Finnland & Estland 22 I: Auf Valmet-Jagd in Helsinki

Über den Monatswechsel August/September ging es für mich in diesem Jahr erstmals nach Finnland und Estland. Ziel waren die drei Straßenbahnbetriebe der beiden Länder in Helsinki, Tampere und Tallinn. Der größte Fokus sollte dabei mit über drei Tagen auf dem abwechslungsreichen Netz der finnischen Hauptstadt liegen, aber auch die KT4D in Tallinn und der brandneue Betrieb von Tampere sollten nicht zu kurz kommen.


Prolog

Der große Bogen vom Baltikum hinauf bis Skandinavien war auf meiner Landkarte viel zu lang ein großer weißer Bereich. Je weiter nach Norden, desto mehr hängt das natürlich auch immer mit den dort besonders in den Städten aufgerufenen Preisen zusammen. Das Baltikum wiederum war gedanklich irgendwie immer etwas übergangen worden. Um nicht auch noch die letzten Altwagen der dortigen Betriebe zu verpassen, rückte die Ziele dann immer weiter nach oben auf der Liste. Nach Schweden 2018, ging es dann aber auch bedingt durch Corona erst im vergangenen Jahr mit den drei Betrieben von Lettland weiter. In diesem Jahr wollte ich dann an diesem Projekt weiterarbeiten. Als Ziele kamen dabei am ehesten Norwegen, oder Finnland und Estland in Betracht. Die Wahl fiel am Ende auf letzteres für dieses Jahr. Über den Monatswechsel August/September wollte ich mir gut eine Woche Zeit für Helsinki, Tampere und Tallinn nehmen. Helsinki wollte ich eigentlich aufgrund der guten Bahnverbindung immer mal mit St. Petersburg verbinden. Dies hatte die vergangenen Jahre zunächst Corona erfolgreich verhindert, mit Februar diesen Jahres fiel das Ziel dann bekanntermaßen noch nachhaltiger von der Karte. Helsinki war aber schon lange ein Wunschziel, sodass es nun eben auf diese Weise angegangen werden sollte. Der Gedanke der Anreise per Schiff wurde mit Blick auf die über eintägige Dauer der Fahrt schnell verworfen – so spannend ist es dann auch nicht auf so einem Kahn. Einen Flug mit Umstieg wollte ich nach Möglichkeit genauso wie die Lufthansa meiden. Beides schien mir aufgrund der Probleme diesen Sommer sowohl am Boden, als auch bei der inzwischen alles von ihrem einstigen Glanz verlorenen deutschen Airline, nicht besonders ratsam. Vom BER operiert aber die Finnair täglich nach Helsinki. Einen Direktflug nach Tallinn gibt es vom BER wiederum nicht. Also würde ich die Schiffsfahrt über den Finnischen Meerbusen gleich zweimal mitnehmen und auch von Helsinki zurückfliegen.
Für Helsinki buchte ich schon zwei Monate im Voraus vier Nächte im Holiday Inn, wo es bei so langer Aufenthaltsdauer und so viel Vorlauf ein sehr attraktives Angebot für unter 100€ pro Nacht mit Frühstück abzustauben gab. So würde es dann als Tagesausflug von Helsinki einen Tag nach Tampere hoch gehen. Da das Holiday Inn an der Messe praktisch direkt am Pasilan Asema liegt, ist es auch sehr praktisch zur IC-Verbindung nach Tampere gelegen.
Auch Tallinn ist nicht (mehr) wirklich ein günstiger Geheimtipp, sodass ich auch dort wenige Wochen vor Reisebeginn schon drei Nächte in einem Hotel am Fährhafen buchte, auch wenn mir das später etwas auf die Füße fiel – stay tuned. Mit Flug und Hotels war dann aber auch alles erledigt, was es im Vorhinein zu buchen galt, um die Kosten gerade in Helsinki nicht explodieren zu lassen. Alles Weitere würde dann spontan unterwegs geregelt…


Samstag, 27. August 2021: Anreise und ein erster Abend in Helsinki

Die Flugzeiten sollten bei dieser Reise wirklich sehr human sein: Abflug am BER wäre heute um 13:15 Uhr, sodass es selbst mit sehr konservativ gerechneten, knapp drei Stunden Vorlauf am Flughafen, erst um acht losgehen musste. Die Wahl war wiedermal zu Gunsten des Autos entschieden worden. Der Parkplatz am BER kostete online gerade einmal 70€, da brauchte ich mir den Stress mit der Bahn nun wirklich nicht zu geben – eine potenzielle Problemquelle weniger an diesem Morgen – wer weiß, was am BER noch wartet. Zumal ich für den Samstagabend der Rückkehr auch noch eine Einladung bekommen hatte, die mit dem Zug nun wirklich nicht mehr zu erreichen gewesen wäre.

Wie entspannt das ist, praktisch mit dem Auto ins Terminal zu fahren, hatte ich schon letztes Jahr am Fraport erlebt und auch heute war es wieder vollkommen problemlos gewesen, die Autobahnen am Samstagmorgen auch nicht wirklich gut besucht. So war der eine(!) Finnair-Schalter nicht einmal geöffnet, als ich an der Gepäckaufgabe ankam. Ganz vorn in der Schlange stand dann eine etwas seltsame Kleinfamilie mit scheinbar europäisch-stämmigem Mann, asiatischer Frau und dunkelhäutigem kleinen Jungen. Es dauerte über eine halbe Stunde, bis die drei mit einem Wust an Papieren, unzähligen Telefonaten aller Beteiligter und einer weiteren Servicekraft, endlich ihre Boarding-Karten erhielten. In der Schlange der restlichen A320-Gäste machte sich merklich Unmut breit, wie man denn so verplant am Check-In-Schalter auftauchen kann und hunderte andere Reisende hinter sich aufhalten. Nicht das der Flieger dann einfach leer losgeflogen wäre, aber einmal verspätet, ist es dann so eine Sache mit den Slots. Für einen zweiten Schalter fehlte derweil scheinbar das Personal. Mir war es eigentlich egal, ob ich nun hier, oder vorm Gate die Zeit abwarten würde, denn an der Sicherheit hatten sich noch keine bedrohlichen Schlangen gebildet. So reichte es noch immer locker für einen Kaffee und einen kleinen Snack im Sicherheitsbereich. Am Gate saß dann wieder der gleiche Typ, der eben schon am Schalter abgefertigt hatte. Wahnsinn, wie der so entspannt und freundlich geblieben war bei dem Drama mit der multikulturellen Kleinfamilie. Schon beim nächsten Fluggast schien das Ganze wieder vergessen und er war fröhlich wie eh und je 😀


Fast pünktlich sollte der A320 der Finnair vom BER abheben.

Der bis auf den letzten Platz ausgebuchten Maschine war das Ground-Handling dann aber nicht ganz gewachsen, sodass es mit 15min plus vom Gate wegging. Der Flug blieb unspektakulär und wie immer unangenehm, mit am Vordersitz anstoßenden Knien, wenn man den Rücken schon komplett in den Sitz presst. Frage mich immer, wer solche Sitzabstände eigentlich abnimmt. Mit 1,90 sollte man doch in einer Maschine sitzen können, ohne dass man sich im Fall von Zwischenfällen zwangsläufig die Kniescheiben zertrümmert?

