Freitag 17. August 2018: Mit dem Flascherzug von Stainz nach Preding
Für den heutigen Morgen war mal wieder keine übermäßige Eile angesagt. Der Flascherlzug würde an diesem Freitag nur am Nachmittag eine Runde drehen. Immerhin das erste mal in dieser Saison, dass der Zug, wie anschließend die restliche Hauptsaison, am Freitag überhaupt verkehren würde.
Den sonnigen Vormittag verbrachten wir daher an der Graz-Köflacher-Bahn zwischen Deutschlandsberg, Preding und Lannach hauptsächlich im lauschigen Tal des Oisnitz Baches rund um Tobisegg. Das war fast schon wie Urlaub, hier in diesem grünen und ruhigen Tal ohne großes Ziel ein paar GTW’s im Stundentakt zu futzen 😉
Als die Abfahrtszeit des Flascherlzuges um 15:00 Uhr langsam näher rückte, wandten wir uns wieder der schmalen Spur zu.
Mit rund 11 Kilometer Streckenlänge war die Stainzer Lokalbahn eine der kürzeren Strecken unserer Tour. Im Gegensatz zu fast allen anderen Bahnen, war die Stainzer Lokalbahn jedoch auch bei ihrer Eröffnung im Jahr 1892 nicht länger und verkehrt somit noch auf ihrer vollständigen ursrpünglichen Strecke.
Die eingesetzten Fahrzeuge sind hingegen weit weniger authentisch. Bereits seit einigen Jahren kommt, mit einer längeren Unterbrechung wegen einer Hauptuntersuchung, die MÁVAG-Typ 70 764.411R zum Einsatz, welche der zweiten rumänischen Nachbauserie von Reghin aus dem Jahr 1986 entstammt. Im Mai 2018 erwarb die Gemeinde Stainz für die Lokalbahn mit der 764.007 eine weitere MÁVAG-Typ 70, welche von der Steyrtalbahn übernommen werden konnte. Diese entstammt jedoch der ersten rumänischen Nachbauserie von Resita aus dem Jahr 1953. Kamen zuvor noch zeitweise geliehene Lokomotiven österreichischer Bauart zum Einsatz, wenn die rumänsiche Dampflok längere Zeit nicht einsatzfähig war, kann der Betrieb nun wohl längerfristig mit den zwei eigenen Maschinen gewährleistet werden.
Weit über die Grenzen hinaus erlangte der Flascherzug jedoch Bekanntheit durch ihre ursprünglichen zwei Dampfloks, die zweiachsige “Stainz” und “Meran”. Ende der 60er Jahre diente die “Stainz” als Vorbild für das erste Modell der wetterfesten Lehmann-Groß-Bahn und ist bis heute DER Klassiker unter den Gartenbahnmodellen geblieben, ziert sie doch bis heute das bekannte rot-weiße Logo der LGB.
Auch die fünf bunten Zweiachser, welche in den 70er Jahren von der Stainzer Faschingsgilde renoviert wurden, erlangten nicht nur unter Modellbahnern Kultstatus. Im Gegensatz zu der schon seit vielen Jahren nicht mehr betriebsfähigen und in Murau hinterstellten “Stainz”, rollen die blaue “Schilcherschaukel”(Bi 31), die rote “Bergliesl”(Bi 32), der grüne “Höllerhansl”(Bi 33) und der gelbe “Kräuterwagerl”(Bi 34) noch heute hinter den Lokomotiven des Stainzer Flascherzuges. Lediglich der einst orangene Tonnendach-Zweiachser “Rosenkogel”(Bi 35) wurde wieder in ein grünes Farbschema versetzt und verkehrt nicht regelmäßig im Zug.
Heute stand die jüngere der beiden Dampfloks, die 764.411R im Einsatz. Diese hatte, aus welchem Grund auch immer, auch einen merkwürdig unpassenden Schlepptender am Haken. Wenigstens scheinen die fürchterlichen Panoramawagen von der Zillertalbahn nicht mehr eingesetzt zu werden, so sie sich denn überhaupt noch in Stainz befinden. Verstärkt wurde der Zug stattdessen vom vierachsigen B4i 41 und dem unvermeidlichen Freiluftwagen auf dreiachsigem Güterfahrgestell.
Da die Fahrt nach Preding nicht nur gegen das Licht stattfand, sondern auch noch mit dem Schlepptender voraus, gab es dort nicht wirklich viel zu holen. Die Rückfahrt sollte dafür aber in perfektem Licht mit Kessel voraus stattfinden. Besser hätte man es sich nicht wünschen können.
