Starr Gate to Fleetwood: Die Straßenbahn Blackpool – Vorwort

Wie vor Kurzem bereits angedeutet, schweben mir schon seit längerem verschiedene Ideen für neue thematische Serien vor, die aufgrund des doch recht großen Zeitaufwandes und der Arbeit an aktuellen Reiseberichten bislang nicht realisiert wurden. Aufgrund der aktuellen Lage der Welt, ist momentan allerdings an den langen, weitgehend betätigungslosen Abenden, mehr als genug Zeit zum Schreiben, sodass ich ein persönliches Herzensprojekt endlich angehen konnte: Ein Portrait der Straßenbahn Blackpool.


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Vorwort

Wahrscheinlich hat jeder irgendwo auf der Weltkarte einen ganz bestimmten Betrieb, zu dem irgendwie ein irrationales Verhältnis gepflegt wird. Ohne es genau festmachen zu können, geht von dieser Stadt mit ihrer Straßenbahn eine gewisse Faszination aus, die Anderen nur schwer zu erklären ist. Immer wieder kehrt man dorthin zurück und kaum ist man weg, wird schon fast die nächste Reise geplant.
Für mich ist dies seit 2008, spätestens aber seit der 125-Jahrfeier 2010, die Straßenbahn von Blackpool. Bei meinem ersten Besuch dort im Sommer 2008 versprühte Blackpool noch den siffigen Charme des Seebades der Arbeiterklasse, die bis in die 90er-Jahre in großen Scharen über’s Wochenende, vor allem aus Manchester ans Meer strömten und in den Gambling Halls ihre Pence verbrieten, sich in einer der zahlreichen Kneipen maßlose Mengen an Ale genehmigten (soll angeblich Bier sein…), oder mit der Familie eine der großen Vergnügungsattraktionen, wie den Pleasure Beach, Sealife oder Madame Tussauds besuchten. Das alle drei genannten Dinge oft zusammenkommen, macht gewissermaßen den ganz eigenen, zugleich abstoßenden aber irgendwie auch faszinierenden Charme Blackpools aus: Nachmittags geht es in den Freizeitpark, dann eine Portion Fish and Chips und anschließend verschwindet die ganze Familie in einer der Gambling Halls und während die kleinen beim Einschmeißen von Pence-Stücken in Münzschieber behutsam an das Glücksspiel herangeführt werden, verspielen Mama und Papa beim Bingo oder Roulette die großen Beträge. Bis heute hat sich am Publikum nicht allzu viel geändert, seit 2008 wurde aber das Äußere der Stadt insbesondere entlang der über 6 Meilen langen Promenade, der “Golden Mile”, umfassend saniert und stellt heute keinen Vergleich mehr zu meinem ersten Besuch dar.
Auch die Straßenbahn hat sich seither grundlegend verändert: Der Grundtakt wird heute in dichtem Intervall mit Niederflurwagen gefahren und so ein attraktives Nahverkehrsangebot für die einheimische Bevölkerung geschaffen. Das ganze Jahr über verkehren an ausgewählten Wochenenden, in der Hauptsaison täglich, zahlreiche der alten Veteranen, die Teils von den 30er-Jahren bis 2011 täglich ihren Dienst taten, als „Heritage Service“ zwischen den Niederflurbahnen. So hat man in Blackpool einen einmaligen Spagat zwischen ÖPNV, Geschichtsbewusstsein und Touristenattraktion gefunden, der mich auch in den Jahren 2013, 2015 und 2017 wieder an die Fylde Coast im Nordwesten Englands zog.

Auf tramtrain.de verarbeitet, habe ich bislang nur die Besuche aus den Jahren 2013 und 2015 in den jeweiligen Reiseberichten aus diesen Jahren. Schon lange sollten allerdings auch die übrigen Aufnahmen, gemeinsam mit den Unmengen an unnützem Wissen, dass man über die Jahre angesammelt hat, in einer Serie über diesen etwas speziellen Betrieb zusammengestellt werden. Der Aufwand für Aufarbeitung und Recherche ist dann allerdings doch nicht ganz unerheblich, sodass diese Vorhaben zwar stets im Hinterkopf blieb, aber bislang nicht in die Tat umgesetzt wurde.
Die aktuelle Situation in der Welt im Frühjahr 2020, sorgt nun aber für lange Abende, an denen kaum mehr zu tun bleibt, als vor dem Computer zu sitzen, will man nicht die ganze Zeit mit passivem „Binge Watching“ verbringen…
Inspiriert war ich dabei immer durch die großartigen Bücher von Brian Turner, der bereits seit den 60er-Jahren die Straßenbahn von Blackpool mit unglaublicher Liebe zum Detail in Bild und Text dokumentiert und seine Arbeit in zahlreichen Büchern zusammengefasst hat. Zuletzt veröffentlicht wurde ein dreiteiliger, über 500 Seiten langer Bildband mit über 1000, zumeist farbigen Aufnahmen, von den 60er Jahren bis 2015 und einem schier unendlichen Schatz an Hintergrundinformationen. 2010 erschien zum 125-jährigen Bestehen der Band „North Pier by Tram“, auf dem ein nicht unbeträchtlicher Teil meines Hintergrundwissens über die Straßenbahn von Blackpool gründet.

Neben meinen eigenen Aufnahmen ab 2008, finden auch zahlreiche ältere Aufnahmen aus der Sammlung aus den 80er- und 90er-Jahren Einzug in dieses Portrait der Straßenbahn Blackpool, sodass über einen Zeitraum von rund 40 Jahren die weitreichenden Veränderungen dieses einmaligen Betriebes dokumentiert werden können.

Nun aber genug der einleitenden Worte. Bevor es in den nächsten Tagen, Wochen und Monaten an die Strecke entlang der irischen See nach Blackpool geht, gibt es zum Start schon jetzt einen kurzer geschichtlichen Abriss und einen detaillierten Artikel zum abwechslungsreichen Fahrzeugpark der Straßenbahn Blackpool von 1885 bis heute.