In Helsinki Vantaa war die Verspätung schon fast wieder eingeholt. Das Gepäck kam quasi schon vom Band, als selbiges gerade erst zu Fuß erreicht war. Ich hatte ja mit allem gerechnet, bei dem was man diesen Sommer so gehört hatte vom Luftverkehr, aber bisher lief es sogar schneller als früher. Inzwischen waren aber auch an beiden Flughäfen die Ferien durch und zudem die ärgsten Personalengpässe am BER wohl überwunden. Dahingehend hatte ja vor allem die Fraport mit ihren Flughäfen für Negativschlagzeilen gesorgt.

Durch einen beeindruckenden Betonschacht ging es direkt hinunter in den Bahnhof des Schnellbahnsystems der finnischen Hauptstadt. Das zur Metropolregion der Hauptstadt gehörende Vantaa ist über einen großen Ring, der sich eine Station vor dem Hauptbahnhof von Helsinki schließt, an das Schnellbahnnetz angeschlossen. Die Linien L und K bedienen diesen Ring gegenläufig, sodass es am Flughafen Vantaa fast egal ist, in welche Linie man einsteigt. In Helsinki gibt es sogar noch ein breites Fahrkartenportfolio in physischer Form, sodass ich mir am Automaten gleich mal für 22 € eine Fünf-Tageskarte AB und für noch ein paar Euro einen Einzelfahrschein für die Fahrt aus dem in Zone C liegenden Vantaa zog. Mit “calling at all stations” braucht die Schnellbahn etwa eine halbe Stunde bis Helsinki. Am Ringschluss in Pasilan stieg ich aus und brachte erstmal die Sachen auf’s Hotel für die nächsten vier Nächte. Irgendwie schon entspannt, auf dieser Reise nur wenige Male umziehen zu müssen. Das krasse Gegenteil zu Rumänien im Frühjahr.

Mit deutlich über 20 Grad war es unerwartet warm in Helsinki und auch die Sonne strahlte vom Himmel. Es war nun zwar schon halb sechs, aber bisschen was könnte zum Einstieg doch noch gehen an diesem Abend. Also nicht lang verweilt, sondern gleich zur Tram, die direkt vor dem Hotel eine große Blockschleife um die seltsame Mischung aus Messe-, Bildung- und einfach leerstehender Komplexe macht. Hier schien gerade auch alles etwas im Umbruch. So war das zweite Richtungsgleis der Blockschleife herausgerissen und diese für die Linien 2, 7 und 9 nur noch in eine Richtung befahrbar. Überhaupt sollte es etwas dauern, sich im komplizierten und umfangreichen Straßenbahnnetz von Helsinki zurechtzufinden, aber ich sollte ja ausreichend Zeit dazu haben die nächsten Tage. Trotz Samstagabend stand auch direkt der Hauptgrund für den Besuch in Helsinki an der Abfahrtshaltestelle der Linie 2 vor dem Bahnhof Pasilan: Ein Valmet-Achtachser mit Niederflurmittelteil. Diese ur-finnischen Fahrzeuge wollte ich unbedingt noch einmal erleben, bevor eine weitere Serie Niederflurer irgendwann deren Ende einläuten wird. Das die auch am Samstag und damit wohl auch am fast fahrplangleichen Sonntag noch laufen, war natürlich gleich mal eine nette Feststellung.


Valmet Typ II 74 verlässt als Linie 2 die Haltestelle Pasilan Asema Richtung Olympiaterminaali.


An dieser Stelle vielleicht zunächst ein kurzer Überblick über die doch übersichtliche Fahrzeugvielfalt in Helsinki. Im Grunde hat es derzeit nur zwei Fahrzeugtypen:

Die Valmet-Triebwagen wurden in zwei Serien von 1973 bis 1987, ursprünglich als Sechsachser gebaut. Die erste Serie vom Typ I bestand aus den 40, mit den Nummern 31-70 von 1973 bis 1975 gebauten Fahrzeugen. Technisch waren die Fahrzeuge zu diesem Zeitpunkt sehr fortschrittlich und gelten als die ersten Straßenbahnen mit Gleichstrom-Choppersteuerung. Man bedenke, dass zu dieser Zeit bei uns mancherorts noch der Typ Mannheim mit “klassischen” Schaltwerk Hochkonjunktur hatte…

Mit technischen Weiterentwicklungen im Detail folgten 1983 bis 1987 42 weitere Sechsachser mit den Nummern 71-112. Äußerlich waren und sind die Fahrzeuge des Typ II allerdings kaum von der ersten Serie zu unterscheiden.

Ab 2006 wurden die Valmet-Triebwagen für eine verlängerte Nutzungsdauer mit Niederflurmittelteilen ausgerüstet. Bis 2011 waren so alle Fahrzeuge des Typ II zu Achtachsern verlängert. Die älteren Fahrzeuge des Typ I sollten ursprünglich mit der abgeschlossenen Inbetriebnahme der Artic Niederflurbahnen ausgemustert werden. Stattdessen kam es allerdings zur frühzeitigen Abstellung der 40 Variobahnen bis 2018, sodass sich merkliche Fahrzeugengpässe abzeichneten. Daher wurden auch zehn Valmet-Triebwagen vom Typ I ab 2012 zu Achtachsern mit Niederflurmittelteil verlängert. Die zehn umgebauten Fahrzeuge erhielten die neuen Nummern 113-122. Nur die verbliebenen Sechachser des Typ I wurden schließlich mit der vollständigen Inbetriebnahme der Artics ausgemustert. So sind heute noch immer 52 dieser ikonischen Fahrzeuge auf dem abwechslungsreichen Netz von Helsinki unterwegs. Wenn auch deutlich dezimiert, sind selbst am Wochenende noch immer einige Fahrzeuge im Liniendienst.

Den größeren Teil der Fahrzeugflotte stellen heute die insgesamt 70 Niederflurwagen vom Typ Artic. Entwickelt von Transtech in Finnland, ging dieses noch vor der Auslieferung der Serienfahrzeuge zu Skoda über. Nach den beiden Prototypen im Jahr 2013, welche inzwischen an Schöneiche abgegeben wurden, lösten die Serienfahrzeuge ab 2016 nach und nach die Variobahnen und verbliebenen Sechsacher des Typ I ab.


Weiter im Hier und Jetzt: Irgendwie Richtung Innenstadt und noch nach dem ein oder anderen Sonnenspot Ausschau halten, sollte jetzt der Plan sein. Die nächste 7 brachte mich erstmal bis Lautatarhankatu, wo nicht nur zwei weitere Linien auf die 7 und 1 treffen, sondern auch ein beachtliches Maß an Sonne zu erspähen war. Ich werde in den nächsten Tagen der Einfachheit halber ausschließlich die finnischen Namen hier verwenden, auch wenn Helsinki aufgrund seiner Geschichte mit Finnisch und Schwedisch komplett zweisprachig ist und so auch alle Haltestellen “Doppelnamen” tragen.