Zunächst sahen wir uns noch vor der Abfahrt im Bahnhof von Stainz um. Dabei entdeckte ich auch die versteckte Versorgungstür der “Schilcherschaukel”, welche als Bistro dient.
Die Versorgungstür der “Schilcherschaukel” ist im geschlossenen Zustand wirklich gut getarnt und war mir bislang noch nicht aufgefallen.
Der Flascherzug nähert sich der Straßenkreuzung kurz vor dem Haltepunkt Neudorf.
In Preding-Wieselsdorf blieb nicht nur für die Lokomotive genügend Zeit den Flüssigkeitshaushalt aufzufüllen, auch die Fahrgäste wurden von dem stets parallel fahrenden weißen Van versorgt.
Auf der Rückfahrt warteten wir in Streckenmitte in Kraubath auf den Zug. Dort wurde erneut eine Pause eingelegt, in der die Kinder bespaßt und die Eltern mit Getränken versorgt wurden. Die weitere Fahrt entwickelte sich dann zu einem Kuriosum, welches ich so auch noch nicht erlebt hatte. Eines vorweg: Normalerweise bin ich kein großer Freund von Verfolgungsfahrten mit dem Auto, bei einem Zug am Tag ist das allerdings recht alternativlos. Auf den verbliebenen 5 km Strecke hätte man bei einem normalen Zug auch kaum mehr als zwei Bilder machen können. Die tanzende bunte Wagenreihe war jedoch derart langsam unterwegs und die Straße verlief mehr oder weniger parallel, dass nicht einmal der ganze Zug an einem vorbei gezogen war, als man mit dem Auto schon wieder startete. der Zug verfolgte sozusagen uns, da er es garnicht an uns vorbei schaffte und so entstanden teilweise in wenigen hundert Metern Abstand Aufnahmen von der Fuhre. Die Fahrgäste waren auch zunehmend belustigt von unserem Treiben und hielten an jeder Ecke nach uns Ausschau. Bei dem wahnwitzigen Tempo blieb sogar noch Zeit mit dem einen oder anderen Fahrgast während der Vorbeifahrt ein paar Worte auszutauschen.
Der bunte Zug nähert sich Kraubath.
Auch der weiße Van erreichte wieder vor dem Zug den Bahnhof und bot erneut seine Ware feil, während 764.411 erneut eine Pause einlegte.
Die Ausfahrt aus Kraubath war umwelttechnisch sicher keine Glanzleistung. Die Fotografen erfreuten sich an dem Spektakel dafür umso mehr.
Der Haltepunkt Neudorf ist erreicht.
Nur zweihundert Meter weiter konnten wir den Zug erneut aufnehmen.
Bei Herbersdorf gesellte sich ein Apfelbaum neben den Zug.
Eine letzte Aufnahme gelang bei der Einfahrt in den Bahnhof Stainz.
Um 17:00 Uhr erreichte der Zug Stainz und würde dort bis zur samstäglichen Vormittagsrunde pausieren. Für uns das Zeichen, der Bahn den Rücken zu kehren, denn bis zum heutigen Etappenziel, dem Murtal, waren noch einige Kilometer zurückzulegen…
Wir verließen die Bahn mit sehr positiven Eindrücken: Der Zug war sehr gut gefüllt, Wagen und Lokomotive wirkten äußert gepfelgt und das Umfeld war schön aufgeräumt, Gleise nicht zugewuchert und nicht reihenweise Schrott auf irgendwelchen verrotteten Abstellgeleisen “ausgestellt”. Nach dem gestrigen Tag Balsam für die Seele…
Auch wenn so manch ein Kleinbahnfan sich beim Anblick des bunten und wild durcheinandergewürfelten Zuges nur kopfschüttelnd abwenden mag, mir hat der kleine bunte Flascherlzug der Stainzer Lokalbahn äußerst gut gefallen. Eine wilkommene Abwechsung auf der Reise auf 760mm durch Österreich!
Am späteren Abend erreichten wir in der Dämmerung schließlich das Murtal und fanden in Stadl an der Mur einen großen Gasthof. Gut – der entsprach jetzt nicht ganz unseren Preisvorstellungen, aber die ganze Gegend hier ist eben etwas teurer und wir hatten schließlich bei der letzten Übernachtung ordentlich gespart.
Als wir uns bis zur Nachspeise durchgeschlagen hatten, zog schlagartig ein Unwetter auf und wir mussten uns fluchtartig ins Innere des Gasthofes zurückziehen. Die Prognose für morgen war aber nicht hoffnungslos und so fielen wir guten Mutes wenig später in die Betten.