Weiter geht’s mit Teil 2: Wir fahren über den Julierpass ins Engadin. Hier noch der Link zum ersten Teil:
Teil 1: Vom Mitteleinstiegwagen bis zum Alvra – Mit der Wagenlotterie durchs Prättigau bis Filisur
Der Siff von gestern Abend waberte immer noch umher. Es gab also keinen Grund für überzogene Eile und so wurde sich beim reichhaltigen Frühstück im Hotel in Tiefencastel noch ein zweiter vorzüglicher Jura-Kaffee genehmigt. Das muss man der Schweiz halt lassen, man bekommt auch wofür man bezahlt!
Gegen halb neun machten wir uns dann mit unserer mobilen Versorgungseinheit auf den etwa 50km langen Weg ins Engadin. Der Julierpass war problemlos zu passieren und das Aufgebot von Verkehrspolizisten, die einige der Orte am Pass kurzerhand im wechselseitigen Einbahnstraßenverkehr regelten, schien im Laufe des Tages doch noch mit größerem Andrang Richtung St.Moritz zu rechnen. Etwas Verzögerung gab es dann auch erst vor Silvaplana, aber Alles in Allem weniger schlimm als erwartet und nachdem dieses Nadelöhr passiert war, lief es auch durch St.Moritz sehr geschmeidig. Eben dieses ließen wir heute und auch die restlichen Tage aufgrund des Trubels gleich links liegen und fuhren nach Pontresina. Noch hielt sich der Siff recht hartnäckig aber Richtung Bernina sah es irgendwie etwas heller aus. Da der Bernina ohnehin auf dem Zettel für die nächste Tage stand, war der Plan für den restlichen Vormittag damit ausgemacht.
In Kürze würde das stündliche Treffen in Pontresina stattfinden und wir positionierten uns mal in der Einfahrt des Bahnhofs. Von Samedan kam etwas überraschend ein Stammnetz-Pendel in Form von Be 4/4 516. Schon im Winter 2015 wurde diese eine Leistung von einem Stammnetzpendel anstelle eines Engadin Pendels mit Ge 4/4 II übernommen. Aber da kennen die Experten bestimmt den Grund für…
Der Allegra aus St.Moritz wurde auch noch mitgenommen. Viel interessanter war derweil, dass vom Bernina eine ABe 4/4 III Traktion kam, die dann ja als nächstes Richtung Tirano wiederkommen müsste.
Allegra 3504 kurz vor Pontresina Richtung Tirano
Die morgentliche Triebwagenleistung von Samedan nach Pontresina
Anschließend ging es der Doppeltraktion voraus Richtung Bernina. Zwischen Surovas und Morteratsch war es schon fast sonnig und wir legten direkt mal den nächsten Halt ein. Irgendwie hatten wir uns im Fahrplan verguckt und der erwartete Bernina Express blieb aus. Dafür überraschte uns die nächste Leistung nach St.Moritz, die dann bei diffusem Streiflicht genommen wurde. Durch den Schnee wurde das Licht so reflektiert, das man selbst bei diesem krassen Gegenlicht noch Aufnahmen machen konnte, die dann irgendwie auf ihre Weise auch wirkten. Zu unserer Freude war dies auch gleich die nächste Traktion aus zwei ABe 4/4 III. Das auch noch beide Traktionen werbefrei waren, war umso schöner.
ABe 4/4 III 51 und 52 bei diffusem Licht zwischen Morteratsch und Surovas
Wir fuhren den beiden Traktionen also noch mal ein Stück weiter voraus. Ein entgegenkommender Allegra wurde irgendwie notgeschossen, bevor wir bei Lagalb auf die Einheit aus 53 und 54 warteten. Irgendwo hier in der Gegend war ich 2015 mit dem Auto gescheitert. Ohne Schneeketten war bei dem wilden Schneetreiben an ein sicheres Vorankommen nicht mehr zu denken, sodass wir ab Diavolezza auf den Zug umsteigen mussten. Heute war hingegen sogar schon so etwas wie Sonne auszumachen als die beiden Triebwagen ankamen.
ABe 4/4 III 53+54 bei Bernina Lagalb
Je weiter wir allerdings Richtung Ospizio fuhren, desto dichter wurde die Suppe am Himmel und hüllte die umliegenden Berge in Wolken ein. Richtung Engadin schienen sich die Wolken jedoch zu verziehen. Daher beschlossen wir, noch die zweite Doppeltraktion abzuwarten und dann den Rückzug anzutreten. Einen Kakao etwas zu Futtern und einen Emmi-Kaffe später – ja es war schon wieder Mittag – kam der Zug kurz vor Ospizio um die Ecke geschlichen.