An der Haltestelle Lautatarhankatu treffen die Linien 6 und 8 auf die Linien 1 und 7. Schon hinter der nächsten Haltestelle Sörnäinen mischen sich die Bündel dann allerdings neu in die 1 und 8, und 6 und 7. Artic 435 ist auf der Linie 6 nach Eiranranta unterwegs.


An besagter Gabelung hinter der Haltestelle Sörnäinen ist wenig später Artic 403 auf der Linie 7 zu sehen. Aufgrund eines Weichendefektes war hier ein Hilfstrupp damit beschäftigt, für jede Bahn die Weiche passend zu schmeißen.

Wenn man in Helsinki ankommt, ist man vom Netzplan irgendwie doch erstmal leicht überfordert. Es braucht schon mindestens einen Tag, um die Linienverläufe und Übergänge im Kopf irgendwie halbwegs auf die Reihe zu bekommen. Ich werde daher auch gar nicht erst versuchen, dass hier irgendwie zu erläutern. Nur so viel: Das Netz ist dicht, unübersichtlich ineinander verflochten, ständig gehen irgendwo Linien unterwegs in andere über, wodurch es teils ewig lange Umläufe gibt. Lieblingsgestaltungmittel sind darüber hinaus Blockschleifen und Linienpaare treffen sich unterwegs auch gern mehrmals wieder. Wenn man es erstmal verstanden hat nach einiger Zeit, ist es aber irgendwie doch ziemlich genial. Der Aufwand, das hier aber jeweils ausführlich zu erläutern, wäre wohl verschwendete Mühe. Machen wir also gleich weiter mit dem nächsten Sonnenspot, der Pitkäsilta (eine Brücke) über den Kaisaniemenlahti (eine Seezunge) – ja an dieser Sprache ist wirklich überhaupt nichts auch nur ansatzweise intuitiv verständlich. Da ist selbst das Schwedisch deutlich hilfreicher. Aber am Ende läuft es wie in ganz Skandinavien eh auf Englisch hinaus…


Auf der Pitkäsilta scheint die Sonne wirklich bis fast zum Sonnenuntergang. Aufgrund der Brüstung sollte sie dann für Straßenbahnaufnahmen aber doch noch einige Grad über dem Horizont stehen. Da mir das hier schon als eine der letzten Sonnenstellen vorkam, wartete ich gleich einige Bahnen ab, in der Hoffnung auf noch einen Valmet. Klappte allerdings nicht, dafür wurde das Theaterlicht immer epischer, hier mit Artic 453.


Blick von der Brücke auf den Kaisaniemenlahti.

Mit Sonne war es das nun weitgehend. Ich setzte meine Erkundung zu Fuß fort und gelangte so zum Dom am Senaatintori (Senatsplatz), einem der touristischen Hotspots von Helsinki. Nach einigen Aufnahmen mit Restsonne war es dann aber doch wirklich einmal Zeit für etwas Essbares. Das letzte war schließlich heute Mittag der kleine Snack im Sicherheitsbereich des BER gewesen – verdammt lange her…


Ein kurzer erster Blick auf den Dom bei Restsonne, dann muss erstmal etwas Essbares her.

Mit den Restaurant-Preisen ist das in Finnland natürlich so eine Sache, da wollte ich eigentlich keine tieferen Erfahrungen mit machen. Was hier wie in Schweden aber gut geht, sind irgendwelche Imbissbuden oder Burgerketten. Unweit des Bahnhofes entdeckte ich direkt neben der Haltestelle Mikonkatu eine Filiale von “Friends & Brgrs”, eine kleine, nur in Helsinki und Tampere vertretene Kette. Für kaum einmal mehr als 15€ bekommt man hier ein Menü mit einem auszuwählenden und den Preis bestimmenden Burger, samt Pommes und All you can drink. Und ich muss sagen: Das kann man wirklich gut essen, wenn ich es so mit meinen doch immer mehr verblassenden Erinnerungen an McD oder BK vergleiche. Klar man wird jetzt nicht komplett satt nach einem langen Tag, aber es reicht, um mal etwas Warmes zu essen zwischendurch und alles Weitere besorge ich dann wie immer im Supermarkt. Anschließend schlenderte ich noch etwas zur blauen Stunde – oder hier besser: den blauen Stunden – durch die Gassen der Innenstadt.


Um 21 Uhr ist dann doch langsam blaue Stunde und der Blick fällt erneut auf den Dom zu Helsinki. Vom Senaatintori zweigt hier die eingleisige Blockumfahrung zum Kauppatori ab, hier mit der Fahrtrichtung Kauppatori.


Wenig später passiert auch eine Artic-Tram die Gasse hinab zum Kauppatori.

Blick vom Kauppatori durch die straßenbahnfreie, mittlere der drei Gassen hinauf zum Senaatintori.


Und hier das eingleisige Gegenstück vom Kauppatori zum Senaatintori. Der Skoda Artic muss hier schon etwas ausholen, um es auf die Strecke am Rand des Senaatintori zu schaffen. Befahren wird dieses Blockumfahrung nur von der Linie 2, die sich aber mit erhöhter Valmet-Dichte zeigte.


Mein Standpunkt ist praktisch unverändert, nur um 90 Grad nach rechts gedreht. Dort zweigt Artic 456 als Linie 7 zur Haltestelle Hallituskatu ab.


Der auf seinem Hügel thronende Dom ist einfach zu jeder Tageszeit eine beeindruckende Kulisse. Wir befinden uns noch immer fast an identischer Stelle und blicken nun auf die Linie 7 in Gegenrichtung, die den Senatsplatz damit zur Hälfte umfährt.


Eine letzte Aufnahme vom Senatsplatz an diesem Abend. Der Artic der Linie 7 ist an gleicher Stelle wie zuvor, nun mit dem Valtiovarainministeriö dahinter. Valtiovarainministeriö – alles klar? Nein? Laut Google Maps das “Büro der Landesregierung”. Mmh, ob das jetzt so ganz treffsicher ist? Ich nenne es mal lieber das Senatsgebäude 😀

Keine Angst, morgen gibt es das alles auch noch in hell 😉 Für heute war der Tag aber lang genug. Mit den Linien 2 und 7 bieten sich am Senatsplatz gleich zwei Möglichkeiten, auf zwei völlig unterschiedlichen Wegen zurück zum Pasilan asema zu gelangen. Ich nahm das Nächste was kam: Eine Linie 2. Mit der Tram zieht es sich dann doch ganz ordentlich bis dort draußen. Was die S-Bahn in fünf Minuten erledigt, gondelt die Tram in 20 Minuten ab. Am Pasilan asema gab’s noch paar Kleinigkeiten als Nachtsnack mit auf’s Zimmer. 24h-Supermärkte gibt es hier glücklicherweise mehr als genug und auch morgen am Sonntag würde das meiste offen haben – einfach angenehm. Viel gibt es dann nicht mehr zu erzählen. Nur vielleicht der Plan für Morgen, wenn man ihn denn als solchen bezeichnen möchte: Das Wetter soll ausgesprochen gut werden. Aufgrund des Sonntages hätte das eigentlich für einen Ausflug nach Tampere gesprochen, da ich dort einerseits schon ein paar Sonnenstunden haben wollte, andererseits der Sonntag dort vom Fahrzeugeinsatz her keinen Unterschied machen würde. Das wäre sicher die taktisch schlauste Entscheidung gewesen. Auf der anderen Seite… Hier in Helsinki schienen ja nun auch am Wochenende noch einige Valmets zu laufen, ich hatte heute mächtig Lust bekommen, die Stadt direkt weiter zu erkunden und irgendwie wenig Lust, morgen schon wieder früh aufzustehen und zu “reisen”. Also einfach mit etwas mehr Geduld als am Werktag hier in Helsinki auf die Lauer legen und Valmets jagen!


