Während der knappen Woche zwischen Rhein und Neckar, nahm ich mir nach vielen Jahren mal wieder ausgiebiger Zeit für das Straßenbahnnetz von Heidelberg. Im Verbund des RNV fällt das Teilnetz in Heidelberg besonders durch seinen interessanten Fahrzeugpark mit den M8C-NF und MGT6D auf, welche ausschließlich im Heidelberger Betriebsbereich zum Einsatz kommen. Neben hauptsächlich Aufnahmen vom 22. Juni 2020, werde ich an passender Stelle auch noch einige Aufnahmen des 25. Juni einstreuen.
Nachdem sich der Morgen des 22. Juni 2020 noch bedeckt mit leichtem Nieselregen zeigte, versprach die Wetterprognose für den weiteren Tagesverlauf eine stetige Besserung mit zahlreichen Sonnenstunden. So stellte ich am Morgen in Edingen das Auto ab, nahm im Nieselregen noch die morgendlichen OEG-Verstärkerfahrten mit und radelte anschließend Richtung Heidelberg. Auch nach einer ausgiebigen Frühstückspause in der Bergheimer Straße mit Blick auf die Linien 23 und 26, war von Sonne noch nicht allzu viel zu sehen. Wenigstens der Regen hatte aber endgültig aufgehört und so wurde ein wenig Kulturprogramm vorgeschoben. Bislang hatte sich ein Besuch der Heidelberger Altstadt irgendwie nie ergeben, das konnte ich jetzt perfekt einschieben. Gemütlich rollte ich vom Bismarckplatz aus durch die Gassen der ausgedehnten Altstadt, die von der Straßenbahn leider allesamt nicht erschlossen werden. Ihren Abschluss findet die Altstadt im Osten mit dem Schloss Heidelberg, hinter dem es unmittelbar in die lauschigen Ausläufer des Odenwaldes mit dem Königstuhl als Heidelberger Ausflugsberg übergeht. Spontan entschied ich mich am Schloss dazu, den übrigen Vormittag für eine kleine Bergetappe hinauf auf den Königstuhl zu nutzen.
Seit 1907 führt auf den Königstuhl das einzige schienengebundene Verkehrsmittel der Altstadt Heidelbergs, die Heidelberger Bergbahnen. Dabei handelt es sich um eine Standseilbahn mit zwei Sektionen. Die untere Sektion wurde bereits 1890 eröffnet. In Bezug zur Straßenbahn sind die beiden Standseilbahnen insofern interessant, als das der ungewöhnliche Name des Betreibers der Straßenbahn “Heidelberger Straßen- und Bergbahn AG” (HSB) eben von jener Standseilbahn herrührt.
Am Heidelberger Schloss befindet sich die Kreuzungsstation der unteren Sektion der Standseilbahn. Dort konnte der Wagen 2 der heute modernen Fahrzeuge der unteren Sektion aufgenommen werden.
Die kleine Radtour durch die üppigen Laubwälder der Odenwald-Ausläufer hinauf zum Königsstuhl, war eine angenehme Erfrischung zum schwülen Sommerklima rund um Rhein und Neckar. Oben angekommen, wurde ich mit einem tollen Ausblick über Heidelberg und die Ebene belohnt und sogar ein Straßenbahnbild war drin.
Vom Königstuhl reicht der Blick weit über die Rheinebene bis zur gegenüberliegenden Hügelkette. Das Heidelberger Schloss und Teile der Altstadt liegen außerhalb des Sichtfeldes rechts unten im Neckartal. Perfekt zur Geltung kommen die beiden Neckarquerungen der Heidelberger Straßenbahn: Die Theodor-Heuss-Brücke mit den Linien 5 und 23 unten rechts wird soeben von einem RNV8 überquert. Im Hintergrund ist die Ernst-Walz-Brücke mit den Linien 21 und 24 und einem MGT6D zu erkennen.
Quer über diverse Waldpisten ging es nun hinab ins Neckartal und anschließend über das Schloss zurück Richtung Bismarckplatz, wo ich dann auch die ersten Straßenbahnen in Heidelberg aus der Nähe ablichten wollte.
An Kultur gibt es in Heidelberg nicht zu wenig zu sehen. Als kleiner Eindruck dieses Panorama vom Schloss hinab in die Alststadt. Der Nachmittag soll dann aber für die Straßenbahn genutzt werden, denn auch dort gibt es einiges zu entdecken.
M8C-NF 3251 ist als Linie 21 auf dem Bismarckplatz gestartet und fährt in einem großen Bogen über den Hauptbahnhof anschließend gen Norden über den Neckar zum Hans-Thoma-Platz. Die Heidelberger Linien 21, 22 und 26 sind fest in der Hand der acht M8C-NF und zwölf MGT6D.
