf die Karte klicken und “Grafik anzeigen” auswählen.

Im sechsten Teil der großen Harzreise begeben wir uns erneut an den heutigen Betriebsteil der Selketalbahn. Wie auch auf der Harzquerbahn, herrscht hier an manch einem Ort weit abseits der Brockenstrecke, noch eine Schmalspurromantik, wie aus vergangenen Tagen. Wunderschöne Bahnhofsgebäude, teils mustergültig restauriert, teils dem Verfall überlassen, bieten Bahnhofsmotive, wie sie sonst kaum noch in Deutschland zu finden sind. Zwischen den zahlreichen Bahnhöfen und Haltepunkten geht es zunächst entlang der Selke in engen Kurven durch dichten Mischwald, später bei Stiege auf dem Weg zur Harzquerbahn wandelt sich das Bild hin zu kahler und schroffer Hochebene. Neben der Landschaftsvielfalt und den Bahnhöfen aus vergangenen Zeiten, machte auch der vom restlichen Schmalspurnetz abweichenden Fahrzeugeinsatz den Reiz des Betriebsteils “Selketalbahn” aus. Lange Jahre standen hier die Einzelgänger 99 6001 und 99 5906 im Zweizugbetrieb nebeneinander im Einsatz und wurden durch die drei Inselbahntriebwagen ergänzt. Seit der Kürzung des zweiten Dampfzuges im Jahr 2016, ist diese Vielfalt leider ein Stück weit vorbei und beim Ausfall der 99 6001 kommt immer häufiger eine Einheitslok in den Selketalumlauf. Dennoch ist ein Besuch der Strecken zwischen Quedlinburg, Harzgerode, Hasselfelde und Eisfelder Talmühle immer lohnenswert und bietet eine unvergleichliche Entschleunigung im verschlafenen Selketal.


6.3 Bahnhof und Schleife Stiege

Aus dem Selketal kommend erreichen wir auf der Hochebene von Stiege den Bahnhof des heute nur noch rund 1000 Einwohner zählenden Ortes. Betrieblich ist der Bahnhof Stiege als Treffpunkt der Strecke aus dem Selketal, aus Hasselfelde und der Verbindungsstrecke aus Eisfelder Talmühle aber durchaus bedeutend. Um die Entstehung der weithin bekannten Wendeschleife zu erklären, lohnt sich ein kurzer Blick in die Geschichte des Bahnhofes: Eröffnet wurde der Bahnhof mit dem Erreichen der GHE-Strecke aus Güntersberge im Jahr 1891. Schon im Jahr 1892 folgte die Verlängerung bis Hasselfelde. Erst 1905 wurde schließlich mit der Verbindungsstrecke über Birkenmoor nach Eisfelder Talmühle der Lückenschluss zur NWE geschaffen und Stiege damit zum Verknüpfungspunkt. Mit dem Abbau weiter Teile der Selketalbahn als Reparationsleistung nach dem 2. Weltkrieg verlor der Bahnhof Stiege seine Verbindung zur ehemaligen GHE Richtung Gernrode, da der untere Teil der Selketalbahn lediglich bis Straßberg wiederaufgebaut wurde. Für den Kohletransport aus Richtung Nordhausen ins Selketal wurde schließlich erst in den Jahren 1982 bis 1983 auch die Strecke zwischen Stiege und Straßberg wiederaufgebaut. Um mit den täglichen Kohlezügen von der Harzquerbahn in Stiege nicht umsetzen zu müssen, wurde am Westende des Bahnhofes die weithin bekannte Wendeschleife errichtet.
Der Bahnhof Stiege wird heute aus einer interessanten Mischung aus Rückfall- und Handweichen betrieben und bietet daher immer wieder teils umständliche Fahrmanöver der verschiedenen Leistungen. Planmäßig die Wendeschleife derzeit nur von einzelnen Triebwagenleistungen befahren, wobei es hier vom Fahrpersonal abhängig ist, ob die Schleife genutzt oder der Führerstand gewechselt wird. Der tägliche Dampfzug nutzt die Schleife derzeit nicht, da er auf der Hinfahrt über Hasselfelde geführt wird und bei nur einmaligem Befahren auf der Rückfahrt ansonsten die Lok gedreht in Gernrode ankommen würde.
Durchschreiten wir den interessanten Bahnhof von Stiege im Folgenden einmal von der östlichen Einfahrt mit den aus Güntersberge und Eisfelder Talmühle kommenden Strecken Richtung Westseite mit der Wendeschleife und der Ausfahrt Richtung Hasselfelde.


Vor dem eigentlichen Personenbahnhof befindet sich aus Güntersberge kommend ein Nebengleis, das wohl für den Güterverkehr zum Sägewerk genutzt wurde. Am 17. Januar 1991 steht 99 7240-7 aus heute unbekanntem Grund an diesem Ausweichgleis.