Sonntag, 28. August 2022: Sonntägliche Valmet-Geduldsproben

Frühstück sollte es am Sonntag “erst” um 7:30 Uhr geben, was ich allerdings zu spät bemerkte und so schon mal eine halbe Stunde Zeit hatte, mich ansonsten soweit fertig zu machen. Denn draußen war doch einiges an blauem Himmel zu erkennen. Trotzdem wurde sich dann eine halbe Stunde später erstmal ordentlich durch’s Frühstücksbuffet gefräst, denn abgesehen von kleinen Snacks zum Kaffee, würde es wohl wiedermal bis heute Abend reichen müssen. Das Buffet war aber auch sehr reichhaltig und bot mehr als genug zum Sattwerden. Der “Einzelpreis” spiegelt das mit 22€ pro Person aber auch wider. Zum Glück ist es bei mir ja inklusive und würde nach dieser Rechnung rund ein Viertel des Zimmerpreises ausmachen. Da wird man bei diesen Ketten wirklich richtig ausgenommen, wenn man das Frühstück nicht von Vornerein in irgendeinem Buchungsdeal inkludiert hat.

Es ist früh am Morgen, die Sonne scheint und die Stadt ist noch weitgehend befreit von bereiften Störfaktoren. Da wollte ich hier draußen keine Zeit verlieren und nahm vom Pasilan asema daher dirket die S-Bahn bis zum Hauptbahnhof (Rautatieasema). Dieser sollte am Morgen auch schon höchstselbst ein geniales Motiv abgeben, sodass ich gleich mal einige Kurse auf einen Valmet wartete. Es kam dann zwar nur ein Werbewagen, aber immerhin. Und Autos störten am Sonntagmorgen auch noch nicht ernsthaft die Aufnahmeversuche.


Der fotografische Tag startet direkt mitten in der Stadt am Rautatieasema, dem zentralen Kopfbahnhof von Helsinki, an dem neben Regionalverkehr und S-Bahn auch die ICs und Pendolinos ins ganze Land starten. Als einziger Valmet aus der richtigen Richtung kam während einer knappen halben Stunde der Typ I Werbewagen 114. Überhaupt sollte sich hier ein Muster abzeichnen: Ich sah eigentlich ständig irgendwo Valmets herumkriechen während der Tage in Helsinki, aber immer wenn ich auf einen wartete, dauerte es eine gefühlte Ewigkeit oder ging am Ende auch noch aus irgendwelchen Gründen schief. Aber wer kennt das nicht…


Einfach weil ich die Lackierung in Helsinki so genial finde, muss dieser Motivklassiker natürlich auch noch mit einem werbefreien Fahrzeug sein, hier dem Artic 417. Das 1919 fertiggestellte Bahnhofsgebäude mit den zwei markanten Eingangsportalen auf der Süd- und Westseite und dem emporragenden Uhrenturm, ersetzte das ursprüngliche Bahnhofsgebäude aus dem Jahr 1862, welches schnell zu klein geworden war. Die nationalromantische Architektur hat irgendwie etwas martialisches, gerade mit den vier steinernen Figuren am südlichen Hauptportal, die hier nur ansatzweise hinter dem Artic zu erkennen sind. Wir werden aber noch einige Bilder dieses Komplexes aus unterschiedlichen Perspektiven sehen am heutigen Tag.

Pflichtpunkte für heute waren für mich natürlich die Hammermotive rund um den Senatsplatz (Senaatintori) und Marktplatz (Kauppatori) mit Sonne und Valmet-Triebwagen. Mal sehen ob das aufgehen sollte. Für den Senatsplatz muss allerdings erstmal die Strecke der Linie 7 auf der Ostseite ins Licht kommen. Und das sollte deutlich länger dauern als ich dachte. Immer mal wieder schaute ich dort vorbei und trieb mich zwischendurch am Marktplatz und an der Linie 4 auf der Halbinsel Katajanokka herum. Schlussendlich dauerte es bis halb zwölf, bis die Stelle am Senatsplatz mit Dom im Hintergrund ausreichend Licht hatte. Die geringe Motivation der Sonne bei diesen Breitengraden doch ein wenig zu steigen Richtung Tagesmitte, unterschätzt man in den ersten Tagen dann doch immer ein wenig. Die Schatten scheinen mehr zu wandern, als kürzer zu werden. Da kann man sich nicht ganz auf seinen Motivriecher verlassen und muss hin und wieder doch mal genauer nachdenken, was denn wie und wann und überhaupt ins Licht kommt. Andersherum ist man aber auch überrascht, in welche Gasse abends doch noch unverhofft die Sonne dreht, obwohl man instinktiv davon ausgegangen wäre, die Sonne wäre bis zu diesem Stand viel zu tief gesunken.


Es geht weiter am Marktplatz, dem Kauppatori. Wie gefühlt überall in Helsinki, legen auch hier zahlreiche der kleinen Passagier- und Fahrzeugfähren auf die umliegenden kleinen Inseln an. Jene von der HSL betriebene, dürfen auch mit dem normalen ÖPNV-Ticket genutzt werden. Die großen Fährterminals der Viking Line an der Katajanokka-Halbsinsel (Katajanokan Terminaali) sind von hier gut zu sehen und fußläufig zu erreichen. Der Olympiaterminalii der Silja Linie ist zwar auch zu sehen, es empfiehlt sich aber mit Gepäck doch lieber noch zwei Stationen mit der Linie 2 bis zur gleichnamigen Haltestelle weiter zu fahren. Der Kauppatori selbst schien mir doch recht stark zum Touristenkitsch verkommen. Ganze Stände boten nichts weiter als billigen aber hochpreisigen Tinnef an. Immerhin ein paar “echte” Fischstände gab es noch, an denen an rustikalen Sitzgelegenheiten gegrillter Fisch feilgeboten wurde. Ob die Preise auch Touristennepp waren, wage ich allerdings nicht einzuschätzen, schließlich ist hier jegliche Restauration nicht eben günstig.


