Im Tavetsch soll diese Reise heute ihr Ende nehmen. Zwischen Sedrun und Dieni geht es durch den Schnee entlang der MGB, wobei der Sportpendel auf diesem Abschnitt im Winter für ständige Unterhaltung sorgt.
Freitag, 18. Februar 2022
Die Unterkunft am Ortseingang von Dieni war dann doch eher Jugend- oder Sportlerherberge als alles andere. Entsprechend war auch das Stockbett für meine Körpergröße einige Zentimeter zu kurz und der Schlaf nicht ganz so erholsam als auch schon. Aber egal, ich bin ja zum Arbeiten hier, nicht zur Erholung 😀 Immerhin hatte das Einzelzimmer ein großes eigenes Bad. Das hatte ich im Engadin in Zuoz auch schon anders, da gab es auf dem Zimmer zu ähnlichem Preis nur ein Waschbecken. Es galt aber auch hier wieder: Alles war sauber und ordentlich und man bekam, was versprochen wurde und wofür man zu zahlen bereit war – also alles super soweit.
Um halb acht beim Frühstück saß dann lediglich noch eine sechsköpfige Gruppe von Tourengehern, die unablässig darüber diskutierte, ob das Wetter jetzt eigentlich gut oder schlecht sei und wie man das heutige Vorhaben dementsprechend anpassen musste. Ich ließ mal einen frischen Kaffee durch die Jura-Maschine laufen und bekam von der netten Betreiberin der Unterkunft auch sogleich frisches Brot und Brötchen samt Aufschnitt und Aufstrich an den Tisch geliefert. Eigentlich seien hier um diese Zeit immer große Schülergruppen, die schon ein halbes oder ganzes Jahr im Voraus buchten. Angesichts der unsicheren Lage habe aber für den gesamten Winter keine einzige Gruppe gebucht – eine Katastrophe. Man könne nur froh sein, dass der Staat wenigstens einiges ausgleiche, aber lang würde das auch nicht mehr gut gehen. Sie habe daher beschlossen, einfach mal paar Zimmer bei booking reinzustellen, um wenigstens etwas zu tun zu haben und einige wenige Gäste empfangen zu können. Man merkte einfach, dass die ältere Dame mit Herz und Seele dabei war und sich einfach über jeden Gast freute. Vor dem Fenster waberte derweil so einiges an Gewölk herum, sodass ich heute mal ganz entspannt frühstücken konnte und sogar Zeit blieb, auf die Frage, was ich denn hier vorhabe, mein doch eher ungewöhnliches Treiben näher zu erläutern. Züge fotografieren? Das war ihr auch noch nicht untergekommen, was wohl zuvorderst daran lag, dass es sich hier eben um eine Unterkunft für Wintersportler handelt, wo unsere Zunft dann schon wegen der normalerweise fehlenden Möglichkeit der Buchung nicht unterkommt. Ansonsten ist die Schweiz ja doch eher ein Land, wo man mit einer Kamera, jedenfalls an den alpinen Bahnstrecken, nicht übermäßig auffällt…
Kurz nach acht war es dann aber doch Zeit die Zelte abzubrechen. Auf dem Zimmer fiel mir dann aber noch der gar nicht mal so schlechte Bahnblick aus meinem Fenster auf. Der nächste Zug Richtung Disentis war praktisch auch schon überfällig. Also einfach mal gewartet und den Zug über den Dächern von Sedrun abgelichtet – sogar die Sonne zeigte sich im richtigen Moment.
HGe 4/4 II 107 mit einem morgendlichen Regio nach Disentis über den Dächern von Sedrun, kurz vor dem Bugnei-Viadukt.