Die Linien 22 und 26 enden ebenfalls am Bismarckplatz, wodurch es mit nur einem Wendegleis regelmäßig dazu kommt, dass ein Wagen auf dem Streckengleis wenden muss und so den nachfolgenden Verkehr der durchgehenden Linien 5 und 23 blockiert. Die Linie 22 und 26 vollziehen dabei während des Wendens einen Linienwechsel. Am 25. Juni 2020 wenden der M8C-NF 3252 und der MGT6D 3269 nebeneinander am Bismarckplatz und tauschen dabei die Linien.
Eben noch von oben gesehen, stehen wir nun am 25. Juni 2020 auf der Theodor-Heuss-Brücke und sehen den RNV8 3273 die Brücke als Linie 23 Richtung Handschuhsheim überqueren. Die ansonsten allgegenwärtigen RNV6 und RNV8 beschränken sich ein Heidelberg nahezu vollständig auf die Linie 23 in Gestalt der langen RNV8 und die Züge der Rundfahrt der Linie 5.
Ein Zug der Linie 5 überquert am 25. Juni die Theodor-Heuss-Brücke vom südlichen Neckarufer über den kleinen Yachtanleger gesehen.
Zurück zum 22. Juni: Am Bismarckplatz wurde es mir dann doch schnell zu voll. Die Straßen waren übervoll mit Autos und Bussen und die Fußgängerzone voller Einkäufer. Ein Bild, dass nach den Corona-Maßnahmen schon fast die alte Normalität ausstrahlte. Einzig die vielen Masken wären vor wenigen Monaten noch undenkbar gewesen…
Mein nächstes Ziel war die neue Querverbindung auf der Südseite des Hauptbahnhofes von der Montpellierbrücke zur Czernybrücke. Seit Ende 2018 ist die neue Verbindungsstrecke zwischen den Linien 22 und 26 über die Haltestelle Hauptbahnhof Süd in Betrieb. Seither passieren die aus Eppelheim und Kirchheim kommenden Linien diesen Streckenabschnitt gegenläufig und treffen sich anschließend am Bismarckplatz wieder. Die Linie 22 nach Eppelheim wurde zudem neu trassiert und verläuft hinter der Czernybrücke nun nicht mehr über die Eppelheimer Straße, sondern durch die neue “Grüne Meile” Richtung Eppelheim.
Weite Teile der neuen Verbindungsstrecke sind im Zuge der neuen “Bahnstadt” noch Großbaustelle. Übrig geblieben ist hier allerdings der Alter Wasserturm der Großherzoglich Badischen Staatseisenbahnen aus dem Jahr 1907, der nun prominent umgeben von Baustellenwüsten in der Gegend herumsteht und mein nächstes Fotoziel darstellte.
M8C-NF 3254 auf der neuen Querverbindung unweit der Haltestelle Hauptbahnhof Süd am Alten Wasserturm als Linie 26 nach Kirchheim.
Für die Nachmittagsperspektive war noch einige Stunde Zeit, sodass ich vorerst der Linie 26 nach Kirchheim folgte. Sucht man im Innenstadtbereich und Umgebung in Heidelberg meist vergebens nach Motiven mit darstellbarer Bebauung oder interessanter Streckenführung, bieten die Außenstrecken der Linien 22 und 26 umso mehr schöne Motive in den mehr oder weniger autarken Stadtteilen Kirchheim und Eppelheim. In Kirchheim begeistert vor allem die teils eingleisige Streckenführung durch die engen Gassen des dörflich anmutenden Vorortes.
Der erste kurze eingleisige Abschnitt befindet sich noch nicht weit von der Trennung mit der Linie 22 an der Montpellierbrücke entfernt und ist der Unterquerung der Eisenbahn geschuldet. M8C-NF 3258 hinter der Haltestelle Rudolf-Diesel-Straße auf dem Kirchheimer Weg Richtung Kirchheim.
Auf der Rückfahrt konnte die Brücke mit MGT6D 3268 von der anderen Straßenseite aufgenommen werden. Mit ihrer an den M8C orientierten Frontgestaltung, blieben die zwölf 1994 und 1995 gebauten Heidelberger DUEWAG MGT6D stets Unikate und sorgen in Heidelberg für willkommene Abwechslung zwischen den unzähligen RNV6 und RNV8 auf dem übrigen Netz zwischen Rhein und Neckar.
Das Zentrum von Kirchheim wird zwischen den Haltestellen Albert-Fritz-Straße, Odenwaldstraße und Kirchheim Rathaus ebenfalls eingleisig durchfahren, mit einer Ausweiche an der Haltestelle Odenwaldstraße am gleichnamigen Dorfplatz. M8C-NF 3258 ist in den Abschnitt zwischen Albert-Fritz-Straße und Odenwaldstraße eingefahren.
M8C-Nf 3256 konnte zwischen den Haltestellen Albert-Fritz-Straße und Odenwaldstraße aufgenommen werden. Der Individualverkehr erhält bei einer entgegenkommenden Bahn schon am Odenwaldplatz eine rote Ampel.