Ich drehe mich mal um und schaue auf die Seeseite des Kauppatori. Etwas von dem seltsamen, überdimensionalen Holz-Ufo verdeckt (was soll das sein? Eine Skatearena? Eine Sonnenliege? Kunst?) wird die Vanha Kauppahalli. 1888 gebaut ist es die älteste Kaufhalle Helsinkis. Am letzten Tag gibt es nochmal einen weiteren Blick auf dieses Gebäude. Betreten habe ich es allerdings nicht, meine Angst vor Touristenscharen hielt mich davon ab. Was man hier aber alles machen könnte, wenn man nicht zum ersten Mal hier wäre und erstmal die Straßenbahn “abarbeiten” müsste, sprang mir quasi an jeder Ecke der Stadt entgegen. Ich hatte nie das Gefühl fertig zu sein mit dieser Stadt, ganz im Gegenteil. Zwischen der Kaufhalle und der Häuserzeile verläuft übrigens die Linie 2 zum Olympiaterminalii.


Genau diese sehen wir auf diesem Bild, kurz bevor der Valmet 110 am linken Bildrand hinter der Kaufhalle verschwindet. Hier mal ganz gut zu erkennen: Die Dachaufbauten auf den drei Wagenteilen. Warum das wichtig ist? Bei den zehn verbliebenen und ebenfalls mit Niederlfurmittelteil umgebauten Triebwagen vom Typ I, ist der Kasten auf dem dritten Wagenteil deutlich kürzer und damit eines der wenigen äußeren Unterscheidungsmerkmale. Ein weiteres sind die abweichenden Rückleuchten. Oder man schaut einfach auf die Nummer: Zur Erinnerung 113-122 sind die verbliebenen Typ I. Am Ufer ist derweil eine E-Scooter-Familie im Gänsemarsch aufgereiht.


Einer jener E-Scooter schoss einen Augenblick nach dieser Auslösung von hinten ins Bild. War sein gutes Recht, ist schließlich der Radweg hier. Nicht dass es ihn interessiert hätte wenn dem nicht so gewesen wäre 😀 Aber er hätte doch gern bei einem der vielen Artics kommen dürfen und nicht gerade beim Valmet Typ II 79. Mit etwas Zurechtruckeln und -sägen im Nachhinein geht das Ergebnis aber doch besser als gedacht. Klar, eine knappe halbe Wagenlänge hätte noch sein dürfen – aber gut. Am Sonntag darf man nicht wählerisch sein, denn die Valmets sind verdammt gut verteilt im Netz, womit an einzelnen Stellen eben auch mal eine Ewigkeit keiner kommt. Wir sind übrigens immer noch am Kauppatori, wo sich die kleine Blockumfahrung der Linie 2 zum Senatsplatz öffnet. Daher biegt der Valmet hier auch eingleisig von der Uferstraße rechts am Bildrand in die kleine Gasse Katariinankatu ein. Übrigens ganz ohne Lichtsignalanlage: Die Straßenbahn hat einfach Vorfahrt. Darauf wird auch gern mit einem Klingeln hingewiesen, dass bei dreister Missachtung gern in ein erbostes, lautes Hupen übergeht. Das macht dann schon Eindruck 😀

Der Senatsplatz war noch immer nicht im Licht und hier am Kauppatori hatte ich es vorerst gesehen. Auf der 4, die man vom Kauppatori aus auf der Brücke auf die Halbinsel Katajanokka erspähen kann, hatte ich vor geraumer Zeit aber einen Valmet erspäht. So ewig lang ist die Linie 4 nicht, sodass dieser bald mal zurückkommen müsste. Ich wechselte also mal auf die Halbinsel, die umringt von Fähr-, Jacht-, Eisbrecher-Anlegern ist. Nach einem Besuch im Supermarkt kam dann auch schon der Valmet, mit dem es dann noch bis zur Endschleife Merisotilaantori mitging. Auf die Halbinsel fährt übrigens auch die Linie 5, die zum Viking-Terminal nach Katajanokan Terminaali sogar ein Stück eigene Strecke hat. Diese Linie verkehrt allerdings nur am Samstag und Sonntag und auch dann jeweils nur wenige Stunden am Vor- und Nachmittag zu den Passagierwechselzeiten der Viking XPRS von und nach Tallinn. Die Viking XPRS fährt natürlich auch unter der Woche, dann aber müssen sich die Passagiere entweder bis zum Kauppatori durchschlagen – mit Gepäck doch eine ganze Ecke wenn man nicht ganz fit ist – oder bis zur etwa 300 Meter entfernten Haltestelle Vyökatu der Linie 4. Klar, das ist zu schaffen, aber die Linie 4 platzt dann natürlich regelmäßig auf drei, vier Kursen zu den Passagierwechseln aus allen Nähten. Unbewusst geriet ich gerade in genau ein solches Fenster, sodass es auf der Rückfahrt von der Endschleife ab der Haltestelle Vyökatu plötzlich unfassbar voll wurde und ich an der nächsten Haltestelle die Flucht ergriff und zu Fuß weiterlief.


Ich bin kurz an die Linie 4 auf die Halbinsel Katajanokka gewechselt, um einen gesichteten Valmet passend abzufangen. Ein Mazda Mini-SUV schien sich das gleiche gedacht zu haben mit seinem umständlichen Wendemanöver. Hinter dem Baum ragt noch die Hauptkuppel der am Rand der Insel auf einem kleinen Hügel thronenden Uspenski-Kathedrale empor. Auch dafür müsste ich mir noch eine bessere Umsetzung einfallen lassen. Kommt auf die Liste. Den Valmet Typ II 80 werden wir heute noch häufiger sehen, war er doch auf der übersichtlich langen Linie 4 eine sichere Anlaufstelle.


Ich genehmigte mir eine Mitfahrt bis zur Endscheife Merisotilaantori. Interessant ist hier aus betrieblicher Sicht, dass es kein “echtes” Überholgleis gibt. Stattdessen führt die in der linken unteren Bildecke noch erkennbare Weiche über eine Gleisverschlingung ins Gegengleis, sodass wartende Bahnen durch dieses überholt werden können. Fotografisch ließ sich das durch den Sonnenstand nicht wirklich darstellen, man möge es sich bei StreetView ansehen.  


Valmet 80 wartet an der Abfahrtshaltestelle auf die Fahrzeit, sodass ein wenig Zeit für Innenraumaufnahmen bleibt. Schlichtes aber funktionales 70er-Jahre-Design möchte ich meinen. Schön ist der gerippte Gummibodenbelag, welcher auch bei den Artics zum Einsatz kommt. Dieser sorgt auch ohne Schneematsch schon im Nassen für extrem guten Stand.


Die Linie 7 am Senatsplatz war noch immer im Schatten, also noch mal eine Runde zum Bahnhof und nach Hakaniemi, einfach mal schauen was dort so geht. Und was fährt mir da unverhofft vor die Linse: Der Windhoff-Schienenschleifer 2012. Die Karren gibt es aber auch überall. 


Ich hatte ja noch weiter Aufnahmen vom Bahnhof versprochen: Hier das südliche Hauptportal, natürlich mit finnischer und schwedischer Anschrift. Rechts zwei der vier steinernen Riesen, die dem ganzen irgendwie etwas episch Martialisches mitgeben.


