Erklärtes Ziel für heute: Die Engadinlinie von Bever bis Scuol. Für Menschen mit einer notorischen Abneigung gegen Steuerwagen eine Warnung vorweg: Bitte Sender wechseln, es wird einige geben 😉 Mit dem ursprünglichen Titel der Reihe wird dieser Teil indes nichts mehr zu tun haben, da wir mit keinen Überraschungen bei den Extrazügen mehr rechneten.
Vorher wie immer noch die Links zu den bisheringen Teilen:
Teil 1: Vom Mitteleinstieg bis zum Alvra – Mit der Wagenlotterie durchs Prättigau bis Filisur
Teil 2: Vom Bernina bis Zernez
Teil III: Güterverkehr und mehr im Engadin
Unglaublich wie leicht einem das Aufstehen fallen kann, wenn vor dem Fenster bereits die Sonne langsam über die Berge klettert und das weiße Engadin mit sanftem Morgenlicht flutet. Das Frühstück wurde wieder hinter dem Panoramafenster mit Bahnblick genossen. Dann hieß es aber langsam aufbrechen, das Gepäck im Auto vertstauen – ja, heute geht es schon wieder zurück 🙁 – noch ein kleines Schwätzchen mit dem freundlichen Hotelbesitzer halten und ab geht’s in den letzten Tag bei der Rhätischen.
Das Wetter wurde uns wie gesagt langsam unheimlig, es war keine einzige Wolke weit und breit zu entdecken. Das machte gleichzeitig aber die Entscheidung schwer, was heute anzustellen wäre. Einerseits könnte man den Bernina mal bei ordentlichem Wetter machen, andererseits stand auch die Engadin-Linie noch auf dem Plan, waren wir doch vorgestern nur noch bis Zernez gekommen. Beides an einem Tag wäre nicht zu schaffen, also hatten wir die Qual der Wahl. Da man beides aber irgendwie vor der großen Rollmaterial-Erneuerung noch mal machen müsste, war es letztendöich auch egal – man müsste so oder so in nicht alt zu ferner Zeit wieder herkommen. Auch die Disskussion der “Reisegruppe” beim Frühstück brachte kein argumentatives Ergebnis: Die eine Hälfte hatte beides noch nicht, die andere hatte beides noch nicht zufriedenstellend 😀 Also entschieden wir uns spontan für’s Engadin, standen hier doch noch zahreiche Motive für den Winter auf der Liste…
Der Parkplatz war heute sogar gestreut und so ging’s fix zur wie immer ersten sonnigen Stelle zwischen Bever und Samedan. Wir hatten es wieder auf den morgendlichen Albula Güterzug abgesehen. Zunächst kam aber noch der Schlittelzug und ein beeindruckender Albula-RE mit Höchstkapazität, bestehend aus Allegra, Alvra, “Stromversorgungswagen” und Glacier Express. Der anschließende Albula Güterzug kam wieder mit einer schönen Rundlampen-GE 6/6 II. Heute war es die 702 mit einem hübschen Holzzug.
Der Schlittelzug bricht in Richtung Bergün auf
Ein Albula-RE in Maximallänge, geführt von Allegra 2501
GE 6/6 II 702 bringt eine Ladung Holz über den Albula
Jetzt stand die bekannte Stelle zwischen La-Punt und Madulain mit dem morgendlichen Vereina-Güterzug auf dem Plan. Am Inn herrschte derweil eine magische Stimmung: Durch den klaren Himmel in der Nacht waren die Temperaturen wieder unter -10° gefallen. Vom deutlich wärmeren Inn stieg warmer Wasserdampf auf, welcher umgehend an den umliegenden Sträuchern gefrohr und einen dicken Reifpanzer bildete – einfach genial. Mit der nun doch schon recht warmen Februar-Sonne würde dieser Winterzauber in wenigen Stunden schon wieder verflogen sein…
Winterzauber am Inn zwischen La-Punt und Madulain
Langsam lichtet sich der Dampf und gibt den Blick auf den Hang mit einem Engadin-Pendel frei
Wem ist es aufgefallen? – richtig, der Güterzug hat gefehlt. Gefahren ist er schon, nur am Haken hatte die GE 6/6 706 nichts und ging daher etwas im Motiv unter. Schon gestern hatte ich diese Leistung ohne Wagen durch Bever fahren sehen und hatte daher irgendwie schon damit gerechnet. In Zernez hat diese GZ-Leistung aber einen langen Aufenthalt so das wir die schöne Rundlampen-6/6er problemlos wieder einholen würden bis sie in Zernez, dann hoffentlich mit Wagen, weiterfahren würde.
