Im Oktober kam es in Strausberg zu einem Schienenersatzverkehr der besonderen Art. Die Streckensperrung der S-Bahn zwischen Strausberg und Strausberg Nord sorgte für eine Verstärkung des Straßenbahnverkehrs mit je zwei Fahrzeugen pro Kurs in den Morgen- und Nachmittagsstunden. Dies rief den nur selten eingesetzten Einzelgänger T6C5 30 auf den Plan.
1998 baute CKD für die Straßenbahn in New Orleans einen Prototypen T6C5 für den amerikanischen Markt. Das Zweirichtungsfahrzeug zeichnete sich besonders durch die nur zwei Türen Vorn und in der Mitte und die Klimaanlage aus. Nach langwieriger Erprobung und nur wenigen Linieneinsätzen gelangte der Prototyp im Jahr 2001 zurück nach Tschechien. Das Hochflurkonzept war mittlerweile auch längst von der Zeit überholt worden. Mit der Strausberger Eisenbahn fand sich in Deutschland im Jahr 2003 ein dankbarer Abnehmer für den Einzelgänger. Für den Kleinstbetrieb war das Fahrzeug eine ideale Ergänzung zu den drei vorhandenen KT8D5. Während die fassungsstarken Gelenkwagen den werktäglichen Tagesverkehr abwickelten, wurde der kleine T6C5 oft in Tagesrandzeiten oder am Wochenende, vorwiegend am Sonntag eingesetzt und ersetzte dort die noch immer eingesetzten letzten Rekowagen. Auch wenn nur einer der drei KT8D5 zu Verfügung stand, musste der T6C5 einspringen, um den Anschluss an die S-Bahn aufrecht zu erhalten. In dieser Vertretervertreter-Situation findet sich das außergewöhnliche Fahrzeug noch heute wieder. Zwei der drei KT8D5 wurden in der Zwischenzeit von zwei Flexity Berlin ersetzt, der dritte wurde wie die anderen beiden KT8D5 in Prag mit Niederflurmittelteil umfangreich modernisiert, gelangte aber zurück nach Strausberg. Bei turnusmäßigen Wartungen und Inspektionen eines Flexitys, wird heute also in guter Regelmäßigkeit der KT8D5.RN2S 22 auf Linie geschickt. Nur wenn wirklich Not am Mann ist, muss noch der kleine und nicht barrierefreie T6C5 einspringen.
Eine S-Bahn-Sperrung zwischen den S-Bahnhöfen Strausberg und Strausberg Nord sorgte im Oktober 2021 allerdings für einige Wochen für einen fast täglichen Einsatz des Prototypens. Während der morgendlichen und der nachmittäglichen HVZ, wurden neben Ersatzbussen auch die Straßenbahnfahrten mit, soweit verfügbar jeweils zwei Fahrzeugen geführt.
Meine bis dahin einzigen Aufnahmen des Prototyps stammten von einem sonnigen Herbsttag im Jahr 2005. Analog natürlich, von reichlich weit unten aufgenommen. Die Güterstrecke war noch in Betrieb, der Schöndorffer T2 16 war auf Abschiedsfahrt und nebenbei wurde im Sonntagsverkehr der T6C5 eingesetzt.
Da war ein Besuch in diesem Oktober natürlich Pflicht. Für Freitag den 8. Oktober war Sonne pur in Berlin angesagt, also ging es, am Vortag noch schnell abgeklärt, mit einem weiteren Mitstreiter am Freitagmorgen Richtung Berlin. Mit dem Einrücken um 9 Uhr war die Frühspitze für Sonnenaufnahmen deutlich zu früh, zumal die Strecke morgens ohnehin kaum Sonnenmotive bietet. Am Vormittag wollten wir uns also noch etwas in Köpenick herumtreiben und dann gegen Mittag nach Strausberg hinüberfahren. Das Auto fand unweit der Haltestelle Nixenstraße einen Platz zwischen allerlei Gerümpel – na, ob das heute Abend noch da steht…
Für die Berlin ABC-Karte musste dann in der Elektrischen wirklich alles an Münzgeld zusammengekratzt werden. Das es immer noch Automaten gibt, die keinerlei “moderne” Zahlungsmittel oder wenigstens Scheine akzeptieren – ist ja nur Berlin, in diesem Failed State gibt es schließlich drängendere Probleme… 😉
Die Schatten waren noch sehr lang, sodass im Zentrum von Köpenick noch Zeit für ein Frühstück blieb. Anschließend arbeiteten wir uns aus dem Zentrum die Waldbahn der Linie 61 nach Rahnsdorf Waldschänke hinaus und wieder zurück durch das Zentrum von Friedrichshagen.