An der Metrostation Hakaniemi kam dann direkt passend der Valmet Typ I 119 durch. Die Straßenbahn teilt sich hier viergleisig in zwei Strecken auf, bzw vereint sich in diese Fahrtrichtung über die schon gestern Abend gesehene Pitkäsilta Richtung Bahnhof. Mit dem Valmet ging es dann auch gleich zurück zum Senatsplatz, der jetzt in der Sonne liegen sollte. Problem: Der Valmet-Kurs auf dem Linienverband der 7 und 9 war in diese Richtung dann erstmal durch. Und ich bräuchte für mein Motiv einen in diese Richtung. Gefühlt waren die Altwagen am Sonntag so ziemlich gleichverteilt im Netz unterwegs, womit jede Linie so ein bis zwei Wagen abbekommt. Nur auf dem Linienverbund aus 2 und 3 waren irgendwie immer etwas mehr unterwegs. Durch den Linienverbund aus 7 und 9 dürften auf der 7 im Verlauf des Endlosumlaufes wohl zwei bis drei Altwagen auftauchen, aber das könnte dauern, wenn gerade einer durch war…


…und es dauerte. So passte ich erstmal wieder den 80 auf der Linie 4 ab. Hinter der Haltestelle Ritarihuone geht es durch eine enge S-Kurve hinüber zur Brücke auf die Halbinsel.


Und es dauerte noch länger. Ungezählte Artics passierten derweil auf der Linie 7 das Hammermotiv am Sentatsplatz mit dem auf seinem Hügel thronenden Dom im Hintergrund. Aber mir gefallen die Artics eigentlich auch ausgesprochen gut. Es sind einfach sehr durchdachte und entsprechend komfortable aber gleichermaßen auch zweckmäßige Fahrzeuge. Dazu eine schöne Lackierung, die bei Sonne und Regen was hermacht. An der Front mögen sich die Geister scheiden, mir persönlich gefällt sie. Und mal ehrlich: Vor diesem Motiv könnte sonstwas für ein Wagen durchschaukeln, es bleibt einfach ein Knaller.


Noch immer kein Valmet? Wie schon gestern Abend bleibe ich dann einfach an dieser Stelle und drehe mich um 180 Grad, womit der Blick in die Katariinankatu hinab zum Marktplatz fällt, durch die sich die Linie 2 zum Senatsplatz hinaufquält. Ein Motiv, dass selbst an den längsten Tagen nie im Licht liegt.

Es sollte einfach nicht sein. Auch nach einer Stunde kam kein Valmet durch mein Motiv. Dann eben nicht. Bestimmt wäre der nächste einer gewesen. Und wenn ich auf den gewartet hätte, wäre es wieder erst der nächste gewesen – Murphy halt… Aber irgendwann reicht’s dann. Ich wollte bei der Sonne auch noch andere Stellen machen und mein Dom-Motiv rückte jetzt eh langsam aber sicher aus dem Licht. Einen Kurs vor meinem 80er Valmet auf der 4, fuhr ich einfach mal zur Blockschleife dieser Linie nach Munkkiniemi hinaus. Einfach mal bisschen sitzen und den Kopf wieder für neue Ideen freibekommen. Wobei neue Ideen brauchte ich nicht so viele, denn in etwa zwei Stunden könnte ich mich dann wieder am Senatsplatz aufstellen, für die gleiche Stelle von der Türseite mit dem Senatsgebäude dahinter. Wie ich mich darauf schon freue… 😀


Bevor am Senatsplatz das nächste Motiv ins Licht rückt, bleibt Zeit für eine kleine Exkursion nach Munkkiniemi. Ich hatte ja gesagt, Blockschleifen seien eine Spezialität der Straßenbahn Helsinki. Diese hier war aber gerade lichttechnisch kaum umsetzbar, auch wenn sie wirklich idyllisch durch ein Wohngebiet hinab bis fast ans Wasser führt. An der Endhaltestelle lädt dann ein Café direkt am Strand zum Verweilen ein. Tja, bei schlechtem Wetter hätte ich da jetzt Zeit für gehabt – klingt irgendwie schräg oder? 😀 So gibt es ein Bild von Valmet 80 am Beginn der Blockschleife bei der Haltestelle Tiilimäki, dann geht es zurück in die Stadt.


Am Bahnhof sind in der Zwischenzeit die Nachmittagsmotive ins Licht gerückt und damit das eindrucksvolle Backsteingemäuer an der Südostecke des Bahnhofplatzes. Mit vier Linien muss hier auch nicht lang auf einen Valmet gewartet werden. Es ist der Typ II 106.


Vor dem Backsteingebäude zweigt die Linie 7 von der Haupteinkaufsmeile Aleksanterinkatu, an deren Ende Stockmann seine Hauptfiliale hat, zum Bahnhof ein. Die kurze Verbindung zwischen den Hauptsträngen ist über eine Gleisverschlingung umgesetzt, allerdings verkehrt hier auch nur die Linie 7. Und die Linie 5 nutzt die Strecke zum Wenden, wenn sie denn mal fährt… Im Espresso House hinter Artic 425 war ich mehr als einmal während der Tage in Helsinki auf einen Cappuccino mit Zimtgebäck anzutreffen, um über den Tag eine kurze Verschnaufpause mit Energiebooster einzulegen. Uuh, Espresso House – böse teure Kette, mag mancher rufen. Von mir aus, aber finde mal mitten in Helsinki was Günstiges. Klar weiter draußen gibts dann sicher kleine Straßencafés, aber hier in der Innenstadt wird man eh überall ausgenommen 😀 Aber an die 8€ für Kaffee und Stückchen gewöhnt man sich schnell – viel zu schnell…


Die Linie 7 fährt von Hakaniemi hinter der Brücke einen Umweg über den Senatsplatz und die Aleksanterinkatu, um den Bahnhof schließlich über die eingleisige Querverbindung zu erreichen – wie eben gesehen. Die anderen drei Linien 3, 6 und 9 erreichen den Bahnhof von Hakaniemi aus auf direkterem Wege durch die Kaisaniemenkatu und treffen am Ende der tiefen Häuserschlucht am Bahnhofsplatz wieder auf die Linie 7. So auch der der Artic 421, der hier als Linie 6 von der Haltestelle Kaisaniemenkatu zum Bahnhofsplatz hinabrollt. Auch hier will die kurze Sonnenscheindauer in der Gasse Ende August schon recht genau abgepasst werden.


Dann auch schon wieder hinüber zum Senatsplatz. Dieser zeigt sich samt dem Dom nun von der anderen Seite im schönsten Nachmittagslicht. Viele Touristen und Einwohner laufen verstreut umher oder sonnen sich auf den Treppen. Hin und wieder kotzt aber auch ein Reisebus und es wird für einige Minuten merklich voller als auf dieser Aufnahme. Der Dom wurde wie weite Teile des klassizistischen Zentrums von Helsinki zwischen 1820 und 1850 erbaut. Nur die südliche Häuserzeile des Senatsplatz entspricht nicht dem Klassizismus und ist teilweise rund 100 Jahre älter.