Ich zahlte noch das Zimmer, räumte alles zusammen, wechselte aus dem Kofferraum nach drei Tagen wieder auf die volle Wintermontur samt Schneeschuhen und ließ das Auto dann gleich hier am Ortseingang vor der Unterkunft stehen für den Tag. Der anschließende Marsch durch den Ort war dann doch länger als gedacht und zog sich bestimmt fast 20 Minuten hin, bis ich am anderen Ende des Ortes am ersten Motiv für den Tag ankam, der Ortsausfahrt von Sedrun Richtung Rueras und Dieni. Aber es war trotz des noch massiv herumwabernden Gewölks ein herrlicher Morgen und dank des im 30-min-Takt zwischen Sedrun und Dieni hin und her jagenden Sportpendels, gab es auch genügend Chancen auf ein Sonnenbild. Ein Passant, der mir sowohl auf seinem Hin- und Rückweg von Besorgungen aus dem Dorf begegnete, wie ich da nach über einer halben Stunde und einige Züge später noch immer an der gleichen Stelle mit der Kamera stand, meinte nur schmunzelnd, da brauche es ja schon einiges an Geduld für einen Zug aus der richtigen Richtung, der dann auch noch Sonne bekäme. Respekt, da hatte doch ein Laie mal sehr treffend zusammengefasst, worum es hier geht! Meist trifft man ja doch eher auf Unverständnis, wenn man dazu genötigt wird, die Tücken dieses seltsamen Hobbys zu erklären 😉
Irgendwann klappte es dann aber doch. Zwar nicht mit einem Lokzug, dafür aber mit dem Sportpendel. Wählerisch sein darf man bei solchem Wetter dann wirklich nicht, wie sich noch mehrmals am Tag zeigen sollte…
Zunächst galt es, dass sich doch sehr in die Länge ziehende Sedrun, einmal komplett zu durchqueren.
Am anderen Ende des Ortes angelangt, brauchte es dann schon ein paar Versuche, bis die Aufnahme mit Deh 4/4 21 im Einsatz als Sportpendel zur Zufriedenheit klappte.
Einen Umlauf und eine verschattete Regio-Kreuzung später, klappte es dann auch aus der erhöhten Perspektive von der Bahnhofstrasse gesehen.
Nachdem ich dort nun eine Stunde herumgehangen hatte, konnte es weitergehen. Unweit der Bahntrasse stieg ich in den Winterwanderweg ein, wobei zum Erreichen der Motive immer wieder die Schneeschuhe montiert werden wollten, um abseits der Wege durch den doch zum veritablen Versacken noch ausreichend tiefen Schnee zu gelangen. Insgesamt war dieser Vormittag aber etwas verhext: Immer wieder zogen blaue Felder durch, nur wurde es zu jedem Zug zuverlässig Dunkel. Zwischenzeitlich überlegte ich sogar ganz abzubrechen, da es Richtung Disentis zeitweise sehr, sehr sonnig aussah. Andererseits schien mir das Gewaber aber auch wieder vollkommen unberechenbar, so taten sich auch hier wie aus dem Nichts ständig wieder blaue Löcher auf und verschwanden ebenso schnell wieder. Es bräuchte halt nur mal etwas Glück… Davon konnte aber bis zum frühen Nachmittag keine Rede sein. Der Autozug ging gleich in beide Richtungen im Dunkeln ab, wobei es insbesondere bei der Fahrt Richtung Andermatt sehr schmerzte, hatte ich hier doch, im Gegensatz zur Fahrt Richtung Sedrun, auch an einem “richtigen” Motiv gestanden. Gegen Mittag erreichte ich mit meinem Auf und Ab entlang der Strecke durch den Tiefschnee schließlich das heutige Ziel der Wanderung, dass Viadukt vor Dieni. Als dort dann aufgrund der oberalpschen Zehnminutenverspätung auch noch der früh nachmittägliche Regio mit täglichen Deh 4/4 II nach bestimmt 20 Minuten Warten im besten Sonnenschein im Dunkeln durchging, war doch stimmungsmäßig ein kurzes Tief erreicht. Wie als hätten die Wolken meine Leidensfähigkeit auf die Probe stellen wollen, kam dann gegen 13 Uhr nach dem versemmelten Deh 4/4 II praktisch nicht enden wollendes Blau über den Oberalp. Der Beginn des deutlich erfreulicheren Nachmittages, an dem ich praktisch alle Nachmittagsmotive noch bei bestem Sonnenschein eintüten konnte. Im folgenden Wandern wir dann die Bilder einfach mal von Sedrun nach Dieni und Retour chronologisch ab.
