Durch Lettlands Regen V: KT4D und Sonne in Liepāja

Heute geht es nach ganz in den Westen von Lettland zum kleinsten Straßenbahnbetrieb des Landes in Liepāja. Neben neuen Niederflurfahrzeugen von Koncar, kommen dort noch immer die letzten KT4D verschiedener Herkunft zum Einsatz und auch die Sonne soll sich heute endlich mal wieder zeigen.


Sonntag, 29.08.2021: KT4D und Sonne in Liepāja

Ob nun unbedingt der Sonntag der richtige Tag war, um in Liepāja die letzten noch im Einsatz befindlichen KT4D aufzusuchen? Sicher nicht, aber ich wusste auf der anderen Seite wiederum, dass die bislang sechs vorhandenen Neufahrzeuge auch für den Sonntagsauslauf nicht ausreichen würden. So erachtete ich es für deutlich erstrebenswerter, mich am Wetterbericht zu orientieren und dafür eben mit zwei statt deren vier KT4D auf der Strecke auszukommen. Der Wetterbericht wiederum versprach für heute immerhin eine hohe einstellige Zahl an Sonnenstunden ab Mittag, während für morgen schon wieder recht große Ungewissheit herrschte. Zudem wäre das am Ende auch recht stressig geworden, den Tagesausflug nach Liepāja auf Montag zu verschieben, wenn ich Dienstag in aller Frühe schon zum Flughafen in Riga aufbrechen müsste.

So hatte ich gestern Abend also noch schnell den Bus von Riga nach Liepāja mit Abfahrt 07:05 Uhr ab Autoosta gebucht und mir etwas den Kopf über die morgendliche Versorgungslage zerbrochen. Dank des Tagesausfluges konnte der Koffer im Hotel verbleiben und ich zog um halb sieben, nur mit Fotorucksack beladen, durch die Altstadt hinüber zum Autoosta am Centrāltirgus. Dort klärte sich dann auch die Versorgungslage, denn was Apple Karten nicht wusste war, dass der Autoosta selbst auch noch ein Narvesen beherbergt, der schon vor allen anderen für die frühmorgendlichen Busabfahrten öffnet. So konnte ich schonmal ein Croissant und einen Kaffee und etwas weitere Verpflegung für den Start in den Tag besorgen.

Pünktlich fuhr dann auch der Mercedes Intouro am Bussteig vor. Lustigerweise musste der Fahrer dann beim Einsteigen der Fahrgäste die online gebuchten Tickets anhand der Buchungssnummer auf den Smartphones auf einer extra ausgedruckten Liste abhaken. Da gab es also auch in Lettland noch eine kleine Lücke in der Digitalisierung, die sich aber zumindest nicht für die Fahrgäste negativ auswirkte.
3:30h waren für die Fahrt nach Liepāja veranschlagt und auf den gähnend leeren Straßen eines Sonntagmorgens hatte der Bus keinerlei Probleme, den Plan einzuhalten. So ließ der tiefenentspannte Fahrer auch schonmal einen LKW auf der Fernstraße A9 überholen, auf die er kurz hinter Riga eingeschwenkt war und der er bis Liepāja folgen sollte. Auf Wunsch wurde auch noch ein inoffizieller Halt an einer Haltestelle eingelegt, die ansonsten so früh morgens nicht zu erreichen gewesen wäre. Die zehn Minuten Pause am Autoosta in Saldus wurden regelkonform eingehalten, geöffnet hatte hier am Sonntag aber nicht mal das WC. Gut, dass ich in Riga noch eingekauft hatte, sonst wäre ich bis zur Ankunft um 10:30 Uhr doch allmählich verhungert.
Die Fahrt selbst war unspektakulär, aber komfortabel und zwischendurch ging es auch mal durch sanft hügelige Agrarlandschaft, wo der Blick mal etwas weiter reichte, als bis zur nächsten Waldgrenze. Um den Fahrplan bei etwas mehr Verkehr einhalten zu können, hätte der Fahrer aber schon ganz schön auf die Tube drücken müssen, denn mit der etwas defensiveren Fahrweise erreichten wir Liepāja schon nur noch knapp zur Planzeit.
Der inzwischen modernisierte Busbahnhof liegt direkt am Bahnhof. Wobei inzwischen sind, bei nur zwei wöchentlichen Zugpaaren nach Liepāja, die Prioritäten wohl längst umgekehrt. Viel wichtiger aber: Auch die einzige Straßenbahnlinie der Hafenstadt fährt hier entlang. Von der Endschleife Brīvības iela war der Bus bereits die gesamten drei Haltestellen bis zum Bahnhof parallel gefahren, besonders spannend sah es dort aber nicht aus, sodass ich mich eher Richtung Innenstadt orientieren würde. Zunächst wurde aber das Bahnhofsmotiv umgesetzt und ich wartete mal, bis etwas anderes als einer der neuen Koncar TMK 2300 vorbeikam. Der vierte Kurs, im trotz Sonntag dichten 8-Minuten-Takt, war dann der erste KT4D des Tages. Auch am Werktag wird mit einem 7-Minuten-Takt jetzt nicht wesentlich häufiger gefahren. Die ungünstigen Umlaufzeiten erfordern dann allerdings mit elf statt acht Wagen gleich drei Kurse mehr.