Es blieb wieder einiges an Zeit bis sich mal ein Valmet zeigte, sodass ich immer knappe zehn Minuten Zeit hatte die Umgebung zu erkunden, bevor ich für die nächste Bahn im 12-Minuten-Takt wieder Stellung beziehen musste. Mein Standpunkt war etwa auf Höhe des Verkehrsschildes am rechten Bildrand im Schatten der Häuserzeile. Die Treppen hinauf zum Dom lagen also klar in meinem 10-Minuten-Radius und ließen diesen Blick auf das Senatsgebäude zu. Direkt gegenüber auf der anderen Seite des Platzes gibt das Hauptgebäude der Universität fast eine symmetrische Kopie des Senatsgebäudes ab. Schaut man allerdings genauer hin fällt auf, dass bei der Universität an vielen der liebevollen Details wie Fenstergiebel oder Ornamenten gespart wurde.


Ebenfalls im 10-Minuten-Umkreis liegt natürlich weiterhin der Marktplatz, den hier Artic 453 durch die eingleisige Blockumfahrung der Linie 2 erreicht.


Dann war endlich Valmet-Zeit am Motiv mit dem Senatsgebäude: Der Typ I 118 gab sich an diesem Pflichtmotiv nach schon fast wieder einer Stunde die Ehre.


Ich folgte anschließend der Linie 7 auf ihrem alleinigen Weg nach Hakaniemi mit dem Ziel der Brücke von gestern Abend. Dabei geht es nördlich des Senatsplatzes vorüber am Säätytalo, dem Ständehaus.


Jetzt kam in Gegenrichtung auch wieder der zweite Valmet, der heute auf dem 7/9er Umlauf war. Typ I 119 passiert das Ständehaus.


Über eine halbe Stunde wartete ich dann gemütlich im Schatten an der Pitkäsilta auf einen Valmet. Ja, durchaus im Schatten, denn es waren doch beachtliche 25 Grad heute und vor allem herrschte eine drückende Schwüle. Das dürfte wohl der letzte warme Tag in Helsinki gewesen sein diesen Sommer. Zwischenzeitlich um Getränke bereichert, kam auch immer mal ein Valmet durch. Allerdings hat dieses Motiv einfach zu viele Störfaktoren mit Fußgängern, Radfahrern und E-Scootern von Vorn und Hinten und noch gern in der Phase parallel mitschwimmenden Buskollonnen. Dafür klappte es mit Artic 418 hervorragend.


Auf der Brücke selbst stehend fällt der Blick bis Hakaniemi mit seinem markanten Backsteinkomplex. Dahinter ragt in der Häuserschlucht aber noch markanter die Kallion kirkko empor. Das hervorstechende Sakralgebäude fällt in dieselbe nationalromatische Phase wie der Bahnhof und wurde bis 1912 errichtet.


Wenigstens der erfolgreichste der vielen erfolglosen Versuche mit Valmet soll noch gezeigt werden: Typ II 79 passt so gerade eben in die Lücke zwischen den Passanten auf der Pitkäsilta.


Am Senatsplatz hatte ich jetzt noch den Blick in die Aleksanterinkatu Richtung Katajanokka auf dem Zettel. Für den Weg dorthin folgte ich wieder der Linie 7, an der ich mir an der Haltestelle Snellmaninkatu ebenfalls noch eine Stelle gemerkt hatte. Nicht auf dem Schirm hatte ich das ganze Baugeraffel im Vordergrund… An dieser Stelle trifft die Linie 7 wieder auf die Linien 3, 6 und 9 und biegt Richtung Hakaniemi ab.


Am eben schon erwähnten Motiv hatte ich mit “meinem” Valmet 80 natürlich eine sichere Bank. So klappte die Aufnahme in der Aleksanterinkatu auf der Südseite des Senatsgebäudes wie gewünscht. Im Hintergrund sind zwei der vier nebeneinander an der Insel Katajanokka beheimateten Eisbrecher zu sehen. Die Schiffe scheinen dort im Sommer geparkt zu werden. Bald dürften sie wieder zu Einsätzen in dickem Eis auslaufen. Morgen werde ich mir die Pötte noch etwas aus der Nähe ansehen…

Rundherum machte sich jetzt langsam doch Gewölk und Siff etwas breiter. Überhaupt war das Wetter schon wieder viel besser gewesen als erwartet – es hatte ja eigentlich nur Sonne geschienen… Also einfach mal bisschen entspannen und durch die Gegend fahren. Ich nahm mir eine Tour durch den Süden des Netze vor. Mit der 2 bis Olympiaterminaale, wo es dann nach fünf Minuten Pause als 3 weitergeht. Dann an der Haltestelle Eira sjukhus auf die 1 gewechselt, die dann – wie könnte es anders sein – nach zwei Haltestellen in einer Blockschleife endet. Lustigerweise trifft die 1 in ihrer Blockschleife an der westlichen Flanke auf die Linie 6 und nutzt hier auch deren Gleise, nur um dann direkt wieder in die Blockschleife auszuzweigen. Eine Umsteigebeziehung wurde aber scheinbar komplett vergessen. Das Kuriosum der Blockschleife unter Anschneiden der Streckengleise der 6 ließ sich dann im Nachhinein dadurch aufklären, dass die gesamte Linie 6 nach Eiranranta einfach noch sehr neu ist. Die 1 endete hier im Hafenviertel zuvor vollkommen allein in ihrer Blockschleife. Warum allerdings beim Bau der Linie 6 an genau dieser Stelle keine Umsteigemöglichkeit geschaffen wurde, wo die beiden Linien doch eh genau aufeinandertreffen, bleibt ein Rätsel. Ausgebaut wird und wurde in diesem Jahrtausend an der Straßenbahn Helsinki übrigens an vielen Ecken und Enden, da die Neubaugebiete der Stadt ein enormes Wachstum verzeichnen und ganze Stadtviertel aus dem Boden gestampft werden.

Fotolicht war gerade irgendwie Mangelware, aber bisschen Dokumentation geht ja immer:


Die seltsame Blockschleife der Linie 1 in Eira: Artic 437 startet zu einer neuen Fahrt und schneidet dabei nach dem Verlassen der Haltestelle Telakkakatu kurz die Streckengleise der Neubaustrecke der Linie 6 nach Eiranranta an. Schon irgendwie seltsam dieses Konstrukt, zumal hier jegliche Art der Umsteigebeziehung vergeblich gesucht werden muss.


Die Linie 6 endet dann zwei Haltestellen weiter vor der Kulisse gigantischer Speicher am Hafen. Hinter mir wiederum befindet sich ein einladendes Strandcafé, was man bei dieser Ansicht hier erstmal nicht vermuten würde. Aber die neuen Wohngebiete wachsen hier halt bis direkt an die Hafenanlage heran. Valmet 108 wartet in der Schleife auf die Abfahrtszeit. Übrigens kamen hier auf der 6 gerade drei, vier Altwagen am Stück durch, die dann alle als 6H weiterfuhren, also bereits auf Einrückfahrt waren. Irgendwie schienen da von überall aus dem Netz die Altwagen über die 6 zu einem der Depots geschickt zu werden, denn vorhin hatte ich die 6 bei Hakaniemi ewig lang gesehen und keine erhöhte Valmet-Quote festgestellt. Eines der großen Depots befindet sich aber auch im Norden der Linien 6 und 8 Richtung Arabia, sodass diese Überlegung durchaus Sinn ergeben könnte.