Ich bin den Ort zum Wanderweg hinaufgelaufen und erwarte mit den Schneeschuhen bewaffnet nun den Sportpendel mit Deh 4/4 21 dicht an der Strecke stehend. Wäre übrigens optimal im Licht gewesen. Wann allerdings wieder welches käme, war doch recht unabsehbar, sodass ich erstmal weiter Richtung Rueras lief.
In Rueras wartete ich dann an diesem Nicht-Motiv auf den Autozug. So richtig DIE Stellen für diese Richtung gibt es halt am Vormittag einfach nicht. Zunächst kam aber auf einer seiner vielen Runden der Sportpendel mit Deh 4/4 21 durch und erhaschte sogar ein wenig Sonne. Hier in Rueras stehend, war der Zug dank eine Flachstelle praktisch immer schon im Gleis zu hören, sobald er sich in Dieni oder Sedrun in Bewegung setzte. Bei dem Geheize des Zuge, um zwischen dem Verkehr irgendwie seinen Halbstundentakt zu halten, war die Flachstelle allerdings auch nicht sehr verwunderlich.
Der Autozug mit Deh 4/4 22 ging dann im völligen Nicht-Licht in einem Nicht-Motiv ab. Aufgrund seines baldigen Ablebens, sei aber auch diese Fahrt mit gerade einmal einem Beförderungsfall dokumentiert.
Dann ging es weiter Richtung Dieni. Spontan entstand dabei von oberhalb der Strecke der Blick auf meinen vorherigen Standpunkt in der Außenkurve. Gar nicht sooo schlecht gefiel mir diese ungeplante Ansicht auf den Sportpendel Richtung Sedrun im Nachhinein.
Dann trieb es mich doch sehr weit ab von der Strecke und in ungewollte Höhen. Irgendwie fehlte ein präparierter Weg wieder hinab und auf die andere Seite der Strecke. Bevor ich mich dann querfeldein zum Viadukt bei Dieni durchschlug, entstand aber noch diese Ansicht auf Dieni mit seinen Seilbahnen und HGe 4/4 II 106 auf dem Val-Giuv-Viadukt. Diese Ansicht illustriert auch gleich das Problem dieses Streckenabschnittes in den Sommermonaten: Im Grunde gibt es überall tolle Ansichten, aber alles was hier weiß ist, ist im Sommer eben satte grüne Wiese und man gelangt nur an wenigen Stellen an vernünftige Standpunkte für Aufnahmen. Im Winter kann man demgegenüber mit Schneeschuhen fast ohne Einschränkungen seine Motive wählen. Nur die Sonne geht dann halt teilweise am Nachmittag nicht weit genug herum… irgendwas ist halt immer 😉
Bei der Rückfahrt des Autozuges mit Deh 4/4 II 22 Richtung Andermatt war die Abwesenheit der Sonne dann schon einigermaßen bitter, zumal sie mein Bild, wie im Hintergrund zu erkennen, nur knapp verpasst hatte… Die Brücke haben wir im vorherigen Bild am unteren Bildrand gesehen. Der Weg hinab war dann auch nicht ganz so angenehm und das einzige Mal in diesem Urlaub, dass ich auch mit Schneeschuhen teils arg versackte und dabei trotz erhöhter Geschwindigkeit und Hangabtriebskraft einen ungewollten Salto noch soeben verhindern konnte.
Gegen Mittag erreichte ich das Val-Giuv-Viadukt vor Dieni. Ich verzichte derweil mal auf weitere Ausschweifungen über sonnenmäßig versemmelte Aufnahmeversuche. Kurz nach zwölf klappte jedenfalls, wenn auch vom Sonnenstand schon grenzwertig, HGe 4/4 II 107 bei der Ausfahrt aus Dieni Richtung Disentis.
Mehrmals ging es die wenigen hundert Meter zwischen dem Standpunkt am Val Giuv-Viadukt und jenem an der Betonbrücke hin und her, um jeweils mit den gewünschten Leistungen die gewünschte Stelle umzusetzen. Nachdem auch der Deh 4/4 II im Dunkeln durchging, war die stimmungsmäßige Talsohle des Tages aber endlich durchschritten und schon der folgende Glacier, für dessen “neue” HGe 4/4 II 106 der Deh 4/4 II den mittäglichen Regio übernommen hatte, ging bei bestem Sonnenschein durch.