In Köpenick angekommen wurde doch überdeutlich, dass es bereits Oktober war. Entsprechend lang waren um neun noch die Schatten rund um das Rathaus und Aufnahmen nur am Schloßplatz möglich. GT6N 1569 biegt vom Rathaus kommend als Linie 62 zur Haltestelle Schloßplatz ab.
Reichlich Sonne hat es derweil an der Lindenstraße auf der Spreebrücke. GT6N-ZR 2224 als Linie 67 zum Krankenhaus Köpenick.
GT6N 1576 hält an der Haltestelle Bahnhofstraße/Lindenstraße.
Mit der Linie 61 geht es über Friedrichshagen auf die Waldstrecke nach Rahnsdorf Waldschänke. Mit einem kleinen Waldspaziergang hinüber zum S-Bahnhof Rahnsdorf, wäre von hieraus auch die Endhaltestelle der Woltersdorfer Straßenbahn erreichbar. Dank einer Fahrschule und dem uns vorausfahrenden, pausierenden Plankurs an der Endhaltestelle, durften wir zuvor noch fast fünf Minuten im Fahrzeug warten, bevor an die Haltestelle vorgerückt wurde. Das nenne ich mal einen super Service…
Noch ist das Blätterdach zu dicht, die Sonne aber über weite Teile der Strecke im Oktober bereits zu tief für Sonnenaufnahmen auf der Waldstrecke. Kurz vor der Endschleife bekommt zumindest die Front von GT6N 1600 ein wenig Sonne.
Auf dem Rückweg wurde GT6N 1600 an der Haltestelle Fürstenwalder Damm/Müggelseedamm erwartet.
Am S-Bahnhof Friedrichshagen warfen wir noch einen Blick auf die andere Seite der S-Bahn-Strecke zur SRS. Dort startete gerade der über Szeged aus Cottbus übernommene KTNF6 29 zur Fahrt nach Schöneiche und Rüdersdorf.
Ein bisschen ging anschließend noch in Friedrichshagen, hier an der Haltestelle Müggelseedamm/Bölschestraße mit GT6N 1602 als Linie 61.
Von der Bölschestraße biegt die Linie 60 auf den Müggelseedamm Richtung Altes Wasserwerk ab. Direkt hinter dem Abzweig wird die Strecke bereits eingleisig, hier mit GT6N 1508.
Noch ein Bild vom GT6N 1558 auf der Bölschestraße vor der Haltestelle Müggelseedamm/Bölschestraße, dann geht es mit dem Kurs der Linie 61 auf den langen Weg nach Strausberg.
Gegen Mittag wurde dann der doch etwas zeitintensive Weg nach Strausberg in Angriff genommen: Mit der 61 zur Bahnhofstraße, mit der 63 zur Rahnsdorfer Straße und schließlich das letzte Stück mit der 62 weiter zum S-Bahnhof Mahlsdorf. Gut, das wäre auch mit weniger Umsteigen gegangen, aber wir nahmen immer gleich die nächste Bahn, die uns wieder ein Stück weiterbrachte. Am S-Bahnhof war dann erst die übernächste Fahrt ein Langläufer bis Strausberg. So läpperte sich die Reisezeit letztlich aus Friedrichshagen von der Haltestelle Müggelseedamm/Bölschestraße bis zu unserem ersten Motiv in Strausberg an der Haltestelle Landhausstraße auf eine stolze Stunde und 45 Minuten. Dafür blieb aber genug Zeit ein wenig zu dösen und in Mahlsdorf den Bahnhofsbäcker für einen Mittags-Imbiss samt Kaffee zu konsultieren.
Die im Vergleich zu anderen Verkehrsbetrieben wirklich nützliche BVG-App hatte uns aber im Vorhinein auf diese lange Fahrzeit eingestimmt, sodass wir pünktlich zu ersten Verstärkerfahrt am Nachmittag in Strausberg eintrafen.
Wohl wegen des langen eingleisigen Abschnittes nach Mahlsdorf endet die Linie 63 vor Mahlsdorf an der Haltestelle Rahnsdorfer Straße. Beim Umsteigen auf die nächste 62 konnte GT6N-ZR 2212 bei seinem Fahrtantritt als Linie 63 nach Adlershof aufgenommen werden.