Zurück in der Innenstadt war 19 Uhr auch durch und mit Sonne in den Straßen nicht mehr zu rechnen, selbst wenn diese nochmal durchbrechen sollte. Irgendwie hat diese Zeit hier im Norden aber immer ein ganz eigenes stimmungsvolles Licht, wenn die Sonne zwar nicht mehr direkt scheint, aber irgendwie für ein ganz besonderes Licht mit kontrastreichen Farben sorgt. Das fiel mir gleich an mehreren Abenden hier auf, schon weil diese Phase durch das flache Sinken der Sonne so lang anhält. Es war also durchaus noch Fotolicht, das ich zum Herumstreifen zwischen Bahnhof, Lasipalatsi und Aleksanterinkatu nutzte.


So kommt das eindrucksvolle Backsteingebäude an der Südostseite des Bahnhofsplatzes doch einmal richtig zur Geltung. Durch die dunklen Wolken wirkt das Ganze gleich noch bedrohlicher und passend mischt sich mit Wagen 118 auch ein Valmet in den Vordergrund. Die Linie 7 ist übrigens fast die einzige Chance hier ohne Autos, denn alles was die Kaisaniemenkatu hinunterkommt, bekommt genau zeitgleich mit den Fahrzeugen von links grün.


Irgendwie schon eine ganz eigene Lichtstimmung hier, kurz nachdem die Sonne hinter den Häusern verschwunden ist. Hier sieht man dann auch mal die Haltestelle vor dem Bahnhof in Straßenmitte. Der Brocken auf der rechten Straßenseite steht ja zum Glück nie im Licht 😀 – zumindest nicht Ende August…


Bei der Ausfahrt von Artic 471 bietet sich fast ein vollständiger Blick auf das Gesamtensemble rund um die Haltestelle am Bahnhof.


Ich bin der Strecke die wenigen Meter hinauf zum Lasipalatsi gefolgt und stehe nun an selbigem, wo gerade der Valmet 72 über die Kreuzung startet. Auf dieser Straßenbahnachse auf der Mannerheimintie ist eigentlich immer eine Bahn zu sehen, bzw immer Mehrere: Im Vordergrund fahren die Linien 7 und 9 quer. Die Linien 3 , 5 und 6 kommen von links vom Bahnhof und biegen auf die Mannerheimintie ein. Geradeaus durch fahren die Linien 1, 2, 4 und 10. Auch wenn es in diesem komplexen Netz kein wirklich definiertes Zentrum gibt, wäre es wohl am ehesten hier am Lasipalatsi zu suchen. Es fehlt eigentlich nur die Linie 8, die das Zentrum aber vollständig meidet. Zum Umsteigen eignet sich der Lasipalatsi allerdings nur bedingt, gibt es hier doch nur eine Haltestelle für die geradeaus fahrenden Bahnen der Linien 1, 2, 4 und 10. Man muss also immer erstmal etwas genauer schauen, wo denn die Linien zwischen denen man umsteigen möchte, auch wirklich parallel halten.


Eine Haltestelle weiter zweigen die Linien 2 und 4 vor der Kulisse von Stockmann auf die Mannerheimintie ein. Das mächtige Gebäude ist sozusagen der Stammsitz der bekannten Warenhauskette. Mit 50.000 m² Verkaufsfläche gilt das Stockmann Helsinki als das größte Warenhaus Finnlands und der skandinavischen Länder.


Für den folgenden 4er wechsle ich die Perspektive und stelle mich direkt neben das eindrucksvolle Warenhaus. Beide Linien biegen hier in Fahrtrichtung nach rechts ab, wie eben schon beim 2er gesehen. Teilweise schon verdeckt wird vom Artic 444 das Hard Rock Café Helsinki, welches mit einem Live-Act auf dem Platz gerade für einige musikalische Beschallung sorgte.

Auf der letzten Aufnahme schon zu sehen, war das seltsame Licht nun einfach normalem Grau gewichen. Bis zur blauen Stunde war es aber noch einiges hin. Da mein Burgerbräter des Vertrauens gerade rappelvoll war, ging es einfach noch auf einen späten Kaffee mit Zimtstück ins Espresso House. Wieder was gespart, Abendessen würde ich mir dann nachher im S-market bei Hakaniemi zusammenstellen. Da hatten mich schon am Nachmittag beim Getränkekauf diverse Salate angegrinst. Bevor ich in dem bodentiefen Sessel mit hochgelegten Füßen im Espresso House endgültig versackte, raffte ich mich lieber wieder auf und schlenderte noch einmal zum Senatsplatz hinüber. Zum Glück kostet der keinen Eintritt, bei den Stunden, die ich hier bis zum nächsten Samstag insgesamt verbracht haben würde. Wobei heute den einsamen Rekord aufstellte. Zumindest am Nachmittag war es ja auch einmal erfolgreich gewesen.


Mit den Nachtbildern der Artics ist es irgendwie so eine Sache: Das viele dunkle Grün und Schwarz an der Front zusammen mit den grellen LED-Scheinwerfern. Da braucht es schon optimale Straßenbeleuchtung, damit das irgendwie nach etwas aussieht. Straßenbleuchtung ist hier noch gar nicht und der Artic fast störendes Beiwerk vor dem Senatsgebäude von den Domtreppen aus gesehen.


So richtig blaue Stunde ist da aber auch noch nicht um 21 Uhr. Aber der Dom macht einfach immer was her.


Und dann ging aber mal ein richtig saftiger Schauer runter, der das Fotografieren kurzzeitig verunmöglichte. Als der altbekannte Valmet 80 auf der 4 durchkam, glänzte das Kopfsteinpflaster dafür in bunten Farben.

Jetzt reichte es mir aber irgendwie für heute. Die Füße waren plattgelaufen und -gestanden, auch wenn es sicher noch etwas blaue Stunde gehabt hätte. Mit dem nächsten 7er ging es zum Einkaufen in den großen S-Market bei Hakaniemi. Von dort standen mir dann die 7 und 9 zur Weiterfahrt nach Pasilan asema, bzw bis zu meiner Hotelhaltestelle Messukeskus, zur Verfügung. Die nehmen zwar ab hier vollkommen verschiedene Routen, treffen sich aber an der Messe-Blockschleife beim Pasilan asema wieder. Also was zuerst kommt, in diesem Fall die 9. So war 22 Uhr auch erreicht als ich in mein Hotelzimmer einfiel. Noch ein reichhaltiges Abendessen, mit allem was ich so aus dem S-Market entführt hatte und dann war auch schnell Schicht.
Das Wetter für morgen: Sehr mäßig waren sich die Wetterkarten einig. Zu schlecht für Tampere. Perfekt um einfach, ohne ständige Sonnenfenster an irgendwelchen Motiven im Hinterkopf, das Netz ein wenig abzureisen und hier und da für ein Bild abzuspringen. Das versprach doch fast schon Urlaub zu werden morgen 😀

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