Erneut zurück am Val-Giuv-Viadukt vor Dieni, klappte es dann auch hier endlich mal mit Deh 4/4 21 als Sportpendel kurz vor seinem Fahrtende. Zuvor hatte dieser bei bestem Sonnenschein natürlich erstmal eine Mittagspause in Sedrun eingelegt und eine Fahrt ausgelassen, sodass ich an meinen beiden Motiven hier tatenlos in der Sonne herumstand – zwischenzeitlich übrigens sogar im T-Shirt, so warm wurde es in den schwarzen Winterklamotten. Ganz tatenlos war ich allerdings auch nicht und gönnte mir auch ein keines Mittagessen aus dem Rucksack 😉
Der Nachmittag versprach dann voll und ganz für den Vormittag zu entschädigen und schickte viel blauen Himmel und die versprochenen Sonnenstunden ins Tavetsch.
Wenn auch als Nachschuss, wollte ich wenigstens einen Deh 4/4 am Brückenmotiv noch mit Sonne mitnehmen. Die vorherige Fahrt nach Dieni war letztmals am heutigen Tag einer Wolke zum Opfer gefallen. Dann muss eben der Nachschuss mitgenommen werden.
Zwischen Rueras und Dieni durfte es dann auch mal eine Aufnahme direkt vom offiziellen Winterwanderweg aus der Frosch-Perspektive sein. Wie immer kam Deh 4/4 21 mit seinem Sportpendel eh gerade durch und so schlecht macht sich das Motiv doch gar nicht?!
Gegen 14:30 erreichte ich dann wieder den Ortsrand von Sedrun. Wenn das Wetter hielt, hätte es hier absehbar noch bestimmt ein/zwei Stunden Sonne. Weiter musste ich also erstmal nicht, sondern konnte mir die restlichen Sonnenminuten hier vor dem Ort vertreiben. Im Kopf hatte ich natürlich den Blick von “außen” über den gesamten Ort und die dahinterliegenden Berge. Noch war die dafür angedachte Gerade aber genau achsig im Licht. Also gab’s den folgenden Lokzug und Sportpendel erstmal noch am kleinen Wiesenübergang am Ortsausgang, bevor ich noch einmal oberhalb der Strecke in den sanften Hang einstieg – im Sommer natürlich auch alles Wiese – und noch den eine Stunde später folgenden Lokbespannten abwartete.
Eine unerkannt geblieben HGe 4/4 II umrundet am Hang oberhalb von Sedrun den westlichen Ortsteil auf dem Weg nach Andermatt.
Eine Viertelstunde später folgt an gleicher Stelle der Sportpendel mit Deh 4/4 21 nach Dieni.
Dann ging es nochmal nach oberhalb der Strecke für den weiten Blick über Sedrun. Im Sommer würde ich hier wiedermal mitten in der Wiese stehen. Es gibt zwar auch hier oberhalb der Strecke im Sommer eine Piste, aber ob die nah genug dran ist, bin ich mir nicht ganz sicher. Das gilt es bei einem sommerlichen Besuch dann noch mal zu erkunden. Im Winter wiederum kommt die Sonne nur knapp weit genug herum und nur in dem Bereich, wo die Masten noch auf dieser Seite der Strecke stehen. HGe 4/4 II 4 passt aber soeben in die Lücke zwischen den beiden Masten und bekommt auch schon ausreichend Seitenlicht.
Auch der in Dieni schon auf den Lokzug wartende Sportpendel ging wenig später noch bei Sonne ab.
Die letzten beiden Bilder waren schon wieder eine kleine Zitterpartie gewesen und auch die Berge würden der Sonne hier bald im Weg stehen. Ich beschloss also, besser wird’s nicht mehr, und trottete hinab in den Ort und durch selbigen, in schönstem Abendlicht liegenden, entlang der Hauptstraße zum Auto am anderen Ende des Ortes.
Der Oberalp ist bekanntlich im Winter auf beiden Seiten des Passes eine Sackgasse. Da es hier ansonsten ab Disentis auch nirgendwo sonst mehr hingeht, ist die Straße durch Sedrun nur während des Kommens und der Abreisen der Wintersportler gut befahren. Ansonsten ist es deutlich beschaulicher als im Sommer.