Schon direkt nach Aussteigen am (Bus)Bahnhof bietet sich mit selbigem das erste tolle Motiv der Straßenbahn Liepāja. Die CroTram TMK 2300 werden von einem Konsortium um Koncar gefertigt. Alle sechs bis dato gelieferten Fahrzeuge 250 bis 255 standen heute im Einsatz. Hier ist TMK 2300 253 um die Haarnadel am Bahnhof herumgefahren und rollt nun auf der Dzelzceļnieku iela weiter zur Endschleife Brīvības iela.


Nach drei TMK 2300 folgt auch endlich einer der beiden heute eingesetzten KT4D in Gestalt des ehemaligen Erfurter 505, der 2005 nach Liepāja gelangte und dort die Nummer 246 erhielt.

Nach einem weiteren Niederflurer kam dann als letzter Kurs im Umlauf der schwarze KT4D 244, ebenfalls aus Erfurt. Neben den ehemals acht direkt aus Erfurt übernommenen KT4D 240-247 (zu erkennen an den neuen Erfurter Türen mit durchgehender Verglasung), gibt es auch noch den aus Gera übernommenen 239 (zu erkennen an den großen eckigen Scheinwerfern) und die drei aus Cottbus übernommenen 236-238 (zu erkennen an den runden Scheinwerfern+alten Türen mit den acht ovalen Einzelfenstern). Darüber hinaus gab es noch 22 ab 1983 für Liepāja produzierte KT4SU, von denen laut phototrans.eu – Stand heute – noch fünf Fahrzeuge vorhanden sind.
Heute stellte sich das aber insofern einfach dar, als das ohnehin nur zwei Erfurter im Einsatz standen. Mit der Vielfalt und Anzahl der KT4D dürfte es angesichts der Niederflurwagen dann wohl auch sehr bald rapide bergab gehen.


Den Bahnhof kann man zur selben Zeit am Vormittag dank der Haarnadel praktisch aus beiden Richtungen fotografieren. Hier hält TMK 2300 251 an der Haltestelle Stacija stadteinwärts.


Sieben Minuten später kommt wenige Meter weiter auch KT4D 246 von der Endschleife Brīvības iela zurück. Die von der Innenstadt zum Bahnhof führende Rigas iela wirkt dabei teilweise wie eine Filmkulisse.


Noch kämpft die Sonne erheblich mit den dicken Wolken und lässt noch Aufnahmen im Gegenlicht zu, wie hier mit TMK 2300 255 auf der Rigas iela Richtung Bahnhof.


Der zweite KT4D in Gestalt des ex Erfurters 452 mit neuer Nummer 244 ist zwischenzeitlich auch im Gegenlicht Richtung Brīvības iela durchgehuscht und kommt nun durch die Rigas iela zurück Richtung Innenstadt.


Über die Brücke über den Tirdzniecības kanāls (Handelskanal) habe ich inzwischen die Innenstadt erreicht. Das schmucke Portal der Universität versteckt sich etwas hinter den ausladenden Laubbäumen, sodass sich TMK 2300 254 nur aus einer seitlichen Perspektive mit dem Gebäude umsetzten ließ. Dabei keine parallel fahrenden Autos oder laufenden Passanten zu erwischen, erwies sich bei mehreren Versuchen als Ding der Unmöglichkeit.


