Portrait des größten deutschen Schmalspurnetzes nach der Wende
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Teil 5 – Entlang der Selke von Quedlinburg nach Harzgerode
Der fünfte Teil unserer Harzreise führt uns an die ursprüngliche Strecke der Selketalbahn zwischen Gernrode und Harzgerode, mit der umgespurten Verlängerung von Gernrode nach Quedlinburg. Für eine größere Ansicht der Karte mit der rechten Maustaste auf die Karte klicken und “Grafik anzeigen” auswählen.
Im fünften Teil der großen Harzreise begeben wir uns nun entlich zur Selketalbahn. Wie auch auf der Harzquerbahn, herrscht hier an manch einem Ort weit abseits der Brockenstrecke, noch eine Schmalspurromantik, wie aus vergangenen Tagen. Wunderschöne Bahnhofsgebäude, teils mustergültig restauriert, teils dem Verfall überlassen, bieten Bahnhofsmotive, wie sie sonst kaum noch in Deutschland zu finden sind. Zwischen den zahlreichen Bahnhöfen und Haltepunkten geht es zunächst entlang der Selke in engen Kurven durch dichten Mischwald, später bei Stiege auf dem Weg zur Harzquerbahn wandelt sich das Bild hin zu kahler und schroffer Hochebene. Neben der Landschaftsvielfalt und den Bahnhöfen aus vergangenen Zeiten, macht auch der vom restlichen Schmalspurnetz abweichenden Fahrzeugeinsatz den Reiz der Betriebsteils “Selketalbahn” aus. Lange Jahre standen hier die Einzelgänger 99 6001 und 99 5906 im Zweizugbetrieb nebeneinander im Einsatz und wurden durch die drei Inselbahntriebwagen ergänzt. Seit der Kürzung des zweiten Dampfzuges im Jahr 2016, ist diese Vielfalt leider ein Stück weit vorbei und beim Ausfall der 99 6001 kommt immer häufiger eine Einheitslok in den Selketalumlauf. Dennoch ist ein Besuch der Strecken zwischen Quedlinburg, Harzgerode, Hasselfelde und Eisfelder Talmühle immer lohnenswert und bietet eine unvergleichliche Entschleunigung im verschlafenen Selketal.
In diesem Teil reisen wir zunächst entlang der ursprünglichen Strecke der Selketalbahn von (Quedlinburg)/Gernrode über Alexisbad nach Harzgerode, bevor uns der letzte Teil unserer Harzreise zu den Erweiterungen über Stiege nach Hasselfelde und Eisfelder Talmühle führen wird.
5.7 Bahnhof Alexisbad
Im Bahnhof Alexisbad trennen sich die beiden Strecken der heute in ihrer Gesamtheit als Selketalbahn bezeichneten Strecken zwischen Hasselfelde, Harzgerode und Gernrode/Quedlinburg. 1888 erreichte die Gernrode-Harzgeroder Eisenbahn von Norden aus Gernrode kommend den Ort Alexisbad. Hier biegt die Strecke scharf nach Osten ab und verläuft die letzten knapp drei Kilometer hinauf nach Harzgerode. Schon ein Jahr später wurde jedoch auch das erste Stück der Strecke nach Hasselfelde auf dem Abschnitt bis Silberhütte eröffnet. So kommt dem Bahnhof Alexisbad bei der Selketalbahn seit jeher eine übergeordnete Rolle zu. Ein beliebtes Schauspiel sind dabei immer die Doppelausfahrten Richtung Hasselfelde und Harzgerode auf dem kurzen parallelen Abschnitt südlich des Bahnhofes. Das eigentliche Kleinod ist allerdings der Bahnhof selbst, mit seinem im Harzer Heimatstil errichteten Bahnhofsgebäude samt angrenzendem Güterschuppen. Bis heute hat sich der Bahnhof einen großen Teil seiner Ursprünglichkeit aus den Anfangszeiten der Selketalbahn erhalten. Lediglich am Hausbahnsteig wurde ein befestigter Bahnsteig mit modernen Betonkantsteinen errichtet. Die übrigen drei Bahnsteiggleise präsentieren sich noch heute im klassischen Zustand mit ein wenig aufgeschüttetem Splitt zwischen den Schienenoberkanten.
Mehrmals am Tag bieten sich im Bahnhof Alexisbad interessante Fahrzeuggegenüberstellungen: Durch das Rückfallweichensystem im gesamten Bahnhof laufen die Fahrzeuge aus den drei Richtungen Gernrode, Harzgerode und Hasselfelde jeweils auf unterschiedlichen Gleisen ein. Wenn am Nachmittag die Sonne die Bahnhofsgleise erreicht, lassen sich nicht selten abwechslungsreiche Aufstellungen beobachten.