Es war nun auch schon 16 Uhr durch und ein paar Kilometer wären es ja noch nach Hause… Also in gemütliche Langstrecken-Autofahrerkluft geworfen und noch kurz beim coop im Ort auf ein bisschen Verpflegung für Abend und Nacht vorbeigeschaut. Etwas verwundert stellte ich dabei das doch auffällig offensichtliche Fehlen von Masken fest und erinnerte mich daran, das hier zu heute wohl außer im ÖV überall die Maskenpflicht gefallen war. Anschließend in die richtige Richtung unterwegs, erblickte ich am Ortsrand das Bugnei-Viadukt noch im schönsten Abendlicht – damit hatte ich nun gar nicht gerechnet um diese Uhrzeit. Moment mal, stellt nicht der Sportpendel irgendwann gegen halb fünf seinen Betrieb ein und rollt dann zum Feierabend hinab nach Disentis? Es blieb keine Zeit nachzuschauen. Erstmal ans Motiv kommen! Schnell mit dem Auto hinauf nach Bugnei und dann in einem Sprint hinüber über das Viadukt ans Motiv gestellt. Dann blieb auch kurz Zeit auf den Fahrplan zu schauen: Nicht irgendwann gegen halb fünf, sondern exakt 16:30 verlässt der Sportpendel aus Dieni kommend Sedrun am späten Nachmittag auf seiner letzten Fahrt nach Disentis hinab. Das war zwar schon über fünf Minuten durch, aber ich hätte den Zug gesehen, wenn er pünktlich gewesen wäre. Da verhalf mir dann die oberalpsche Zehnminutenverspätung zum Ausklang dieser Reise sogar noch einmal zu einem genialen Abschlussbild.
Den ungeplanten, genialen Abschluss des Tages und dieser Reise sollte es dann noch am Bugnei-Viadukt mit dem heimfahrenden Sportpendel Deh 4/4 21 nach Disentis geben.
Das Tal liegt im Winter aber auch wirklich gut ausgerichtet in der Sonne und erlaubt auch im Februar ungewohnt lange Fototage. So sonnen sich auch die Chalets von Bugnei noch nach halb fünf im warmen Abendlicht.
Das war’s jetzt aber wirklich gewesen. Wirklich? Ja, wirklich! Auch wenn ich es hinter Disentis an der RhB dann bei Trun doch nochmal versuchte. Vielleicht endlich das erste Capricorn-Bild? Fahren hier (noch) gar nicht, erfuhr ich später. Wenigstens überhaupt mal wieder ein RhB-Bild nach 2019? Auch nicht, denn der entgegenkommende Zug war gerade durch, wie mir ein schneller Blick auf den Fahrplan verriet. Die Strecke hatte aber teilweise auch wirklich noch genial in der Sonne gelegen. Ebenso schnell wie genial ist dieses Licht allerdings in den Bergen auch vorbei, sodass es nichts mehr wurde mit dem RhB-Bild. Eine so lange Abstinenz hatte es dann in meiner “RhB-Karriere” auch noch nicht gegeben, seit das Hobby “ernsthaft” betrieben wird. Zuletzt hatte es 2010 mal ein Jahr Pause gegeben. Und nun schon 2020, 2021 und vielleicht auch 2022? Tja, gibt halt einfach zu viel anderes zu entdecken in dieser Welt und mit dem abgängigen Rollmaterial war es mir in diesem Winter die MGB einfach deutlich mehr wert.