Wir überholten den Güterzug in Zernez und hielten nach einem Motiv ausschau. In Richtung Scuol ist das allerdings zu dieser Tageszeit alles andere als einfach, sozusagen unmöglich. Also wurde erstmal eine Zugkreuzung in Susch festgehalten. Auch die Engadin-Pendel stehen aber leider immer mit dem Steuerwagen Richtung Pontresina, aber die tollen Bahnhöfe entlang dieser Linie sind es allemal Wert trotzdem abzudrücken!
Zwei Engadin-Pendel kreuzen in Susch, gezogen bzw geschoben von Ge 4-4 II 614 und 627
Schon merklich weniger Schnee liegt hier unten in Richtung Scuol, als 627 in eben diese Richtung verschwindet
Der Güterzug, der ab Zernez nun wenigstens drei Wagen am Haken hatte wurde dann etwas kompromissbehaftet querab hinter Susch genommen. Mit Frontlich ist hier halt einfach nichts zu der Tageszeit, weiter fahren konnten wir aber auch nicht, da der Zug nach unserem Wissensstand im Vereina verschwinden würde.
Kurz hinter Susch erwischten wir den Güterzug mit Ge 6/6 II, mit nun immerhin drei Güterwagen
Wir arbeiteten uns weiter die Strecke Richtung Scuol hinunter. Hinter Lavin dreht die Strecke dann doch merklich, sodass die Lokseite der Pendel hier wiederum sogar schon aus dem Licht wanderte. Die Ausfahrt aus Guarda war um kurz vor zwölf aber noch halbwegs im Licht.
Ge 4/4 II 614 schiebt ihren Pendel in Guarda Richtung Pontresina
Ab dem Vereina verschwinden zwar die Engadin Stars, dafür kommen aber die RE’s aus Landquart nach Scuol aus dem Tunnel und das sogar stündlich. Ein paar Bilder mit Lok voraus sollten also möglich sein. Bei Ardez sind bekanntlich einige Motive umsetzbar und so investierten wir hier in die Parkuhr und setzten etwa eine Stunde lang die verschiedenen Möglichkeiten um. Der RE aus Landquart brachte wieder eine Ge 4/4 II mit Alvra, welche in beider Richtungen umgesetzt werden konnte.
Ge 4/4 II 626 mit einem Alvra kurz vor Ardez
Mit der kleinen Kapelle beid Ardez lassen sich bekanntlich einige Varianten umsetzen. Hier Ge 4/4 II 628 mit einem Engadin-Pendel
Das bekannte Motiv an der Ausfahrt von Ardez mit der Alvra Garnitur von eben, nun Richtung Landquart
Wir fuhren noch die letzten Kilometer bis Scuol, um dem Endpunkt der Linie auch noch einen kurzen Besuch abzustatten, und nachzusehen, was so im Bahnhof herumsteht. Nichts besonderes wie sich herausstellte. Die Ederlweiss Ge 4/4 II 618 war gerade beim Umsetzen für die Rückfahrt nach Landquart und die Schöma Tm 2/2 111 rangierte einen Coop-Wagen herum.
Die Edelweiss Ge 4/4 618 hat den Endbahnhof erreicht und setzt für eine weitere Fahrt nach Landquart um
Jetzt stand auch langsam die Entscheidung an, welchen Rückweg wir wählen wollten: Durch den Vereina oder wieder über den Julierpass. Wir entschieden uns für den Julier, so konnten wir an der Strecke wieder zurückfahren bis die Sonne uns verlassen würde. Ab jetzt ging es also heimwärts.
Bei Guarda passten wir die Ge 4/4 627 mit ihrem Pendel auf dem Viadukt ab. Diesmal versagte die andere Hälfte der Reisegruppe. Da das Motiv quer ab war und der Zug recht plötzlich und flott durchhuschte setzte er auf die Serienbildaufahme. Als die Lok dann richtig positioniert war, war natürlich der Puffer voll 😀 Eins zu eins nach verhauenen Aufnahmen 😀
Ge 4/4 627 auf dem Viadukt bei Guarda. Das Auto hat schon eine so dicke Salzkruste angesetzt, dass es im Schnee kaum noch auffällt 😀
Bei Lavin holte uns die Edelweiss ein. Ich versuchte ein Motiv quer an der Kirche vorbei. Der anschließenden Engadin-Pendel wurde im hübschen Bahnhof des Ortes umgesetzt.