Eine der angesprochenen Fahrzeugaufstellungen bot sich am Nachmittag des 31. März 2016. Zufällig kam der kleine T1 auf Sonderfahrt aus Hasselfelde durch und komplettierte so die Parade mit 187 013-8 nach Hasselfelde und 187 019-5 nach Harzgerode. In diesem Zustand zeigt sich der Bahnhof bis heute, Treffen von drei Triebwagen unterschiedlicher Bauart sind momentan allerdings die Ausnahme.
Meist ist das Treiben in Alexisbad recht beschaulich. Nur mit dem Eintreffen der wenigen täglichen Dampfleistungen kommt ein wenig Leben auf den beschaulichen Bahnhof. Bei einer der zahlreichen Triebwagenhalte, sind in der Regel keine Handvoll Menschen auf dem Bahnhof unterwegs, wie am 17. Mai 2014, als der Fuchs in seinem bislang letzten Betriebsjahr am Hausbahnsteig hält.
Am 18. August 2012 steht der Fuchs an gleicher Stelle, ansonsten ist die Szenerie kaum wiederzuerkennen: Das Bahnhofsfest Gernrode anlässlich des 125. Jubiläums hat mit den Sonderzügen so viele Menschen auf den Bahnhof Alexisbad gebracht, wie wohl nur an wenigen Tagen seines Bestehens. Der Sonderzug aus der Mallet 105 der Schweizer Museumsbahn Blonay-Chambey und der 99 6101 hat soeben den Bahnhof erreicht und noch einmal eine Ladung Menschen mitgebracht.
Nachdem BC 105 vorgerückt ist, kann die kleine 99 6101 nach der Fahrt aus Gernrode die Wasserreserven ergänzen, denn auch auf der Rückfahrt sind einige Höhenmeter zu überwinden. Die beiden Mittelbahnsteige sind nach wie vor unbefestigt und auch ausgewiesene Übergänge und Geländer sucht man vergebens.
Aus dem Mittelgleis lassen sich als einziges beide Richtungen der Doppelausfahrt erreichen. BC 105 steht kurz nach dem Wassernehmen auf genau dieser entscheidenden Weiche, während noch einige Probleme mit dem Triebwerk notdürftig behoben werden.
Auf einer Sonderfahrt im selben Jubiläumsjahr nimmt die Schwestermaschine 99 5906 am 19. Mai 2012 im Bahnhof Alexisbad Wasser, um anschließend mit ihrem Fotogüterzug eine Doppelausfahrt neben dem T3 nachzustellen.
Während 99 5906 am 2. März 1996 in Gernrode in schneefreier Landschaft gestartet war, reichten die wenigen hundert Meter Höhenunterschied bis Alexisbad für ein paar Reste der weißen Pracht aus dem langsam endenden Winter. Schön zu erkennen, dass sich im Bahnhof Alexisbad in den letzten 25 Jahren nahezu nichts verändert hat.
Aus nördlicher Richtung gesehen ist der Bahnhof selbstredend nie im Licht. Da braucht es schon einen wechselhaften Februartag, um sie Szenerie in einer Sonnenpause ansprechend darzustellen. Das Harzkamel 199 861-6 ist am 19. Feburar mit einem Triebwagenersatz aus Nordhausen unterwegs nach Quedlinburg und legt eine kleine Pause im Bahnhof Alexisbad ein.
Kurz zuvor ist das ungewöhnliche Gespann aus Stiege kommend in den Bahnhof eingerollt. In Gegenrichtung werden an dieser Stelle gern die spektakulären Doppelausfahrten nachgestellt. Im Planbetrieb erfolgen diese allerdings maximal mit einem Dampfzug und einem Triebwagen. Dampfdoppelausfahrten gab es auch zu Zeiten des noch verkehrenden zweiten Dampfumlauf in Alexisbad nicht.
Mit dem planmäßigen nachmittäglichen Dampfzug über Hasselfelde nach Eiselfelder Talmühle wartet 99 7235-7 am 11. Februar auf die Ankunft des Gegenzuges.
Wenig später läuft dieser in Gestalt des noch unrestaurierte 187 013-8 aus Hasselfelde kommend in den Bahnhof ein. Gut zu erkennen sind hier die beiden Rückfallweichen am südlichen Bahnhofskopf, welche die Züge auf die jeweils äußeren Gleise leiten, während Züge aus Gernrode ins Mittelgleis einfahren und über die konventionelle Weiche am Ende des Bahnsteiges die Richtung für die Weiterfahrt nach Hasselfelde oder Harzgerode wählen können.
Im nächsten und letzten Teil dieses Reiseabschnittes, fahren wir die letzten drei Kilometer nach Harzgerode hinauf.