In Strausberg angekommen, wird die nachmittägliche Foto-Session vom Flexity 0042 an der Haltestelle Landhausstraße eröffnet. Sofort fällt das grüne Dreieck auf gelbem Grund hinter der Frontscheibe auf, das auf eine Folgefahrt im Sichtbastand hinweist. Sowas kennt man sonst ja eher von Bergbahnen…
Im Sichtabstand folgt der Star dieser Oktoberwochen: T6C5 30 als Verstärkerfahrt zum S-Bahnhof.
Die zweite Fahrt zum S-Bahnhof hatten wir etwas verdaddelt an der Kreuzungsstation Hegermühle. Daher gibt’s erst wieder die Rückfahrt als Nachschuss hinter der Straßenkreuzung an der Hegermühle Richtung Lustgarten.
Nur einige Meter weiter saust der kleine T6C5 wenig später zwischen den Haltestellen Heinrich-Heine-Straße und Hegermühle schon wieder zurück zum S-Bahnhof.
Die vielbefahrene Berliner und später August-Bebel-Straße, der die Strecke ab Hegermühle bis zu Endsation am Lustgarten folgt, ist aufgrund des Autoverkehrs nicht immer ganz einfach. Am heutigen Nachmittag wurden wir aber zuverlässig vom Glück verfolgt und so klappte schon der erste, eher beiläufige Versuch an der Berliner Straße mit dem Nachschuss auf KT8D5.RN2S 22 zwischen den Haltestellen Hegermühle und Heinrich-Heine-Straße.
T6C5 30 erreicht die Haltestelle Käthe-Kollwitz-Staße Richtung Lustgarten. Mit dem folgenden Flexity setzten wir zur Verfolgung an.
Für die kurze Pausenzeit fährt der T6C5 am Lustgarten um die Ecke zur Depotzufahrt. Dort sonnt sich der Prototyp vor der nächsten Fahrt zum S-Bahnhof.
Der niederflurige Plankurs mit Flexity 0042 wartet derweil an der Haltestelle Lustgarten auf die Abfahrtszeit.
0042 ist Richtung S-Bahnhof abgefahren und sogleich nimmt T6C5 die Verfolgung auf. Nur für einige Enthusiasten musste der Wagen an der Haltestelle Lustgarten noch kurz stoppen, die übrigen Fahrgäste hatten bereits im vorausfahrenden Niederflurer Platz genommen. Überhaupt schien an diesem Nachmittag ein beträchtlicher Teil der Fahrgäste und Menschen entlang der Strecke extra für den kleinen Exoten angereist. So viele Fotografen in so kurzer Zeit sieht diese Strecke wohl auch nicht oft.
Zwischen den Haltestellen Elisabethstraße und Lustgarten fährt KT8D5.RN2S 22 in Seitenlage entlang der August-Bebel-Straße der Endstation entgegen. Der zweite Flexity stand heute nicht im Einsatz, sodass der KT8 allein seine Bahnen zwischen S-Bahnhof und Lustgarten zog.
Zwar wurden an der Lindenpromenade einige Sanierungsarbeiten vorgenommen, die Straße selbst ist aber immer noch eine der für das Berliner Umland typischen Sandpisten. KT8D5.RN2S 22 passiert die Lindenpromende zwischen dem S-Bahnhof und der Haltestelle Landhausstraße.
Im letzten Sonnenspot der Strecke gab es zum Abschluss nochmals den Star des Tages: T6C5 30 auf seiner letzten Fahrt an diesem Nachmittag in Richtung S-Bahnhof.
Das war doch mal ein genialer Nachmittag gewesen. Neben dem Kaiserwetter hatten wir vor allem mit den vielen parallel fahrenden Autos Richtung Strausberg jeweils ein Riesenglück, sobald der kleine T6C5 daher gefahren kam. Am S-Bahnhof genehmigten wir uns erstmal einen feinen Pflaumenkuchen mit Kaffee, bevor wir die nächste S-Bahn enterten. Die Rückfahrt führte diesmal zur Abwechslung mit der S5 bis Wuhletal, mit der U5 bis zum Tierpark und mit der 27 zurück zum Auto unweit der Haltestelle Nixenstraße. Wieder eine kleine Weltreise, aber bei langsam einbrechender Dunkelheit war das auch nicht weiter schlimm und die Autobahn würde nur leerer werden, je später wir fahren würden. Ohne Störungen lief es dann auch zurück nach Braunschweig und ein sehr erfolgreicher Oktoberausflug ging zu Ende.