Die gleiche Stelle vor der Haltestelle Kurzeme mit KT4D 244 jetzt aus einer spitzeren Perspektive – jetzt hätte es wohl auch mit der Uni ohne Störelemente geklappt…

Ich hatte mich nun schon die ganze Strecke vom Bahnhof in die Innenstadt vorgearbeitet. So richtig weit ist das bei einer Streckenlänge von knapp 8 Kilometern aber auch alles nicht. Da die ersten Anzeichen von Sonnenschein sich vorerst wieder verzogen hatten, fuhr ich nach einem kleinen Snack vom Narvesen im benachbarten Einkaufszentrum, erstmal die restliche Strecke bis zur neuen Endschleife Ķempes iela. Es sollte die erste und letzte Mitfahrt bleiben, denn zum einen ist die Strecke einfach so kurz, dass man sie besser erlaufen und nebenbei fotografieren kann, zum anderen gibt es auch in Liepāja keine Tageskarten. Mit einem Einzelfahrpreis von einem Euro schlägt das dann irgendwann schon zu Buche, wenn man jeweils nur wenige Haltestellen fahren möchte. Auch fehlen in Liepāja die Schaffnerinnen, sodass man sich immer am Eingang beim Fahrpersonal eine Fahrkarte ziehen muss. Schlussendlich war auch die Fahrt im neuen TMK 2300 eine mittlere Katastrophe. Noch den sanften Kurvenlauf und die ruhige Fahrweise der 15T aus Riga gewohnt, waren diese Karren ein Abstieg um mehrere Klassen. Der Kurvenlauf war, natürlich teilweise auch konstruktionsbedingt, einfach nur ruckelig und sägend. Aber auch derart laute Fahrgeräusche habe ich in einem nagelneuen Niederflurwagen selten erlebt. In Bydgoszcz waren wir 2017 mal mit einem Pesa 122N mitgefahren, der ähnlich laut, damals aber auch schon zehn Jahre über teils ausgefahrene Gleise gehumpelt war. Aber für eine nagelneues Fahrzeug war das schon eine Ansage. Abgerundet wurde das Ganze von einem unglaublich unkomfortablem Abrollverhalten. Da wurde aber wirklich jede Unebenheit direkt akustisch und physisch an den Innenraum weitergereicht, was durch die Hartplastiksitze natürlich auch nicht besser wurde. Schon in Zagreb war mir die konstruktiv abweichende Langversion der Fahrzeuge dieses Konsortiums 2012 und 2018 eher negativ aufgefallen. Mit den beiden kurzen Exemplaren in Zagreb ergab sich hingegen damals keine Mitfahrt, an die ich mich erinnern würde. Nun wusste ich zumindest, dass auch das kein Verlust war. Aber genug der harten Kritik. Immerhin hat dieser interessante Kleinbetrieb mit den neuen Niederflurwagen zunächst einmal wieder eine gesicherte Zukunft mit zeitgemäßer Behindertengleichstellung. Und rein äußerlich gefallen mit die Wagen besonders wegen ihrer freundlichen Farbgebung, sowohl bei Sonne, als auch bei Wolken. Über die Formgebung ließe sich hingegen noch disskutieren…

  • Inhaltlich ist der weitere Nachmittag schnell erzählt: Von der neuen Endschleife Mirdzas Ķempes iela 250, arbeitete ich mich Stück für Stück bei immer größeren Sonnenlücken bis in den späten Nachmittag hinein zum Bahnhof zurück. Zunächst noch etwas im Wolkenpech, entstanden dann ab dem Erreichen der “Altbaustrecke” noch viele sonnige Aufnahmen im schönsten Licht, die den Tag zu einem vollen Erfolg werden lassen sollten. Ich lasse daher erstmal weitgehend die Bilder des Nachmittages sprechen:


TMK 2300 250 ist bis zur neuen Endschleife Mirdzas Ķempes iela gerumpelt. 2013 wurde die Strecke in das große südliche Plattenbauviertel verlängert. Ein kurzer Abschnitt auf der Klaipēdas iela bis zur ehemaligen Endschleife wurde im Zuge dessen aufgegeben.


Die Fahrleitungsmafia scheint indes auch hier in Liepāja zu Gange gewesen zu sein und hat großzügig mit Masten um sich geworfen. Kaschieren lässt sich der Mastenwald nur, wenn man die Masten genau in der Achse platziert – anders passen selbst die kurzen TMK 2300 kaum in ein Fenster zwischen zwei Masten. Hier durchfährt TMK 2300 255 gerade das südliche Plattenviertel unweit der Haltestelle Cieceres iela.


Zwischen den Plattenvierteln und dem Erreichen der alten Strecke auf der Klaipēdas iela, durchfährt die Linie noch ein deutlich gehobeneres Viertel, mit teils gut abgeschotteten Grundstücken und netten Wagen vor den Garagen. TMK 2300 hat mit Vaiņodes iela die vielleicht einzige lettische Straßenbahnhaltestelle mit überfahrbarem Haltestellencap passiert. 