Noch einmal die Edelweiss. Diesmal hinter der Kirche von Lavin
Auch der Regio mit Ge 4/4 614 wurde in Lavin umgesetzt
Der steuerwagenlastige Tag fand nun am Nachmittag seinen Höhepunkt. Wir drangen nun wieder ins Revier der Engadin-Stars vor und damit kam nur noch alle zwei Stunden ein lokbespannter Zug, also gefühlt nur noch einer mit Licht. Das war dann natürlich auch noch der unansehnliche ABB-Allegra 3506 – irgendwie hängen die Dinger an uns…
Wir riefen also offiziell den Steuerwagentag aus und nahmen ohne Rücksicht auf Triebfahrzeuge alle Motive mit die noch gingen. Den Anfang machte gegen 1500 Uhr der Bahnhof Zernez. Für mich ein gelungenes Beispiel dafür, wie man einen Bahnhof behinderten- und betriebsgerecht modernisieren kann, ohne dabei alles einzureißen und mit neuen Betonbauten zu ersetzen. Klar hat es nicht ganz den alten Charme, aber das hübsche Bahnhofsgebäude und sogar der alte Güterschuppen fügen sich schön in das ansonsten moderne Bahnhofsbild ein. Wäre man nur überall so umsichtig mit der alten Bausubstanz…
Mal wieder Ge 4/4 628 mit ihrem Pendel auf dem Weg nach Scuol. Diesmal in Zernez.
Das bekannte Viadukt bei Cinuos-chel-Brail wollte auch noch mit Schnee umgesetzt werden. So warteten wir hier auf den nächten Pendel, welcher in Form von Ge 4/4 614 Richtung Pontresina kam. Der Bahnhof von Cinuos-chel-Brail wurde dann auch noch mitgenommen und bot eine ausreichende Pause für einen kleinen Nachmittagssnack.
Das bekannte Viadukt bei Cinuos-chel-Brail mit Ge 4/4 614
Der Bahnhof von Cinuos-chel-Brail
Es war inzwischen schon wieder 1600 Uhr und viel würde wohl nicht mehr gehen. Die Gerade am Bahnhof Madulain lag aber genau in der Lichtachse und bot so noch eine letzte Möglichkeit eines Sonnenbildes und ein Regio kam auch gerade entgegen. Das Motiv war zwar nicht der Knaller, aber der frontale Schuss im letzten Licht auf den Steuerwagen 1722, der inzwischen schon aus Pontresina zurückkam, war doch irgendwie der passende Abschluss dieses Steuerwagentages.
Zum Tagesabschluss natürlich: Ein Steuerwagenbild bei Madulain 😀
Bis zum Erreichen der nächten Motive lagen diese dann auch schon im Schatten. In Anbetracht der langen Rückfahrt verzichteten wir dann auch auf weitere Aktivitäten und machten uns direkt auf die Heimfahrt. Die Fahrt durch St.Moritz gestaltete sich völlig problemlos und beim anschließenden Sprung über den Julierpass ging noch einmal die Sonne auf unf unter. Welch schöner Abschluss dieser Tour.
Bei der Rückfahrt über den Julier ging noch einmal die Sonne auf und unter
Die weitere Rückfahrt zog sich wie Kaugummi, obwohl es bis auf die Durchfahrt durch Chur problemlos lief. Hinter Landquart den Tempomat auf 50 gestellt, gefühlt an die 200 Kreisel umschifft und gegen 10 war der Bodensee erreicht.
Damit endete die Fahrt zur Rhätischen im Frühjahr 2017. Mit so einem Wetter hatten wir im Leben nicht gerechnet, als vier vor vier Tagen im dichten Nebel gestarten waren. Auch wenn es leider wieder nicht mit Ge 6/6 II im Personenverkehr klappte, waren sie doch wegen des erhöten Fahrzeugbedarfs wenigstens im Güterverkehr ausnahmslos anzutreffen. Schlussendlich war das alles bei diesem Kaiserwetter ohnehin eher nebensächlich…