Das andere Ende des Gleises ist am 26. Januar 2013 links neben 99 7245-6 zu sehen, die den Bahnhof Stiege auf dem Streckengleis aus Richtung Güntersberge erreicht. An diesem Vormittag führt die Maschine den Quedlinburg-Brocken-Express, der als Sonderfahrt mehrmals im Jahr bis zu sechs Wagen starke Personenzüge auch auf die Selketalbahn bringt.


Auf dem Streckengleis aus Eisfelder Talmühle rollt wenig später der Prototyp 187 015-3 in den Bahnhof Stiege.


An gleicher Stelle, diesmal aus der anderen Richtung gesehen, rollt am 30. Mai 1992 der T1 auf Sonderfahrt in den Bahnhof. Der Bahnhof Stiege liegt in einer kleinen Senke, sodass es an allen drei Ausfahrten zunächst bergauf geht, bis kurz darauf jeweils der lokale Scheitelpunkt erreicht ist und es sowohl nach Eisfelder Talmühle, als auch nach Hasselfelde und Güntersberge nurmehr bergab geht.


Wir drehen uns wieder in Richtung der östlichen Bahnhofseinfahrt und sehen am 11. Februar 2012 99 7235-7 mit dem planmäßigen Dampfzug in den Bahnhof einfahren. Gut zu erkennen, dass die beiden Einfahrtsweichen Rückfallweichen sind. Lediglich die am unteren linken Bildrand zum mittleren Bahnsteiggleis gehörende Weiche wird per Hand bedient, sodass Züge aus dem Mittelgleis aus Hasselfelde sowohl nach Eisfelder Talmühle, als auch Richtung Selketal ausfahren können. Züge aus Eisfelder Talmühle werde automatisch ins äußere Gleis geleitet, welches im Bahnhof das mittlere Gleis kreuzt und so die Einfahrt in die vom Bahnsteiggleis abzweigende Wendeschleife ermöglicht.


Noch einmal sehen wir hier die Gleisgeometrie der östlichen Einfahrt mit 99 7240-7 am 7. Januar 1991: Aus Eisfelder Talmühle ist das Mittelgleis und das äußere Gleis erreichbar, aus Güntersberge das Mittelgleis und der Hausbahnsteig, auf dem der Zug aus Gernrode gerade einfährt. Der heute üppige Wald rings um die verzweigenden Strecken, ist damals noch in seinem frühesten Stadium.


Der Quedlinburg-Brocken-Express hat am 26. Januar 2013 die Wendeschleife durchfahren und vom Mittelgleis aus den Weg nach Eisfelder Talmühle gewählt, um auf der Harzquerbahn weiter nach Drei Annen Hohne und auf den Brocken zu gelangen.


Die gleiche Stelle über die karge Hochebene gesehen am 3. Januar 2019 mit dem Halberstädter 187 018-7 aus Eisfelder Talmühle kommend. Nach einem Abstecher nach Hasselfelde wird der Triebwagen an diesem Nachmittag erneut Stiege passieren und weiter nach Harzgerode fahren.


Die gleiche Szene am späten Nachmittag des 13. September 2020 mit 99 6001 bei ihrer Rückkehr aus Eisfelder Talmühle. Da der Zug auf der Hinfahrt über Hasselfelde geführt wird, kann auch auf der Rückfahrt die Schleife nicht durchfahren werden. Die Lok würde ansonsten verkehrt herum in Gernrode ankommen. 99 6001 wird daher im Bahnhof von Stiege für die Weiterfahrt nach Gernrode, wie später zu sehen, recht umständlich umsetzen müssen.


Wir wagen uns weiter vor zum Bahnhofsgebäude. Dort lässt am Vormittag des 12. Oktober 2019 der aus dem Selketal kommende 187 011-2 einige Fahrgäste zusteigen, bevor es für die Weiterfahrt nach Eisfelder Talmühle durch die Wendeschleife geht. Nach der Schleifenfahrt wird das Fischstäbchen durch die Rückfallweiche an der westlichen Einfahrt den Bahnhof automatisch auf dem Mittelgleis durchfahren und nach Eisfelder Talmühle ausfahren.


Die Sonderfahrten zum 125-jährigen Jubiläum am 19. Mai 2012 verschafften auch dem planmäßigen Dampfzug aus dem Selketal ungeahnte Fahrgastzahlen. So ist der Mittelbahnsteig während des kurzen Aufenthaltes von 99 7237-3 gut gefüllt mit Fotografen und Schaulustigen. Im Mittelgleis wartet derweil der T1 als Sonderfahrt.