Mit einer 90-Grad-Kurve Richtung Westen strebt die Neubaustrecke wieder der alten Trasse entgegen. Hinter der Ecke klappte es dann endlich auch mal mit Sonne und KT4D – zum Glück nicht das letzte Mal am heutigen Nachmittag. Die Fahrerin von KT4D 244 war derweil hochgradig belustigt von meinem Treiben und grüßte stets lachend bei jeder Vorbeifahrt.


Wir sind wieder auf die alte Trasse eingeschwenkt und haben auf der Klaipēdas iela einen kleinen Sprung gemacht, bis diese sich ihrem starken Autoverkehr auf die Uliha iela entledigt. Am Friedhof entlang ist die Klaipēdas iela dann bis fast in die Innenstadt ein gemütliches Nebensträßchen. So auch zwischen den Haltestellen Līvas laukums und Ventas iela mit TMK 2300 254 stadtauswärts.


Einige hundert Meter weiter Richtung Innenstadt hat soeben wieder KT4D 244 die Haltestelle Līvas laukums verlassen, nachdem zwei Kurse zuvor KT4D 246 unter einem Auto- und Wolkenschaden gelitten hatte.


An der Haltestelle Līvas laukums vorüber, kam kurz zuvor auf dem namensgebenden Platz TMK 2300 251 stadtauswärts durch.


Nur noch eine Ecke von der Innenstadt entfernt, könnte es dennoch auf der Krišjāņa Valdemāra iela unweit der Haltestelle Pētertirgus kaum idyllischer zugehen. Auch der Himmel zeigt sich inzwischen großflächig blau, als TMK 2300 stadtauswärts vorbeidröhnt.


Kurz hinter der Haltestelle Pētertirgus bietet sich diese seitliche Perspektive über das wiedermal üppige Grün mit TMK 2300 253 an. Zur laubfreien Zeit würde hier die Svētā Jāzepa Romas katoļu katedrāle das Bild bereichern. Heute kann diese getrost abgeschnitten werden und stattdessen die Blumenrabatten ins Bild integriert werden.


Die künstlerisch bemalte Seitenwand des Gebäudes vor der Haltestelle Pētertirgus war schon auf der vorletzten Aufnahme im Hintergrund erkennbar. Zum stadtauswärts fahrenden KT4D 246 ist das Kunstwerk farblich perfekt abgestimmt.


Ein kleiner Sprint an der Haltestelle Pētertirgus vorüber, ermöglicht noch eine weitere Aufnahme des KT4D 246, jetzt wieder neben der Kathedrale.


Hinter der Ecke im Hintergrund befindet sich bereits wieder die zentrale Haltestelle Kurzeme. Über die Straße hinweg wurde TMK 2300 252 von einem weiteren Fotografen festgehalten, bei dem es sich – so vermute ich – um einen Landsmann handelte. Bei den nun doch länger werdenden Schatten, hatte ich aber noch zu viele Ideen im Kopf, um für einen Schnack anzuhalten. Nach einem kurzen Gruß über die Straße ging es also fix weiter.


So wurde es beispielsweise für die Einfahrt in die Haltestelle Kurzeme höchste Zeit. Die kurzen Wagen – hier TMK 2300 255 – passen perfekt in die kleine Lücke zwischen den Masten.


Auch in die Lielā iela, in der heute Mittag nur einige nicht zeigenswerte Dunkelbilder entstanden waren, schien nun perfekt die Sonne. TMK 2300 251 hat vom Bahnhof kommend die Haltestelle Koncertzāle passiert.


Für den folgenden KT4D 246 ging es noch einmal wenige Meter zurück mit dem tiefen Blick in die Lielā iela. Ein noch schnell aus dem Narvesen im Einkaufzentrum geholtes, frisch aufgebackenes Sandwich mampfend, ging der KT4D 246 noch einmal perfekt mit Sonne und ohne Autoschaden durch – Der Moment, in dem ich mit diesem Tag bereits zufrieden abschließen konnte.


Auf den restlichen Metern zurück zum Bahnhof gab es aber noch einen kleinen Nachschlag: Zunächst TMK 2300 252 auf der Brücke über den Handelskanal stadteinwärts.


Dann aber wirklich als Abschluss in Liepāja auch noch einmal KT4D 244 im schönsten Abendlicht beim Verlassen der langen Allee der Rigas iela unmittelbar hinter der Haltestelle Esperanto iela.