ABe 4/4 III 51+52 kurz vor Ospizio Bernina
Uns von hier oben zu verziehen stellte sich im Anschluss als goldrichtig heraus, denn Richtung Engadin strahlte inzwischen die Sonne vom Himmel und wir konnten die Stelle zwischen Surovas und Morteratsch mit dem folgenden Allegra nach Tirano noch einmal von der anderen Seite aus ablichten.
Allegra 3503 zwischen Surovas und Morteratsch
Was also jetzt anstellen mit dem Nachmittag? Mein Hauptanliegen war ja wie gesagt der Bernina und das Engadin, da eben hier das Wetter vor zwei Jahren im Winter garnicht mitspielen wollte. Da der Bernina ja nun nicht so wirklich ging, blieb also die Strecke Richtung Scoul. Wir wollten uns also einfach mal soweit vorarbeiten wie die Bergschatten es am Nachmittag noch zulassen würden. Insgeheim hoffte ich durch den enormen Fahrzeugbedarf für die Ski-WM noch auf einen mit Ge 6/6 II geführten Engadin-Star. Dieser Wunsch sollte jedoch nicht erfüllt werden.
Der Klassiker an der Ausfahrt von Bever Richtung Samedan wurde natürlich auch noch mitgenommen. Wer weiß wie es hier in naher Zukunft aussieht, wenn dieses Teilstück erstmal zweigleisig ausgebaut ist. Als erstes kam ein Albula RE bestehend aus Allegra 3502 einer Alvra-Garnitur und ein paar angehängten Resten. Ein Stück weiter nach Samedan zurück gelaufen kam ein Engadin Pendel mit Ge 4/4 II 614 Richtung Scoul durch. Der Fluglärm des benachbarten Flugplatzes war derweil beträchtlich. Durch die Ski-WM schien die Anzahl an Starts und Landungen deutlich erhöht. Getoppt wurde das nur noch von einem Formationsflug der Schweizer Armee, die am Vormittag unablässlich das ganze Tal in Begleitung eines großen Jets mit ihrem ohrenbetäubenden Lärm “beglückte”. Wenige Tage später touchierte bei einer ähnlichen Aktion ein Flieger ein Kabel einer (wenn ich mich noch richtig erinnere) Stromleitung. Glücklicherweise ohne schwere Folgen.
Allegra 3502 mit einer Alvra-Garnitur bei Bever als RE nach St.Moritz
Ein Engadin Pendel mit Hochflursteuerwagen und Ge 4/4 II 614 Richtung Scoul
Weiter ging es talabwärts. La-Punt wurde mangels Verkehr tatenlos auf der Schnellstraße passiert. Der nächste Halt wurde auf der Nebenstraße kurz hinter Madulain eingelegt, denn demnächst müsste wieder der zweistündige Engadin-Star aus Landquart entgegen kommen. Als Motiv sollte die Kurve vor Zuoz von der Straßenbrücke aus dienen. Nach einem kleinen Nachmittagssnack kam ausgerechnet der weiße ABB-Allegra mit einem wohl der Ski-WM geschuldeten, ungewöhnlich langen Engadin Star nach St.Moritz.
Allegra 3512 zwischen Zuoz und Madulain mit einem Engadin Star nach St.Moritz
Bei S-chanf stand noch ein Motiv auf meinem Zettel, dass sich aus zweierlei Hinsicht jetzt gut eignen würde. Zum Einen war der Sonnenstand optimal, zum Anderen würde der Steuerwagen voraus fahrende Zug hier nicht weiter stören, da das Bild mit S-Chanf im Hintergrund schön seitlich gehen würde.
Hier klappte auch der uralte Parkuhrtrick mit der noch vorhandenen Restparkzeit mal wieder. Kurz die Nummern durchgeguckt und tatsächlich, die zwanzig Minuten auf der Uhr des einen Stellplatzes reichten noch 😀 Vermutlich auch wegen rücksichtslosen Schmarotzern wie uns, werden die Dinger gefühlt seltener. Ja nur gefühlt, in Zahlen kann ich das nicht belegen 😉
Während die Hälfte der Reisegruppe eine Perspektive etwas näher am Gleis wählte, kämpfte ich mich ein ganzes Stück den Hang hinauf. Es war zwar nicht Steil, aber mangels Schneeschuhen versackte ich doch ordentlich tief im teils lockeren Schnee.