So rollte es dann tiefenentspannt das Tal hinab nach Reichenau, dort auf die Autobahn nach Chur und weiter Richtung Bregenz. Noch kurz das Gekröppel zwischen Schweizer und österreichischer Autobahn vor Bregenz gemeistert und dann lief es einfach in den Abend und die Nacht hinein. Von der österreichischen A14 ging es unbehelligt auf die deutsche A96 und bei Memmingen war dann auch die A7 gefunden, die ich dann fast schon auswendig bis zum Dreieck-Salzgitter abspulen konnte. Das Lenkrad wollte derweil fest im Griff gehalten werden, denn was ich so gar nicht mitbekommen hatte: In Deutschland tobte gerade der erste von mehreren heftigen Februarstürmen mit orkanartigen Windgeschwindigkeiten. War es vorher noch vollkommen ruhig, wurde es auf der Alp plötzlich mit Platzregen und Sturmböen sehr ungemütlich. Da ging es erstmal kurz auf eine Tankfüllung und einen spätabendlichen Kaffee von der Autobahn runter. Der Regen ließ zwar netterweise wieder nach, die Sturm- und Orkanböen blieben mir aber bis nach Braunschweig erhalten. Die Cruise Control hatte teilweise ordentlich zu regeln bei diesem Wind 😀 Ansonsten galt es eben hauptsächlich viel Abstand zu schlingernden Transportern zu halten und das Lenkrad stehts fest im Griff. Die LKW hingegen waren erstaunlich stabil unterwegs, haben eben doch zum großen Teil inzwischen entsprechende Assistenzsysteme an Bord. Bei Nacht ist ja zum Glück nicht viel los, sodass auch die Wahrscheinlichkeit geringer ist, dass es irgendwo vor einem jemanden von der Straße weht und man in dessen Folge in einer Vollsperrung landet… So wurde es zwar kein entspanntes Cruisen, aber doch eine durchaus unterhaltsame Nachtfahrt 😉 Passend zum zurückliegenden Urlaub in der Schweiz, donnerten auch noch einmal die Bässe des SRF 3 Electronica Music Special “CH Beats” durch’s Auto. Leider zum fast letzten Mal, stellte SRF 3 die seit Jahrzehnten für ihre musikalische Fachkenntnis bekannten, wöchentlichen “Music Specials” im März ein, die jeweils einen Abend lang ein bestimmtes Musik-Genre tiefgründig bespielten. Ein herber Verlust, wird damit doch weider ein Sender mehr ein Stück weit zum Einheitsbrei. Ganz verschwunden ist das Erbe der Music Specials allerdings nicht, mit der “Umstrukturierung” muss ich mich aber erst noch anfreunden…
Epilog
Wie ich so am Freitagabend spontan aufgebrochen war, um das Kaiserwetter am Wochenende noch voll auskosten zu können, hätte ich nie erwartet, dass es die gesamte Woche überhaupt nur zwei halbe Tage schlechtes Wetter haben würde. Einen halben am Oberalp und einen halben im Centovalli. Wobei Schlechtwetter auch dafür noch ein großes Wort ist, denn es war meistenteils sogar trocken und mit beiden halben Tagen irgendwie auch etwas anzufangen gewesen. Irgendwie hatte der Wetterbericht zwischenzeitlich immer etwas pessimistisch gestimmt und am Ende hatte es doch immer haufenweise Sonnenbilder geregnet. Das mich das Wetter nach dem Wochenende für drei Tage aus dem Alpenhauptkamm vertrieben hatte, war im Nachhinein sogar mehr Segen als Fluch. So hatte ich mir endlich einmal und im angesichts der Fahrzeugbestellungen gerade noch rechtzeitig, großzügig Zeit für die Centovallina und Vigezzina genommen. Und irgendwie hat mich diese Bahn mit ihrem abwechslungsreichen Fahrzeugpark, ihrer einmaligen Strecken- und Umgebungs-Charakteristik zusammen mit der teils schneebedeckten, teils februarbraungoldenen Landschaft, diesmal so richtig abgeholt. Viel mehr als im Sommer 2021, wo es irgendwie eher eine Art Pflichtprogramm gewesen war, um vor den neuen Fahrzeugen nichts verpasst zu haben. Natürlich war der Tag an der Rigi absolut genial und auch die MGB und der Oberalp haben wie immer sehr gefallen, aber das war eben mehr oder weniger auch so erwartet worden, sodass als positive Überraschung für mich die Meterspur zwischen Locarno und Domodossola am meisten hervorsticht.
So kann ich wirklich ein durchweg positives Fazit mit vielen Ausrufezeichen unter diese Februar-Reise setzten, die den dieses Jahr doch extremen Winter-Blues erfolgreich zu vertreiben wusste.