Heute Abend hatte ich für die Rückfahrt dann die Qual der Wahl. Entweder mit dem Bus oder mit der Bahn, denn der Sonntagabend ist einer von nur zwei Tagen, an denen ein Zug von Liepāja Richtung Rīga abfährt. Bevorzugt wollte ich natürlich auch diese Bahnstrecke einmal befahren, die Frage stellte sich eher der frühen Abfahrtszeit wegen. Aber gegen halb sechs war ich dann doch weitgehend durch hier, abgesehen von dem inzwischen schon im Schatten liegenden Stück vom Bahnhof zur Schleife Brīvības iela. Dann konnte ich auch gleich auf den Zug aufspringen. Schnell noch etwas Verpflegung im nahe gelegenen Supermarkt gekauft und auf den Bahnsteig gelaufen. Zwei Minuten vor Abfahrt buchte ich online noch das Ticket. Umgehend kam die Bestätigung mit QR-Code per Mail und ich suchte mir im vordersten Bereich des Steuerwagens einen noch freien Fensterplatz. Schon setzte sich der Zug brummend in Bewegung und schaukelte über die umfassenden Gleisanlagen Liepājas gen Osten hinaus ins lettische Nichts. Immerhin sechs Bahnhöfe findet der Zug auf seiner dreistündigen Fahrt nach Rīga. Die Fahrzeit von drei Stunden ist dann auch schon der einzige Pluspunkt der Bahn gegenüber dem Bus, welcher auf der schnellsten Verbindung mit den wenigsten Halten 3:30h benötigt. Ansonsten ist die Strecke einfach nur brutal. Angesicht der nur zwei Personenzüge pro Richtung und Woche scheint nur das wirklich Nötigste Instand gehalten zu werden. Es rumpelte und schaukelte trotz mäßiger Geschwindigkeit teils besorgniserregend. Mehrere Langsamfahrstellen werden unterwegs passiert. Gut, dass das Rad/Schiene-System weit mehr aushält, als man meist so denkt. Das Ganze wird eher zu einer Frage des Fahrkomforts und der war positiv gesagt mäßig. Dazu kam noch die Lautstärke im Innern, weil eines der Fenster auf der anderen Wagenseite durchgehend geöffnet blieb – gut, dafür kann weder Zug noch Strecke etwas. Das Geschwanke und Geschaukel konnte schon fast mit Kairo – Alexandria mithalten, wobei dort teilweise wirklich mit besorgniserregender Geschwindigkeit über solchen Gleisbau geheizt wird und es nicht selten zu Entgleisungen kommt. Am Gleisbau wird gespart, dafür ist aber noch jeder der teils sehenswerten Bahnhöfe mit Personal besetzt, obwohl kein einziger Zug abseits des Großraum Rīga entgegen kam. Auch bei Durchfahrten ohne Halt (was hält hier eigentlich, wenn nicht dieser Zug?), stand stets eine Kelle zeigende Dame in Bahnerkluft auf dem Hausbahnsteig.

Solange die Sonne noch dem Hoizont entgegenfiel, war es aber eigentlich eine schöne, wenn auch rustikale Fahrt durch viel lettische “Gegend”. Die letzte Stunde bei einbrechender Dunkelheit wurde dann aber doch sehr zäh.
Der Zug war übrigens sehr gut gefüllt, bestimmt 70-80% der Sitzplätze waren ausgelastet. Angsichts des absurd schlechten Fahrtenangebotes und des mangelnden Komforts gegenüber den höherklassigen Fernbussen schon erstaunlich. Allein die halbe Stunde Zeitersparnis kann es eigentlich nicht sein – irgendwas scheint der lettischen Bevölkerung an ihrer Eisenbahn doch zu liegen.
Pünktlich gegen halb neun erreichte die Fuhre schließlich Rīga-Pasažieru. Ich war mittlerweile gut durchgeschüttelt und froh, stabilen Boden unter die Füße zu bekommen.
Bei einem Spaziergang  durch die Altstadt ließ den Tag anschließend (fast) tramfrei ausklingen.


Blick über den Līvu laukums in der historischen Altstadt von Rīga.

Blick durch die Amatu iela

Das Freiheitsdenkmal am Rande der Altstadt auf dem Brīvības laukums.


Eine T3SU-Traktion mogelte sich am Brīvības laukums dann doch noch ins Bild.

Gut erledigt von den 6 1/2 h Fahrt und dem teils etwas eiligen Nachmittagsmarsch, beließ ich es anschließend bei einigen Kleinigkeiten aus einem Maxima, die auf dem Hotelzimmer verspiesen wurden. Der Blick auf den Wetterbericht für Morgen versprach derweil endlich auch in Rīga „Wetter mit Chance“ (Erklärung folgt im nächsten Teil). Zumindest am Nachmittag schien die Sache nicht ganz aussichtslos. Der Vormittag war ein wenig unklar. Umso besser, konnte ich so nach diesem anstrengenden Tag erstmal ausschlafen…

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