Ge 4/4 II 628 bei S-chanf mit einem Regio nach Pontresina
Das Tal wird Richtung Zernez und Scoul blöderweise immer schmaler und die Sonne sank derweil immer tiefer. Der fotografische Tag neigte sich damit unabwendbar dem Ende zu – jedenfalls was Sonnenbilder angeht. In Zernez selbst sollte dank des großen Bogens in Richtung des Quertals aber noch was gehen. Der Schnee wurde hier unten aber schon merklich weniger. Der erste Versuch an der Einfahrt aus Richtung Scoul scheiterte grandios. Die Sonne war schneller weg als der Zug kam. Wir hatten es aber bewusst darauf ankommen lassen, da 20 Minuten später ohnehin der Regio aus der anderen Richtung käme und der Bogen vorm Ort auch dann noch reichlich Licht haben würde. Nur das uns der Engadin-Star aus St. Moritz durch die Lappen ging war so nicht geplant. War aber eh nur ein Allegra…
Ge 4/4 II 614 in der Kurve vor Zernez mit einem Regio nach Pontresina
Auf der Hinfahrt hatten wir schon gesehen, dass das Viadukt bei Cinuos-chel-Brail noch ordentlich Licht hatte. Nicht das bekannte Richung Zernez, sonder das kleinere in Richtung Samedan auf Höhe eines Campingplatzes. Angedacht war hier eigentlich der Engadin-Star nach St.Moritz. Allerdings hatten wir sogar den Pendel von eben schon wieder überholt. Hier wollte diese Garnitur aber so garnicht gefallen mit Steuerwagen voraus und ohne Lok im Bild. Also beschlossen wir, hier auch noch den Engadin-Star abzuwarten, bevor wir uns jetzt bei der Suche nach einer weiteren Stelle verzettelten und ihn am Ende gar nicht mehr bekämen. 15 Minuten später waren die Füße des Viadukts zwar schon leicht im Schatten, dafür kam der Engadin Star aber lokbespannt. Zwar keine GE 6/6 II, dafür aber die gefällige Südostschweiz Ge 4/4 II 619, die mit dieser Werbung bisher auch noch nicht vernünftig in der Sammlung war.
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Ge 4/4 II 619 “Südostschweiz” bei Cinuos-chel-Brail mit einem Engadin Star Richtung St.Moritz
Die Sonne war jetzt weg, aber für den Feierabend war es wie immer im Winter noch viel zu früh. Also wurde heute Samedan für’s entspannte WM-Züge-Gucken ausgewählt. Zunächst kam der RE nach Chur, wie schon gestern in Maximallänge daher. Die Ausfahrt des Zuges war schon beeindruckend, wie das Kraftpaket von Ge 4/4 III ihren 14-Wagen Zug unbeeindruckt aus dem Bahnhof herausbeschleunigte.
Um 1720 kam als Extrazug eine Doppeltraktion aus zwei “Stammnetzallegras” ABe 4/16. Das war doch mal im Gegensatz zu Gestern keine Alltäglichkeit, dass so eine Garnitur über den Albula geschickt wurde. Um 1750 kam noch ein Be 4/4 als Extrazug. Ich vermute, dass dieser durch den Vereina geführt wurde. Auch keine Alltäglichkeit für diese Triebwagen. Leider fuhr der Zug aufs hintere Gleis, sodass es nur einen Notschuss gab.
Ge 4/4 III 643 in Samedan als RE nach Chur
Der Hunger trieb uns jetzt aber Richtung Unterkunft. In Zuoz hatten wir ein Zimmer in einer Sportunterkunft gebucht. Wie schon vor zwei Jahren klappte die Anfahrt durch die verzweigten Straßen des Ortes erst beim zweiten Anlauf. Nach einem stärkenden Abendessen war irgendwie noch Unternehmungsgeist da. Zu schön wirkte der Mond und der klare Sternenhimmel vor dem Fenster. Also so warm wie möglich eingepackt, die 5-10 Grad in der Sonne des Tages waren unter dem klaren Himmel inzwischen -15 Grad gewichen, und mit Kamera und Stativ im Gepäck durch den Ort spaziert.
Einfach wunderschön diese kleinen Orte im Engadin und bei Nacht strahlte alles eine ganz eigene Atmosphäre aus.
Zuoz bei Nacht
Wir spazierten einfach mal etwas oberhalb aus dem Ort hinaus. Vielleicht würde sich ja noch ein netter Blick auf den Ort ergeben, und so war es dann auch, nachdem die in nächtlicher Ruhe liegende Skipiste passiert war, ergab sich von einer Bank am Wegesrand ein toller Blick über Zuoz und S-Chanf.
Zuoz und S-chanf liegen in abendlicher Ruhe im Tal
Gegen zehn war es dann genug, denn der morgige Tag versprach Sonne pur und so musste noch ausreichend Kraft getankt werden.
Morgen soll es dann ins Val Bever gehen und vor allem auch mal der Güterverkehr ins Visier geraten, nachdem das Wochenende nun vorüber ist.