An normalen Tagen, wie dem 13. September 2020, geht es derweil deutlich beschaulicher zu im Bahnhof von Stiege. Die auf einer vorherigen Aufnahme gerade aus Eisfelder Talmühle eingefahrene 99 6001 muss ein recht kompliziertes Manöver vollziehen, um ohne Durchfahren der Schleife nach Gernrode weiterfahren zu können: Nach der Einfahrt auf dem äußeren Gleis, dass anschließend am rechten Bildrand das Mittelgleis kreuzt, musste die Lok den Zug über die Rückfallweiche an den Hausbahnsteig zurückdrücken, um anschließend über das Mittelgleis umsetzen zu können. So vergehen von Einfahrt aus Eisfelder Talmühle bis zur Ausfahrt ins Selketal gern einmal über zehn Minuten.


Im letzten Akt des umständlichen Richtungswechsels in Stiege setzt 99 6001 über das Mittelgleis für die Weiterfahrt nach Gernrode um.


Wesentlich einfacher haben es da die Triebwagen, egal ob sie die Schleife durchfahren oder nur die Richtung wechseln. 187 013-8 wählt von Eisfelder Talmühle kommend am 11. Februar 2012 den klassischen Weg und schneidet an der Bahnhofsausfahrt Richtung Hasselfelde gleich die Rückfallweiche auf, um anschließend nach Führerstandswechsel über das mittlere Bahnhofsgleis Richtung Selketal auszufahren.


Wenig später fährt 187 013-8 vom Streckengleis aus Hasselfelde über die Rückfallweiche auf das Mittelgleis und weiter Richtung Selketal. Von links kommt das Gleis der Wendeschleife, die hier immer gegen den Uhrzeigersinn durchfahren wird.


Das eigentliche Highlight des auch so schon schmucken Bahnhofes sind aber die Fahrten durch die Wendeschleife. Eine in Deutschland, abgesehen von einigen nach EBO betriebenen Stadtbahnen, im Eisenbahnbereich einmalige Konstruktion. Am 3. Januar 2019 gönnt sich der am Vormittag aus dem Selketal kommende 187 011-2 den Spaß und durchfährt für die Weiterfahrt nach Eisfelder Talmühle die Wendeschleife auf der Westseite des Bahnhofes.


Wenig später taucht der 187 011-2 am anderen Ende der Schleife wieder aus dem Gebüsch auf. Die Schleife ist in den über 40 Jahren ihrer Existenz doch gut zugewuchert, sodass ein Gesamtüberblick kaum mehr möglich ist.


187 013-8 ist am 12. Oktober 2019 aus Hasselfelde gekommen und befindet sich auf dem kurzen Stück zwischen dem Einzweigen der Schleife und der Bahnhofseinfahrt an den Mittel- und den Hausbahnsteig. Über die Rückfallweiche wird das Fischstäbchen automatisch auf das Mittelgleis geleitet und kann sich dann auf der Ostseite des Bahnhofes an der handgestellten Weiche für die Weiterfahrt zur Eisfelder Talmühle oder ins Selketal entscheiden.


Am 19. Februar 2020 verschlug es das Harzkamel 199 861-6 wiedermal mit einem Triebwagenersatz aus Nordhausen ins Selketal. Aus Eisfelder Talmühle kommend, erfüllt die Nutzung der Schleife für diesen lokbespannten Zug dann sogar einmal wieder den ursprünglich angedachten Zweck, für die Weiterfahrt ins Selketal nicht umsetzen zu müssen.


Wenig später taucht der Zug wieder aus der Schleife aus, in deren Mitte sich inzwischen ein veritables Wäldchen entwickelt hat.


Als der zweite Dampfzugumlauf von Donnerstag bis Samstag noch existierte, wurde die Schleife auch noch planmäßig von Dampfzügen durchfahren, da von diesem sowohl auf dem Hin-, als auch auf dem Rückweg der Abstecher nach Hasselfelde ausgelassen wurde. So dampfte am Vormittag des 12. Juni 2011 die Mallet 99 5906 durch die Wendeschleife von Stiege, deren Gelenkbauweise in dem engen Kurvenradius besonders gut zur Geltung kommt.


Der derzeit einzige planmäßige Dampfzug macht derweil auf der Hinfahrt nach Eisfelder Talmühle einen Abstecher nach Hasselfelde, wodurch die Nutzung der Schleife, wie schon beschrieben, auch auf der Rückfahrt nicht möglich ist. Am 12. September 2020 kehrt 99 6001 von ihrem Abstecher nach Hasselfelde zurück und wird nach kurzem Halt weiter nach Eisfelder Talmühle fahren.


Bevor die Neubautriebwagen Ende der 90er-Jahre in Betrieb genommen wurden, mussten vereinzelte Dieselleistungen noch fahrplanmäßig von Harzkamelen abgewickelt werden. So erreicht 199 892-1 am 7. April 1997 den Bahnhof Steige aus Hasselfelde kommend. Der Bewuchs ist rund 20 Jahre vor der vorherigen Aufnahme an der Schleife doch noch deutlich dezenter.


In Gegenrichtung verlässt am 20. Juli 1990 99 7233-2 den Bahnhof Stiege Richtung Hasselfelde. Dorthin werden auch wir uns im nächsten Teil der Serie aufmachen.

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