MGT6D 3266 erreicht die Ausweiche am Odenwaldplatz und verlässt den eingleisigen Abschnitt von der Haltestelle Albert-Fritz-Straße kommend. Bei der nicht ganz einfachen Linienführung ist es umso erstaunlicher, dass die gesamte Linie nach Kirchheim erst im Dezember 2006 eröffnet wurde. In vielen Städten wäre die komplizierte eingleisige Strecke durch das Zentrum von Kirchheim wohl bereits der Todesstoß für etwaige Straßenbahnpläne gewesen… Am Odenwaldplatz lässt sich dank der Verkehrsberuhigung durch die neue Straßenbahnstrecke, heute gemütlich auf dem Dorfplatz sitzend ein Kaffee mit Kuchen genießen.
M8C-NF 3254 hat den eingleisigen Abschnitt zwischen Odenwaldplatz und Kirchheim Rathaus verlassen. Die Straßenbahnhaltestelle Kirchheim Rathaus befindet sich allerdings erst hinter der Straßenkreuzung. Ebenfalls eine Kleinserie im heutigen RNV-Universum stellen die acht 1985 und 1986 gelieferten M8C dar. Anders als in vielen anderen Städten, wurden die M8C in Heidelberg nicht nach rund 30 Jahren ausgemustert, sondern zwischen 2010 und 2013 bei Cegelec noch einmal umfangreich modernisiert und mit einem Niederflurmittelteil ausgerüstet.
Der letzte Abschnitt vom Rathaus zur Endschleife am Friedhof ist dann weniger interessant. Kurz vor der Endschleife passiert MGT6D 3269 den Ortseingang des Heidelberger Stadtteil Kirchheim stadtauswärts.
Nach dem Abstecher nach Kirchheim ging es zurück Richtung Heidelberg, denn auch die zweite mit den M8C und MGT6D bediente Außenstrecke nach Eppelheim stand noch auf meinem Zettel. Ein erster Stopp wurde am nun andersherum beleuchteten Wasserturm eingelegt, bevor es durch die “Grüne Meile” weiter Richtung Eppelheim ging. Die “Grüne Meile” gehört ebenso wie die “Bahnstadt” zum gigantischen Stadtentwicklungsprojekt südlich des Hauptbahnhofes, wo auf einem riesigen Areal neue, moderne Wohnviertel entstehen.
Recht verloren wirkt der Alte Wasserturm als letzter Überbleibsel der Vergangenheit auf dem Areal der neuen Bahnstadt südlich des Hauptbahnhofes. M8C 3258 durchfährt das gigantische Stadtentwicklungsprojekt als Linie 22 Richtung Eppelheim. Eine Aufnahme, die in wenigen Jahren wohl nur noch durch den Wasserturm wiederzuerkennen sein wird.
Von der Eppelheimer Straße wurde die Trasse der Linie 22 auf die neue “Grüne Meile” verlegt. Die Bebauungsgrenze im Hintergrund markiert das Ende der “Grünen Meile” und über ein kurzes Stück durch’s Nichts schwenkt die Strecke in wenigen hundert Metern wieder auf die alte Trasse auf der Eppelheimer Straße ein. Auch hier dürfte sich in den kommenden Jahren noch einiges am Umfeld ändern. M8C-NF 3256 ist unterwegs nach Eppelheim.
Über die Eppelheimer Straße fährt M8C-NF 3252 weiter in Richtung des westlichen Stadtteils.
Auch die Ortsdurchfahrt Eppelheim ist in weiten Teilen eingleisig. Der Klassiker schlechthin ist das Wasserturmmotiv hinter der Haltestelle Eppelheim Rathaus, welches am Abend perfekt im Licht liegt, während weite Teile der Ortsdurchfahrt schon verschattet sind. MGT6D 3268 verlässt die Haltestelle Rathaus in Richtung der Endstation Kirchheimer Straße.
Als einziges Fahrzeug konnte ich während meines Besuches den MGT6D 3272 noch im alten himmelblau/weiß antreffen. Eine Lackierung, die mir persönlich an den Wagen deutlich besser gefallen hat, als das heutige orange/dunkelblau/weiß, was aus meiner Sicht im Grunde aber für fast alle Betriebsteile des RNV gilt – könnte daran liegen, dass mir das aktuelle Farbschema einfach nicht übermäßig zusagt… In der Endstation Kirchheimer Straße wartet bereits MGT6D 3263 auf die Ankunft von MGT6D 3272, um in den eingleisigen Abschnitt einzufahren.
Ein wenig stehengeblieben scheint die Zeit an der Endstation Kirchheimer Straße in Eppelheim. Es dürfte wohl nur eine Frage der Zeit sein, bis auch diese Haltestelle mit neuen Bahnsteigen und Einrichtungen auf einen zeitgemäßen Stand gebracht wird.
Mit diesen abendlichen Eindrücken in Eppelheim endet mein kleiner Bericht aus Heidelberg. Anschließend radelte ich quer durch die Felder der Rheinebene zurück nach Edingen, wo noch einige abendliche OEG-Kurse festgehalten wurden.